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EU-Koordinator Pat Cox im Gespräch

„Wie ein Irish Pub ohne Bier“: Warum die Europäische Union auf den Brenner-Nordzulauf setzt

Das Nadelöhr und Europa: Eisenbahn im Inntal, Pat Cox, EU-Koordinator für den Verkehrskorridor, der von Skandinavien nach Sizilien führen soll.
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Nadelöhr und Europa: Eisenbahn im Inntal, Pat Cox, EU-Koordinator für den Verkehrskorridor, der von Skandinavien nach Sizilien führen soll.

Der Brenner-Basistunnel ist ein Projekt von europäischen Dimensionen, aber ein besonders wichtiges Kapitel wird in der Region Rosenheim geschrieben – das findet der zuständige EU-Koordinator. Wie Pat Cox den Nordzulauf begründet. Und warum er den Brenner-Basistunnel mit einem Pub vergleicht.

Rosenheim – Vor elf Jahren war Pat Cox schon mal da. Der Ire weilte in Rosenheim, als dort seinerzeit mit dem „Rosenheimer Vertrag“ Verkehrsgeschichte geschrieben wurde. In dem Dokument vereinbarten Deutschland in Österreich gemeinsame Planungen zum „Ausbau der grenzüberschreitenden Schienenverbindungen“. Es war so etwas wie der offizielle Startschuss für die Planungen zum Brenner-Nordzulauf. Und Pat Cox war als Koordinator der Europäischen Union für den Nord-Süd-Verkehrsstrang dabei.

„Jetzt geht‘s los“, titelte damals, im Juni 2012, das Oberbayerische Volksblatt. Jetzt, zu seiner Rückkehr nach Rosenheim, hatte Pat Cox (70) diesen OVB-Bericht auf sein Tablet geladen, quasi als Erinnerungsstück. „Here we go“, sagte Pat Cox, noch immer Koordinator der Europäischen Gemeinschaft für ihr wichtigstes Verkehrsprojekt. Die Schlagzeile habe seinerzeit gestimmt. Und sie stimme immer noch.

Einen Blick aus Europäischer Vogelperspektive

Dass ein hoher EU-Vertreter nach Rosenheim reist, um sich bei einem Dialogforum auch über die Planungen der Bahn in der Region Rosenheim zu informieren, ist ein Zeichen für die Dimension des Neubauprojekts. Denn der Brenner-Basistunnel und der Nordzulauf sind Herzstück jenes Scanmed-Korridors, den Pat Cox moderieren und koordinieren soll. Deswegen sei es ganz gut, dass er zu einem Blick aus der Vogelperspektive nach Rosenheim habe kommen dürfen, sagte Cox.

Planer sprechen von einem enormen Anstieg des Verkehrsumfangs

Nötig macht den Brenner-Basistunnel nach Ansicht der Europäischen Union das in den nächsten Jahren enorm ansteigende Verkehrsaufkommen über Europas wichtigsten Pass. „Das ist nicht weiter überraschend“, sagte Cox, „Süddeutschland und Norditalien sind die am stärksten industrialisierten Regionen.“ Und, so fügte er hinzu, beide hätten auch große touristische Anziehungskraft.

Ohne Ausbaustrecken verliert der Tunnel seinen Sinn

Der Brenner-Basistunnel aber habe ohne der Verbindungen im Norden und im Süden keinen Sinn. „Das wäre wie ein Irish Pub ohne Bier“, sagte Cox. „Es wäre keine gute Idee.“ Den Partnern im Süden stellte er ein gutes Zeugnis aus. In Italien beispielsweise mache man „beachtliche Fortschritte“. Er gehe davon aus, dass Italien „hundertprozentig pünktlich“ liefere. Auch in Österreich laufe so weit alles nach Plan. „Ich bin optimistisch“, was den Abschluss am Brenner-Basistunnel betrifft, sagte er. Gut 70 Prozent der Erd- und Aushubarbeiten seien geleistet. 2032 werde der Tunnel in Betrieb genommen. 

Und in Deutschland? Auch da zeigte sich Pat Cox freundlich beeindruckt. Auch in Deutschland sei der Brenner-Nordzulauf im Bundesverkehrswegeplan verankert. Man habe in Rosenheim 2012 strategisch Weichen gestellt. „Und wir haben strategische Geduld bewiesen.“ Außerdem befinde man sich in der Vorplanung schon wirklich sehr tief in den Details, sagte der frühere EU-Parlamentarier mit einem anerkennenden Blick auf DB-Chefplaner Matthias Neumaier.

Cox äußert Verständnis über Protest gegen Nordzulauf

Dass der Widerstand gegen das Projekt gerade zwischen Rosenheim und dem Inntal noch stark ist, beeindruckt ihn aber ebenfalls. Auch während der Info-Veranstaltung im Crombach-Hotel demonstrierte eine kleine Gruppe von Nordzulauf-Gegnern, an der Spitze Lothar Thaler als Vorsitzender vom Brenner-Dialog Rosenheimer Land. Man werde nicht klein beigeben, sagte Thaler dem OVB, man habe in der kurzen Zeit aber nicht mehr Menschen organisieren können. Dann lud er seine Mitstreiter über Megaphon zum Protestmarsch rund ums Hotel ein.

„Ich war selber gewählter Politiker, und so verstehe ich Politik und Menschen.“ Zur Demokratie gehöre das Recht zur Zustimmung, aber auch das der Ablehnung, sagte Cox. Dass der Brenner-Nordzulauf kommen müsse, und mit ihm die Sanierung und Erneuerung der Bestandsstrecke, daran ließ der Ire auch keinen Zweifel. „Ich sehe das nicht als entweder oder, ich sehe das als sowohl als auch.“

Im Norden ist die Schlacht entschieden

Er verstehe die Kritik am Brenner-Nordzulauf als Echo auf den Protest im Norden, gegen den Tunnel unterm Fehmarnbelt. Dort, an der Wasserstraße zwischen Deutschland und Dänemark, ist die Schlacht entschieden. 2020 begann der Bau des Tunnels auf dänischer, 2021 auf deutscher Seite. Die Vorplanungen der Bahn zum Brenner-Nordzulauf werden 2025 dagegen erst dem Bundestag vorgelegt. Sollten die Bagger und die Tunnelbohrmaschinen tatsächlich irgendwann anrollen, wird voraussichtlich sehr viel Wasser den Inn hinuntergeflossen sein.

Brenner-Basistunnel: Wie verlässlich ist der Zeitplan?

2038 soll der Brenner-Nordzulauf in Teilen bereits in Betrieb genommen werden, 2040 soll er fertig sein. Macht sechs bis acht Jahre, in denen schon Züge durch den Brenner-Basistunnel rollen, ohne auf eine nach planerische Sicht nötige Nordstrecke mit neuen Gleisen geführt werden zu können. Die Bahn setzt aber darauf, dass sich der Verkehr durch den neuen Tunnel allmählich verstärkt. Der Zuwachs könnte zunächst also noch auf die alten Gleise geführt werden, bevor der Umfang des Nord-Süd-Verkehrs die neuen Gleise notwendig macht.

Vielleicht spielt den Planern der Bahn aber auch in die Karten, dass der Brenner-Basistunnel doch noch ein wenig länger brauchen könnte als von Pat Cox erhofft. Jüngst musste das für das Gesamtprojekt zuständige Unternehmen BBT von knapp einer Milliarde Euro Mehrkosten berichten. Nicht wenige Beobachter gehen davon aus, dass damit auch der Zeitbedarf gestiegen sein könnte.

Zuvor schon hatte die nötig gewordene Neuvergabe des Bauloses Pfons - Brenner - wohlgemerkt an die selbe Firma wie zuvor - den Abschluss der Arbeiten um gut zwei Jahre verzögert. Und auch davor hatte es schon Rückschläge gegeben. Als Zeitpunkt der Fertigstellung des Brenner-Basistunnels war im Rosenheimer Vertrag das Jahr 2026 angegeben. Pat Cox wird sich als Zeitzeuge erinnern.

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