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Mordprozess im Fall Hanna aus Aschau

Vernehmung des Belastungszeugen aus dem Knast: Was für ihn spricht – was gegen ihn

Verhandlungstag 15 am Landgericht Traunstein: Verteidiger Harald Baumgärtl, Angeklagter Sebastian T. und Verteidigerin Regina Rick.
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Verhandlungstag 15 am Landgericht Traunstein: Verteidiger Harald Baumgärtl, Angeklagter Sebastian T. und Verteidigerin Regina Rick.

Am 15. Tag im Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. aus Aschau kam nochmals der Knastzeuge zu Wort – es wurde das Vernehmungsvideo abgespielt. Darin belastet der Zeuge Sebastian T. Was spricht für seine Glaubwürdigkeit? Und was können die beiden neuen Gutachter klären?

Aschau im Chiemgau/Traunstein – Der spannende Streifen spielt in einer nüchternen Amtsstube. Links hinten ragt ein Aktenschrank ins Bild, darüber sieht man einen Wandkalender und eine Uhr, deren Zeiger auf kurz vor 6 Uhr stehen. Man sieht eine Tür, an der Wand rechts eine Garderobe.

Im Vordergrund sitzt der Überraschungsszeuge dieses Mordprozesses: Ein gedrungener Mann Anfang 20, rundes Gesicht, kurze Haare, grauer Pullover. Seine Hände ruhen gefaltet auf einer Tischplatte. Er ist der Knastzeuge, der sich nach der ersten Woche des Prozesses über seinen Anwalt beim Staatsanwalt gemeldet hatte. Er habe etwas zu sagen über Sebastian T. und dessen mögliche Beteiligung an der Tötung von Hanna.

Mordprozess Hanna: Hat Sebastian T. die Tat gestanden?

Aus dem Off sind die Stimmen von Vernehmungsbeamtinnen und vom Staatsanwalt zu hören. Sie fragen den sitzenden Mann über die Umstände eines ganz bestimmten Gesprächs. Es ist das Gespräch, in dem Sebastian T. den Angriff auf Hanna W. in Aschau gestanden haben soll. „Er habe sie missbrauchen wollen und habe sie dann in den Fluss geschmissen“, sagt der Zeuge über Sebastian T.s Geständnis. Zudem habe er gesagt, dass er Hanna bewusstlos geschlagen habe, „damit sie sich nicht wehren kann“.

Was gegen den Zeugen aus dem Knast spricht

Die Aussage, die der 23-jährige Mithäftling am 16. Oktober 2023 machte, wurde auf Video aufgenommen. Und dieses Video war am Mittwoch, 29. November, in der Verhandlung gegen Sebastian T. zu sehen. Man sah darin einen etwas nervös wirkenden jungen Mann, der sich sichtlich bemüht, mit den vernehmenden Beamten zu kooperieren und der sich für Grammatikfehler oder missverständliche Aussagen entschuldigt.

Es gibt einiges, was gegen ihn spricht. Das brisante Gespräch mit Sebastian T. soll sich in der JVA Traunstein in der Weihnachtszeit 2022 ereignet haben. Der Zeuge erinnert sich an Spekulatius, die es zu jener Zeit gegeben habe. Warum wartete der Mann zehn Monate lang mit seiner Aussage? Und was ist sein Motiv für seine Aussage gegen Sebastian T.? Hofft er auf eine Gegenleistung? Knastzeugen gelten in der Justiz als problematisch.

Richterin hat auch seinen Fall zu verhandeln

Die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler, sie hat auch den Fall des Überraschungszeugen zu verhandeln. Dass ihm eine Hafterleichterung nicht unrecht wäre, hat der Mithäftling schon bei seinem persönlichen Erscheinen am Landgericht Traunstein eingeräumt.

In der polizeilichen Vernehmung sagte er das ausführlicher. Der Anwalt habe ihm gesagt, „dass da vielleicht was rausspringen könnte, wenn ich vor Gericht die Wahrheit sage“. Aber, auch das ist wiederholt festgestellt worden: Es gab keinen „Deal“ des Zeugen mit der Justiz, bevor er seine Aussage machte.

Der Knastzeuge: Was für ihn spricht

Die Schilderung des Mithäftlings hat Lücken. Manchmal kann er sich nicht mehr genau erinnern, es tue ihm leid, sagt er. Wäre er glaubwürdiger, wenn er sich nach 300 Tagen an jedes angebliche Wort, an jede Regung von Sebastian T. erinnerte? Oder würde man misstrauisch werden, weil die Geschichte zu sehr nach auswendig gelernt klänge?

Im Gefängnis geht es rau zu

Was der Häftling über den Rahmen des Gesprächs und damit über den Alltag im Gefängnis zu berichten hatte, klang plausibel. „Im Knast ist es schlecht, wenn man keine Freunde hat“, sagte er. „Ich weiß von meiner Straftat, dass man schnell Feinde bekommt.“ Seine Straftat? Der Zeuge wird sich wegen eines Sexualdelikts verantworten müssen.

In seinem Register – es wurde am Mittwoch verlesen – findet sich bereits ein Jugendarrest wegen Nötigung, Besitzes kinderpornographischer Schriften und Missbrauchs von Kindern. „Dass er mir das erzählt hat, hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich ihm gesagt hatte, wegen was ich sitze.“ Sebastian T. habe in der JVA nichts herumerzählt – „da bin ich auch dankbar für“. Er habe über Sebastian T.s Geheimnis ebenfalls Stillschweigen gewahrt: „Ich wollte nicht, dass er auf die Fresse bekommt.“

Wie er in der Videoaufzeichnung sagte, habe er dennoch erfahren, wie schnell man im Gefängnis unten durch sei. Ein Mithäftling habe ihn zu sexuellen Übergriffen gezwungen. Nachdem er den Übergriff angezeigt hatte, sei er zu seinem Besten in Schutzhaft gesteckt worden. Leute, die andere verpfeifen, sind hinter Gittern nicht sicher. Auch deswegen wohl hat er über T.s Geständnis zunächst nichts herumerzählt.

Es gibt ein Indiz, dass es ein Gespräch gab

Sicher erscheint, dass es ein Gespräch zwischen Sebastian T. und dem Zeugen gab. Denn der Zeuge wusste etwas, das er zum Zeitpunkt seiner Aussage vor der Polizei sonst kaum gewusst haben kann. Sebastian T. habe über seine Nöte erzählt, berichtete der Mithäftling. „Er hat auch gesagt, dass er keine Chancen bei Frauen hatte. Dass er sich erniedrigt gefühlt hat, weil er immer Körbe bekommen habe.“

Von diesen demütigenden Erfahrungen des Angeklagten konnte er zum Zeitpunkt seiner Aussage kaum aus dem Prozess erfahren haben. Zumal er überhaupt nur mitbekommen habe, dass der Prozess begonnen habe. Detaillierte Informationen will er über Medien nicht erhalten haben. Er habe keine Zeitungen bestellt, Internet stehe nicht zur Verfügung, seine Nachrichtenquellen seien die Fernsehsender N-TV und RTL II gewesen.

Ein Polizist hält Unfall für unwahrscheinlich

Es bleibt vorerst ungewiss, ob das Gericht den Zeugen für glaubwürdig hält. Ungewiss ist aber auch, wann der Prozess enden wird. Auch weil sich immer neue Fragen stellen. Einer der Ermittler erzählte von seinen Erfahrungen mit Wildwasser. Dass man, im Wasser treibend, gegen einen Brückenpfeiler oder dergleichen pralle, sei kaum vorstellbar. Da bilde sich ein „Polster“ aus Wasser vor dem Pfeiler, „praktisch Prallwasser“, von dem ein Körper abpralle.

Zwei neue Gutachter für Hannas Verletzungen

Die Verteidigung beharrt im Gegensatz dazu darauf, dass Hannas Verletzungen möglicherweise durchs Treiben in der Prien herrühren. Anwältin Regina Rick stellte auch im Namen ihrer Kollegen Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank einen Beweismittelantrag: Prof Andreas Malcherek von der Bundeswehr-Uni in Neubiberg und Prof. Syn Schmitt aus Stuttgart sollen mit einem hydromechanischen, beziehungsweise biomechanischen Gutachten klären, ob die Kopfwunden Hannas und ihre gebrochenen Schulterdächer nicht auch durch das Treiben in der Prien und durch eine Wasserwalze entstanden sein können.

Termine bis weit ins neue Jahr hinein

„Ich denke, dass wir das machen werden“, sagte Richterin Aßbichler. Zuvor gelte es aber zu prüfen, ob sich eine Wasserwalze wie von der Verteidigung angenommen an der Prien finde. Harald Baumgärtl beantragte in Sachen Knastzeuge einen Zeugen zu laden: den Richter, der in einem Missbrauchsfall entschied. Der Mithäftling hatte angegeben, von seiner Mutter missbraucht worden zu sein. Die wurde jedoch freigesprochen.

Das Landgericht Traunstein hat für den Mordprozess gegen Sebastian T. mittlerweile Termine bis in den März 2024 hinein eingetragen.

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