Neubau in der Färberstraße 15
„Das ist eine Unverschämtheit“: Rosenheimer Bauträger ziehen gegen die Stadt vor Gericht
In der Färberstraße 15 soll neuer Wohnraum entstehen – doch die Umsetzung liegt seit fast zwei Jahren auf Eis. Die Bauträger werfen der Stadt vor, hingehalten zu werden und haben jetzt sogar Klage eingereicht. Die Stadt weist die Kritik von sich.
Rosenheim – Ein freier Parkplatz im Färberviertel ist fast wie ein Sechser im Lotto. Oft muss man endlos um den Block fahren, nur um am Ende doch keinen freien Platz zu finden. Aus diesem Grund schreibt die Stellplatzsatzung der Stadt vor, dass diejenigen, die in der Innenstadt bauen wollen, für jede Wohnung eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen nachweisen müssen.
Besucherstellplätze werden benötigt
Für Wohnungen mit einer Fläche bis 100 Quadratmeter braucht es im Moment anderthalb Stellplätze. Wer eine Wohnung hat, die größer als 100 Quadratmeter ist, muss zwei Stellplätze vorweisen. Zusätzlich werden Besucherstellplätze benötigt. Es ist eine Satzung, die in der Vergangenheit vor allem von der SPD kritisiert wurde – und jetzt auch von einem Rosenheimer Paar, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie planen den Bau eines Mehrfamilienhauses in der Färberstraße 15.
Weil es für das Färberviertel keinen Bebauungsplan gibt, greift der Paragraph 34 des Baugesetzbuches. Dieser besagt, dass ein Bauvorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß in die nähere Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Während diese Vorgaben durchaus erfüllt scheinen, fehlt es an anderer Stelle. „Wir können die Stellplätze nicht nachweisen“, sagen die Antragsteller. Denn für sechs Wohnungen müssten neun Stellplätze nachgewiesen – oder aber von der Stadt finanziell abgelöst werden.
315.000 Euro pro Jahr durch Stellplatzablösungen
Das Geld der Stellplatzablöse fließt laut Pressesprecher Christian Schwalm derzeit hauptsächlich in den Unterhalt von Parkhäusern und Parkplätzen. „Durchschnittlich wurden in den vergangenen zehn Jahren knapp 315.000 Euro pro Jahr durch Stellplatzablösungen eingenommen“, teilt er mit.
Wenn Stellplätze abgelöst werden sollen, müssen die Rosenheimer Stadträte hierzu oftmals ihre Zustimmung geben. Damit das geschehen kann, müssen die jeweiligen Themen auf die Tagesordnung des Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschusses gesetzt werden. Doch genau das ist im Fall der Färberstraße 15 laut den Bauwerbern nach wie vor nicht geschehen. Und das, obwohl der Vorbescheid ihnen zufolge bereits am 9. April 2022 eingereicht worden ist.
Eilantrag der CSU durchkreuzt Pläne
Zwar sollte das Vorhaben am 21. Juli 2022 in der Sitzung des Bauausschusses besprochen werden, wurde dann aber wieder von der Tagesordnung genommen. Grund hierfür dürfte laut den Bauträgern ein Eilantrag der CSU gewesen sein. In diesem forderte die Fraktion die Verwaltung auf, bis Ende des Jahres einen Plan auszuarbeiten, wie in der Innenstadt ausreichend Parkraum für Anwohner geschaffen werden kann. Beispielsweise durch die Aufstockung von bestehenden Parkhäusern.
„Eine weitere Ablöse von Stellplätzen bei Neu- oder Umbauten in der Innenstadt soll nicht mehr möglich sein, weil durch den Wegfall von Stellplätzen an den Straßenrändern kein ausreichender Raum mehr für den ruhenden Verkehr zur Verfügung steht“, heißt es in dem CSU-Antrag.
Recht auf Entscheidung?
Die beiden Antragsteller vermuten allerdings, dass sich die Verwaltung vor einer Entscheidung drücken will. Auch mit Blick auf die Stellplatzsatzung, die überarbeitet werden sollte. „Es heißt immer, dass Antragsteller ein Recht auf eine Entscheidung haben. Aber wir schweben seit Monaten in der Luft“, sagen sie.
Das Paar besuche seit Monaten die Sitzungen, in der Hoffnung, dass es ihr Vorhaben auf die Tagesordnung schafft. Bisher jedoch ohne Erfolg. „Es ist geplant, dass sich die Gremien nach der Sommerpause damit befassen“, heißt es dazu aus dem Rathaus. Laut der Verwaltung sind das Bauvorhaben und der Genehmigungsantrag nicht entscheidungsreif. „Die gewünschte positive Entscheidung kann nicht erteilt werden, da die Stellplätze nicht nachgewiesen werden“, erklärt Schwalm.
Nachweis über Stellplätze fehlt
Aus diesem Grund musste ihm zufolge auch die Vorbescheidsfrage hinsichtlich des Nachweises der Stellplätze abgelehnt werden. „Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Vorbescheid konnte eine Zustimmung der Stadt Rosenheim zu einer Stellplatzablösung nicht herbeigeführt werden“, so Schwalm weiter.
Es ist eine Aussage, die bei den Bauwerbern für Irritation sorgt. „In jeder Sitzung gibt es ständig Anträge zur Ablöse von Stellplätzen, die durchgewunken werden. Nur wir werden seit zwei Jahren hingehalten“, sagen sie im OVB-Gespräch und erinnern an das Vorhaben in der Innstraße.
Um ihrem Vorhaben mehr Nachdruck zu verleihen, sind die Bauwerber im vergangenen Jahr sogar vor Gericht gezogen. Im Oktober 2022 haben sie eine Klage und im Dezember 2022 einen Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem Verwaltungsgericht München eingereicht. „Bei der Klage handelt es sich um eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel, einen durchweg positiven Vorbescheid zu erhalten“, erklärt Schwalm. Auch weil eine Entscheidung hierzu noch aussteht, habe die Stadt bisher von einer Behandlung des Genehmigungsantrags abgesehen.
„Bei jedem Bauvorhaben, das wir bisher in Rosenheim angefasst haben, mussten wir klagen“, teilen die Bauwerber mit. Und das obwohl sie primär daran interessiert seien, Wohnraum zu schaffen. Für die beiden sei das „Maß voll“. Gespräche mit der Stadt würden nur noch über ihren Anwalt stattfinden. Aber zumindest eine kleine Hoffnung bleibt bestehen, dass es ihr Vorhaben nach der Sommerpause auf die Tagesordnung des Bauausschusses schafft – und sie nach mehr als zwei Jahren mit dem Bau anfangen können.
Kritik vonseiten der Anwohner
Kritik an dem Bauvorhaben gibt es von Klaus Heimerl. Er lebt seit 19 Jahren im Färberviertel und hat sich - stellvertretend für zahlreiche Bewohner - in einem Schreiben an die Mitglieder des Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschusses gewandt. Sein Ziel: Weiteren „irreversiblen, inkompatiblen Bauobjekten“ im Färberviertel vorzubeugen. So gehe der „Charme des Färberviertels“ durch die zahlreichen Bauprojekte immer mehr verloren. Eine Nachverdichtung in einem „historisch gewachsenen Viertel“ ist seiner Meinung nach unangebracht - zumal es in der Innenstadt viele leerstehende Häuser gebe.
„Eine Überhöhung eines Neubaus des Hauses der Färberstraße 15 wäre eine grobe Bausünde, die drastisch ins Auge fallen würde, sodass jeder Rosenheimer Bürger nur noch den Kopf schütteln könnte“, heißt es in dem Schreiben, das auch der Redaktion vorliegt. Er appelliert an die Stadträte, sich ein „Bild von der Sache zu machen“, die Häuserzeile zu erhalten und bei einem Neubauplan auch gestalterische Vorgaben einfließen zu lassen.
Kritik gibt es auch an der Parkplatzsituation im Viertel. „Mit jedem weiteren voll ausgelasteten Kapazitätsbau würde sich die Parkplatzsituation weiter drastisch verschärfen und noch mehr Besucher mit Autos einziehen“, sagt er. Er hinterfragt, wie das Viertel diese Belastungen verkraften soll. „Vielleicht können diesmal weniger finanzielle und mehr optische Argumente bei Neubauentscheiden eine Rolle spielen“, schreibt der Bewohner. Stattdessen sollte der Fokus auf der nachhaltigen Attraktivität eines alten Stadtviertels liegen - eingebettet in „sinnvolle Stadtplanung“.
