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Caritas-Fachschule für Heilerziehungspflege

Vom Taxifahrer zum Heilerzieher: So waren die ersten 100 Tage in Altenhohenau für die Azubis

Die Klassensprecher berichten über die Faszination Heilerziehungspflege: (vorne sitzend: Maria Katterloher und Matthias Wörl, hinten stehend  (von links) Leon Dimpflmaier, Schulleiter Robert Paulus und Sarah Zollner.
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Die Klassensprecher berichten über die Faszination Heilerziehungspflege: (vorne sitzend: Maria Katterloher und Matthias Wörl, hinten stehend (von links) Leon Dimpflmaier, Schulleiter Robert Paulus und Sarah Zollner.

Vom Taxifahrer zum Heilerziehungspfleger: Matthias Wörl sattelt mit 58 Jahren nochmal um. Er und seine drei Kollegen, Sarah Zollner (27), Maria Katterloher (18) und Leon Dimpflmaier (18), absolvieren an der Fachschule in Altenhohenau eine Ausbildung in der Heilerziehungspflege. So geht es ihnen nach den ersten 100 Tagen.

Griesstätt – Sarah Zollner sattelt mit 27 Jahre noch einmal um: Die Bürokauffrau wird Heilerziehungspflegerin. Gut 100 Tage Ausbildung bei der Stiftung Attl und an der Caritas-Fachschule für Heilerziehungspflege und -hilfe in Altenhohenau (Griesstätt) hat sie jetzt absolviert und ihre Entscheidung nicht bereut. Im Gegenteil: „Mein neuer Beruf ist weitaus erfüllender als der Schreibtischjob“, sagt die Klassensprecherin. Statt Verwaltungsaufgaben am PC zu erledigen, arbeitet sie acht Stunden am Tag mit Menschen: Kinder und Jugendliche mit Behinderung, die in einer Außenwohngruppe der Stiftung Attl in Pfaffing betreut werden.

Heilerziehungspflege: Das ist nach Erfahrungen der jungen Frau ein Beruf, bei dem sie sich gut entfalten kann. „Andere Menschen individuell begleiten“: Das ist für sie eine bereichernde Aufgabe. Außerdem eine vielfältige: Denn jedes Kind, jeder Jugendliche, jeder Erwachsene mit Beeinträchtigung sei anders. Nach Schema F könne die Betreuung nicht ablaufen.

Lernen einen Beruf, der herausfordert, aber auch Sinn stiftet: (von links) Matthias Wörl, Sarah Zollner, Schulleiter Robert Paulus, Maria Katterloher und Leon Dimpflmaier.

Vom Pfarrer zum Leiter der Fachschule

So verschieden wie die Menschen, die in der Heilerziehungspflege im Fokus stehen, so vielfältig ist auch der Beruf, findet Schulleiter Robert Paulus. Der 41-Jährige hat mit den 240 Schülerinnen und Schülern nicht nur die Leidenschaft für diese besondere Aufgabe gemeinsam, sondern auch die Zeitspanne an der Caritas-Bildungseinrichtung in Griesstätt: Auch Paulus ist seit gut 100 Tagen im Amt. Auch er ist ein Quereinsteiger: Eigentlich wollte er Pfarrer werden, doch er verliebte sich und musste diesen Berufswunsch ad acta legen. Jetzt ist er Leiter der Caritas-Fachschule für Heilerziehungspflege in Griesstätt.

„HEP ist bunt“

„HEP (Abkürzung für Heilerziehungspflege, Anm. der Redaktion) ist bunt“, bringt Paulus das Bild des Berufs auf den Punkt. Es gebe kreative Anteile, pädagogisch Ansätze, pflegerische ebenso. Die Ausbildung sei außerdem vielfältig, weil dual: zwei Tage Schule, drei Tage Praxis am Arbeitsplatz. Die Einrichtungen, in denen die Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger arbeiten, sind Wohngruppen, Werkstätten, Förderschulen oder Institutionen im Freizeit-Sektor (offene Behindertenarbeit). Auf all diese Felder geht laut Paulus der Lehrplan ein.

Die Fachschule am ehemaligen Kloster Altenhohenau verfüge über eine der längsten Erfahrungen auf diesem Gebiet: Sie gibt es schon seit 50 Jahren. „Altenhohenau bürgt für Qualität“, sagt der Leiter, „den HEP-Schein bekommst du woanders auch, aber echter HEP wirrst du in Altenhohenau“, heiße es oft in Kreisen ehemaliger Schülerinnen und Schüler. Doch diese Alleinstellung muss mittlerweile verteidigt werden, als Folge von Schulneugründungen in Traunstein und Mühldorf.

„Viele sind so dankbar, dass wir da sind“

Maria Katterloher hat sich nach eigenen Angaben für den Standort in Griesstätt entschieden, weil sie von Ehemaligen viel Positives zur Ausbildung vernommen habe. Die 18-Jährige arbeitet in der Stiftung Attl und ist bereits gelernte Kinderpflegerin. Ebenfalls ein erfüllender Beruf, doch sie wollte noch mehr: Menschen helfen, die gehandicapt sind. Nach einem Probearbeiten in Attl entschied sie sich für eine zweite Ausbildung als Heilerziehungspflegerin. Derzeitiger Arbeitsplatz: eine Intensivwohngruppe für Menschen mit Doppeldiagnosen. Sie sind körperlich und psychisch schwer behindert. Auch wenn sie sich oft nicht direkt äußern können, bekommt Maria Katterloher viel zurück, wie sie betont. „Viele sind so dankbar, dass wir für sie da sind.“ Das zeige sich in kleinen Gesten, in einem Lächeln, an einem gut verlaufenen Tag, an dem ein Betreuter das Tagesgeschehen ausgehalten habe.

Orientierung an den Ressourcen

„Egal, wie klein der Entwicklungsschritt ist, er ist immer ein Erfolg“, weiß Leon Dimpflmaier. Die Heilerziehungspflege orientiert sich nach seinen Angaben nicht an den Defiziten der Menschen, sondern an ihren Ressourcen. Diese gelte es zu wecken, zu fördern, voranzubringen, betont der 18-Jährige. „Unser Bild vom Menschen sagt aus: Es ist einfach in Ordnung, Mensch zu sein“, ergänzt Sarah Zollner. Manchmal sei es auch ein Erfolg, wenn sich ein Betreuter stabilisiere, ergänzt Paulus. Denn die Beeinträchtigungen von Menschen, die Unterstützung im Alltag benötigen, bleiben. Es gelte, zu lernen, damit umzugehen.

Wie es ist, wenn Menschen behindert sind und behindert werden, weiß Leon Dimpflmaier aus eigener Erfahrung. Er ist schwerhörig und trägt zwei Hörimplantante. Er hat deshalb schon oft Ausgrenzung und schnelle Fehl- und Vorurteile erlebt. Eigentlich wollte der Auszubildende nach seinem Realschulabschluss „etwas mit Tieren“ machen, ein Praktikum in der Stiftung Attl stimmte ihn um. „Es kommt so viel zurück“, stellt er begeistert fest.

Empathie und Einfühlungsvermögen

Empathie und Einfühlungsvermögen benötigen nach Meinung von ihm und seinen Klassenkameraden angehende Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger. Und doch müssen sie laut Paulus auch in der Lage sein, sich abzugrenzen. Sarah Zollner betont, wie wichtig es sei, das Erlebte im Berufsalltag aufzuarbeiten. „Ich empfehle immer: Redet mit den Kollegen“, sagt sie. Notwendig sei es, trotz Mitgefühl und vieler emotionaler Erlebnisse am Arbeitsplatz diese starken Gefühle nicht mit nach Hause zu nehmen. Deshalb ist nach Meinung von Paulus auch eine gewisse Persönlichkeitsreife Grundvoraussetzung für diesen Beruf. Wer ihn erlerne, müsse in der Lage zur Selbstreflexion sein.

Die Geduld ist eine wichtige Eigenschaft für den Beruf

Und sollte viel Geduld mitbringen, ergänzt Sarah Zollner. Geduld, nicht nur im Umgang mit Menschen, sondern auch in Bezug auf die dreijährige Ausbildung. „Zeitintensiv“ sei diese, ergänzt Matthias Wörl, der darauf hinweist, dass das duale System Unterricht ergänzend zu Schichtdiensten mit langen Arbeitsblöcken erfordert. Er drückt mit 58 noch einmal die Schulbank in Altenhohenau. Matthias Wörl hat jedoch große Erfahrung im Umgang mit der Betreuung, Pflege und Begleitung behinderter Menschen. Über 20 Jahre lang hat der Mitarbeiter eine Wohneinrichtung der Barmherzigen Brüder Algasing mit Sitz in Dorfen mit seiner Frau den schwerstbehinderten Sohn gepflegt. Über 30 Jahre lang war er Taxifahrer, um im Beruf eine möglichst große zeitliche Flexibilität zu haben. Jetzt will er seine Erfahrungen einbringen in die Heilerziehungspflege.

„Das ist eine ehrliche Arbeit“, sagt Matthias Wörl. Was ihn besonders freut: Jetzt kann er auch im Team mit Gleichgesinnten tätig sein und seine Erfahrungen aus der eigenen Familie einbringen. Die Schulausbildung ist trotzdem herausfordernd, wie er offen einräumt. „Freiwillig in meinem Alter noch was lernen, das fällt einem manchmal schwer. Schließlich bin ich doppelt so alt wie die meisten meiner Mitschüler.“ Trotzdem: Die vielen verschiedenen Menschen, die Heilerziehungspflege lernen, empfindet er als befruchtend. „Ich erweitere meinen Horizont“, stellt er fest. Als kritischer Begleiter der Ausbildung sieht er durchaus in einigen Punkten Reformbedarf, an der Schule und in der Ausbildung.

Altenhohenau: Caritas-Fachschule für Heilerziehungspflege

Die Fachschule für Heilerziehungspflege/-hilfe existiert seit über 50 Jahren. Es werden aktuell rund 240 Schüler und Schülerinnen ausgebildet, die gleichzeitig in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung arbeiten. Sie durchlaufen eine „duale“ Ausbildung.

Die Zugangsvoraussetzungen – zumindest bis jetzt (eine Änderung kommt wahrscheinlich ab 2024) – sind laut Schulleiter Robert Paulus: zwei Jahre Arbeit im sozialen Bereich oder eine andere Berufsausbildung und ein Jahr Arbeit im sozialen Bereich oder vier Jahre „Führung eines Mehrpersonenhaushalts“. Entsprechend seien die Auszubildenden in der Heilerziehungspflege in der Regel zwischen 18 und 45 Jahren alt.

Die Einrichtungen, in denen Heilerziehungspfleger arbeiten: Wohngruppen, Werkstätten (Arbeit mit Materialien wie Holz und Metall), schulische Einrichtungen, Institutionen im Freizeit-Sektor (etwa in der Offenen Behindertenarbeit). „In diesen vier Feldern arbeiten HEPs und können im Laufe ihres Berufslebens auch das Feld wechseln“, so Paulus.

Neben der Fachschule für Heilerziehungspflege gibt es auch eine Berufsfachschule für Pflege in Altenhohenau. Schulleiter ist Christian Maier.

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