Wenn Bauherren einen aufs Dach bekommen - mit *Umfrage“
Sollen Städte wie Wasserburg Investoren zur Photovoltaik verdonnern?
Photovoltaik ist eine Lösung von vielen für die Energiewende. Sollten Investoren verpflichtet werden, jedes geeignete Dach und jede passende Fassade dafür zu nutzen? Der Wasserburger Stadtrat über Zwang oder Eigenverantwortung, Bremser und Förderer.
Wasserburg - In der südlichen Burgau entsteht ein neues Wohngebiet: mit 69 Wohneinheiten in zwei mehrstöckigen Riegeln, mindestens zwölf Wohnungen mit Förderung, damit die Mieten auch für Bürger mit kleinerem Geldbeutel bezahlbar bleiben, berichtet der Bauherr, das Unternehmen Grundner aus Soyen. Ein großer Wurf für die Stadt in der Innhöhe.
Buortesch sieht einen Makel
Und trotzdem gebe es einen Makel, beanstandete Norbert Buortesch (Bürgerforum) in der jüngsten Sitzung des Stadtrats. Denn die Kommune hat im Vorentwurf zum Bebauungsplan, um dessen Details schon ein Jahr lang gerungen wurde, Photovoltaik (PV) nicht verpflichtend vorgeschrieben. Doch kann und will eine Stadt Investoren und Bauherren überhaupt dazu verdonnern?
Gebetsmühlenartig für die PV
Er sei „erschüttert“, dass die Stadt, die sich gerne als Vorrreiterin in punkto PV-Anlagen sogar auf Denkmälern positioniere, diese in einem neuen Wohngebiet nicht vorschreibe, ärgerte sich Buortesch im Stadtrat. Während Christian Stadler, Fraktionsvorsitzender der Grünen, stets auf ausreichende und komfortable Radlständer Wert lege, werde er nicht müde, sich für Photovoltaikanlagen einzusetzen, so Buortesch. Stadler hatte sich in der Tat mit seinen Forderungen zu Fahrradparkplätzen an der geplanten Wohnanlage durchgesetzt. Der vorberatende Bauausschuss hatte die Pflicht zur Photovoltaik jedoch abgelehnt. Buortesch konnte es nicht fassen. Er werde weiter gebetsmühlenartig darauf pochen, dass jedes geeignete Dach und jede passende Fassade Photovoltaik erhalte, solange, bis dieses Ziel erreicht sei.
Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) verwies auf die bereits im Bauausschuss geführte Diskussion: Jeder Investor baue heutzutage - auch aus wirtschaftlichen Gründen - nachhaltig, niemand setze mehr auf fossile Energien zur Strom- oder Wärmegewinnung. Nachhaltigkeit sei gesetzlich vorgeschrieben, doch es gebe viele verschiedene Modelle, wie die CO2-Neutralität erreicht werde könne: Photovoltaik, Solarthermie, aber auch Wärmepumpen, Geothermie, Pellets- und Hackschnitzelheizungen, Biogas und vieles mehr. Das Versorgungskonzept wolle und könne die Stadt dem Bauherrn nicht vorschreiben. Vor allem die sogenannten Mieterstrommodelle, die bei Wohnanlagen gebräuchlich seien, würden sich oft nicht rechnen.
Das bestätigt der Bauherr auf Anfrage der Wasserburger Zeitung. In Soyen habe das Unternehmen Grundner bereits einmal bei einem Mehrfamilienhaus in Kooperation mit einem Versorger ein solches Modell versucht. Es habe sich als zu kompliziert herausgestellt, bedauert Helmut Grundner. Er findet generell: Unternehmerische Eigenverantwortung sei der bessere Weg als verpflichtende Vorschriften. Davon gebe es schon genug.
Maas: „Wir bremsen und bremsen“
Heike Maas, Fraktionsvorsitzende von CSU/Wasserburger Block, riss in der Diskussion im Stadtrat diesbezüglich der Geduldsfaden. „Wir bremsen und bremsen statt endlich einen Schritt weiterzugehen“, ärgerte sie sich über die Forderung von Buortesch. Die Stadt solle Investoren und Bauherren, die dringend benötigen Wohnraum schaffen würden, unterstützen - „und nicht noch mal alles schwieriger und komplizierter zu machen“. Friederike Kayser-Büker, Fraktionsvorsitzende von SPD und Linker Liste sowie Chris Peiker, Linke Liste, sahen die Stadt nicht als Bremser, im Gegenteil: Überdurchschnittlich viele neue Wohnsiedlungen auch mit Sozialförderung würden hier ausgewiesen.
Stadler unterstützte Buoerteschs Wunsch, bei den Festlegungen im Bebauungsplanentwurf genau hinzuschauen und sich auch mit Details wie der Photovoltaik-Frage zu beschäftigen. „Wenn euch das schon wieder zu viel ist, seid ihr im Stadtrat nicht richtig“, schimpfte er in Richtung Maas. Auch Dr. Martin Heindl (SPD) fand, Buortesch müsse sich nicht dafür rechtfertigen, dass er ökologische Gesichtspunkte berücksichtigt wissen wolle. Ob die Stadtwerke nicht einsteigen und Dachflächen anmieten sowie den gewonnenen Strom dann verkaufen könnten? Kölbl verwies auf die Tatsache, dass es sich um ein privates Objekt handele, was der Bauherr mit seinen Dächern und Fassaden tue, sei seine Sache. Stadtwerkechef Robert Pypetz zweifelte an, ob solche Mietflächen wirtschaftlich darstellbar seien.
Stadtbaumeisterin versteht die Welt nicht mehr
Stadtbaumeisterin Mechtild Herrmann wollte trotzdem fast verzweifeln an der ihrer Meinung nach von Buortesch gepflegten Auffassung, wenn Photovoltaik nicht verpflichtend sei, dann würde es keiner realisieren. „Das ist falsch, jeder vernünftige Bauherr überlegt sich, was er tun kann und wie. Überlassen wir es dem Bauherrn, welches energetisches Konzept er wählt. Er wird tun, was vernünftig ist, wir sollten ihn nicht einengen.“ Denn: „Es gibt nicht nur Photovoltaik.“
Buortesch blieb jedoch dabei: Der Stadtrat gebe ohne Not ein Instrument aus der Hand, den Klimaschutz voranzutreiben. Schließlich ließ er sich doch überzeugen und nahm seinen Antrag, Photovoltaik verpflichtend für alle geeignete Flächen vorzuschreiben, zurück. Stattdessen kam ein Kompromiss von Heindl zur Anwendung: die Empfehlung an den Bauherren, Solaranlagen zu integrieren, wo immer es möglich sei (Dächer, Fassaden). Wobei Kayser-Büker einhakte: „Wer bestimmt, was geeignet ist?“
Trotzdem gab es für die Empfehlung eine Mehrheit von 14 Ja- gegen acht Nein-Stimmen. Bettina Knopp (Grüne) versuchte es noch mit einem weiteren Vorschlag: die Empfehlung einzubauen, Krippenräume in die Wohnanlage zu integrieren. Dafür sei diese zu klein, wies Kölbl den Wunsch zurück. Der Gesamtbeschluss zum Bebauungsplanentwurf fiel schließlich einstimmig.