Bürgerversammlung
„Ob das Bauwerk kommt, entscheiden nicht wir“: Flintsbach diskutiert über Brenner Nordzulauf
Zwei Varianten für den Brenner Nordzulauf stellte Flintsbach Rathauschef bei der Bürgerversammlung vor. Wer unmittelbar von der Planung betroffen ist und wie sich die Anwohner dagegen wehren können.
Flintsbach – Das Thema, das bereits seit vielen Jahren die Gemüter der Flintsbacher bewegt, ist der Brenner Nordzulauf. Über den aktuellen Stand informierte jüngst Flintsbachs Bürgermeister Stefan Lederwascher im Rahmen einer außerordentlichen Bürgerversammlung. Dazu kamen rund 130 interessierte Bürger in die Alte Post nach Fischbach.
Verknüpfung in Höhe Kirnstein
Für den weiteren Verlauf in Richtung Inn/Kirnstein liegen zwei Varianten vor, die derzeit noch genauer untersucht werden müssen. Hier geht es hauptsächlich um die Verknüpfung von Neubau- und Bestandsstrecke. Viele Anwohner hatten bislang darauf gehofft, dass auf dieses, rund 3,5 Kilometer lange Bauwerk, an dieser Stelle gänzlich verzichtet werden kann. Die Deutsche Bahn (DB) hat zwischenzeitlich jedoch mitgeteilt, dass sie auf eine Verknüpfung in Höhe von Kirnstein nicht umhinkommt.
Die erste Alternative beschäftigt sich mit der Anbindung an die Bestandsstrecke im Bereich der Bundesautobahn. Dazu muss die Bestandsstrecke in Richtung A93 verlegt werden. Die andere Variante sieht eine Anbindung im Bereich der Bestandsstrecke vor, die allerdings auch teilweise verlegt werden muss. Die DB will sich bis Ende 2023 für eine Vorzugstrasse entschieden haben.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung machte Lederwascher seine Rolle als Bürgermeister der Gemeinde deutlich und sagte: „Ich bin nicht der Planer und auch kein Mitarbeiter der Bahn. Die geplante Bahnstrecke ist kein Bauwerk der Gemeinde Flintsbach oder des Landkreises, sondern ein europäisches Großprojekt. Es ist auf eine Nutzungsdauer von 200 Jahren anlegt, für das die Deutsche Bahn den Auftrag erhalten hat, dieses zu planen. Ob das Bauwerk kommt oder nicht, entscheiden nicht wir, sondern zum Schluss der Deutsche Bundestag.“ Ergänzend wies er darauf hin, dass sowohl die Politik, als auch ein großer Teil der deutschen Gesellschaft die Forderung aufgestellt hat, mehr Güter auf die Schiene zu verlagern.
„Ich bin froh, dass unserem Wunsch, möglichst viel von der Strecke zu untertunneln mit der violetten Variante Rechnung getragen wurde. Das Problem ist alleinig nun die Verknüpfungsstelle, die nach Auskunft der Bahn nur oberirdisch erstellt werden darf,“ sagte Flintsbachs Bürgermeister.
Einige Bürger unmittelbar betroffen
Nach den bislang recht groben Darstellungen des Streckenverlaufs offenbaren die aktuellen Zeichnungen der Bahn nun mehr Details, sodass bei einigen Bürgern die unmittelbare Betroffenheit konkreter wurde. „Eine Forderung, die wir von Anfang an aufgestellt und immer verteidigt haben“, sagte Lederwascher. Aus den Entwürfen der Planer lässt sich recht gut erkennen, dass die Verknüpfungsstelle an der engsten Stelle im oberen Inntal realisiert werden soll. Hier, wo heute nicht nur der kanalisierte Inn fließt, suchen schon zwei Landstraßen, die Bundesautobahn, zwei internationale Öl- und Gasversorgungsleitungen, eine 110 KV-Stromtrasse, Feldwege und unzähligen Strom-, Wasser- und Telekommunikationsleitungen ein Auskommen miteinander und konkurrieren mit der Natur. Diese Verknüpfungsstelle sei laut Bahn alle 20 bis 25 km zwingend notwendig, um die neue Bahntrasse mit der Bestandsstrecke zu verbinden.
Neben den beiden vorgestellten DB-Varianten haben die Inntal-Gemeinden, eine Tiroler Gemeinde und eine Bürgerinitiative ein Gutachten in Auftrag gegeben, die eine Verknüpfungsstelle in Tunnelbauweise im Wildbarren vorschlägt. Auch diese Variante stellte Lederwascher vor. Die Planer der Bahn lehnten unterdessen eine weitere Untersuchung dieser Variante jedoch ab und bekamen vom Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) dafür Rückendeckung, so Lederwascher. Der Hauptgrund, warum diese Variante für die Bahn-Planer keinen Stellenwert einnimmt, ist die Tatsache, dass unterirdische Verknüpfungsstelle im Bahn-Regelwerk nicht vorgesehen sind.
„Die Gemeinden und die Bürgerinitiative bekommen für die alternative Variante mittlerweile Rückendeckung von zahlreichen Parteien, nur ausdrücklich nicht von der FDP“, sagt Bürgermeister Lederwascher. In der Diskussion, ob die Ertüchtigung der Bestandsstrecke auch eine Alternative darstellt, stößt indes auf eine zweigeteilte Meinung.
Womit bisher auch nur wenige Anwohner gerechnet haben, ist die prognostizierte Bauzeit von rund acht Jahren. Auf jeden Fall muss damit gerechnet werden, dass es während der gesamten Bauzeit Baustelleneinrichtungen und Lagerplätze für den Erdaushub benötigt werden. Weder die Standorte, die notwendigen Straßen noch deren Umfang seien derzeit bekannt, sollen aber bis zum Sommer von der Bahn festgelegt werden. Allerdings werden einige Landwirte für zehn oder sogar mehr Jahre Flächen zur Verfügung stellen müssen. Überdies befürchtete ein Bürger bei der Versammlung, dass der Baustellenbetrieb dann über Jahre rund um die Uhr für Lärm und Schmutz im Inntal sorgen wird.
Gemeinden können Forderung stellen
Die betroffenen Gemeinden im Inntal haben jetzt die Möglichkeit greifbare Kernforderungen zu stellen, die über die gesetzlichen Ansprüche hinausgehen. Diese werden über das Rosenheimer Landratsamt koordiniert, besprochen und mit den Kommunen abgestimmt. Solche Kernforderungen können auch Bürger stellen und ebenfalls und direkt an die Bahn senden.