Tote und um Hilfe bettelnde Tiere im Kot gefunden
„Saustall ohne Sau“ vor Gericht: Schämt sich der Landwirt für den Tier-Horror von Rimsting?
Entsetzliche Zustände in einem Stall in Rimsting: Zum Teil knietief standen die Rinder im eigenen Kot und Urin. Mittendrin auch tote Tiere. Der Landwirt musste sich am Montag (18. März) vor Gericht in Rosenheim verantworten. So lief die Verhandlung ab.
Rimsting – Es stand bei dem Bauern offensichtlich finanziell nicht zum Besten. Die KFZ-Versicherung war nicht bezahlt worden, deshalb kam Mitte Mai 2023 eine Polizeistreife zu dem Landwirt, dessen Anwesen etwas außerhalb des Ortes liegt. Sie hatten den Auftrag bei drei Traktoren und anderen Fahrzeugen die Zulassungsschilder zu entstempeln. Als der Beamte dazu auf eines der Fahrzeuge stieg, sah er durch das Fenster im Stall eine offensichtlich tote Kuh liegen. Das Anwesen hatte bereits nicht den besten Ruf, deshalb verständigten die Beamten das Veterinäramt beim Landratsamt Rosenheim.
Das Amt entsandte tags darauf drei Kontrolleure um sich dort einen Überblick zu verschaffen. Zunächst wollte sich der Landwirt weigern die Kontrolleure in seinen Stall zu lassen. Als er darauf hingewiesen wurde, dass man problemlos eine amtliche Duldung erreichen könne, und man dann eben mit Polizeigewalt eindringen würde, gab er nach. Die Veterinäre versahen sich mit der notwendigen Schutzkleidung, aber was sie dann sahen und rochen verschlug ihnen trotz FFP2-Maske den Atem.
Rinder seien durch Blitzschlag ums Leben gekommen
Nicht nur, dass Rinderkot und Gülle bis zu 40 Zentimeter hoch in der Stallung standen: zwischen 97 Rindern verschiedenen Alters lagen 33 Rinderleichen, die zum Teil bis auf das Knochengerippe verwest waren. Die Gülle erklärte der Züchter damit, dass es Tage zuvor ein Gewitter mit Sturzregen gegeben habe und er des hereinströmenden Wassers nicht Herr werden konnte. Die toten Rinder seien durch einen Blitzschlag beim selben Gewitter ums Leben gekommen.
Obwohl dies alleine wegen des Verwesungszustandes mehrerer Kadaver nicht zutreffen konnte, verzichteten die Veterinäre darauf das zu diskutieren, weil vor allem die Rettung der lebenden Tiere im Vordergrund stand. Noch in der Nacht organisierte das Veterinäramt einen – zu solchen Zwecken vorgehaltenen – Not-Stall und den notwendigen Transport der 97 verbliebenen Tiere, was in den frühen Morgenstunden schließlich geschafft war. Einheiten von Feuerwehr, THW und Katastrophenschutz waren dabei behilflich.
Physische und psychische Probleme durch Attest bestätigt
Vor dem Schöffengericht Rosenheim unter dem Vorsitz von Richter Matthias Knoblauch erklärten die Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Markus Frank und Harald Baumgärtl, dass sich ihr Mandant umfassend für schuldig erkläre. Er schäme sich zutiefst. Erklärbar sei das einzig durch dessen tiefe Depression zusammen mit einer Post-Covid Erkrankung. Die auszuheilen sei niemals gelungen und wegen der hohen Anforderungen der Viehzucht sei er der Situation physisch und psychisch nicht mehr gewachsen gewesen.
Sie legten das Attest eines Rimstinger Arztes vor, der dies bestätigte, aber eine Untersuchung auch durch einen unabhängigen forensischen Psychiater anregte. Dies wurde auch von den Verteidigern beantragt. Das Gericht entsprach diesem Antrag und forderte den angeklagten Landwirt auf, sich einer solchen Untersuchung zu stellen, was jener umgehend zusagte.
Schwer auszuhalten waren die Bilder und Videos, welche von den Veterinären dem Gericht gezeigt wurden. Hier wurden die Veterinäre von einigen leidenden Rindern brüllend um Hilfe angesucht, während andere dazu längst zu schwach waren. Durch das Liegen im Kot waren große Flächen des Felles abgefault und die Haut entzündet. Abgemagert und hungrig fraßen die Tiere das Futtergras zwischen Kadavern stehend.
Milch durfte der Bauer an seinen Abnehmer längst nicht mehr verkaufen, nachdem mehrmals zu viele Keime in seiner Milch nachgewiesen worden waren. Die Verteidigung sieht die Ursache in der gesundheitlichen und mentalen Überlastung des ledigen Landwirtes, der zusammen mit seiner Schwester, die aber als hauptberufliche Hausgehilfin nur stundenweise zur Verfügung steht, das Anwesen betreibt.
Dazu hat er auch noch eine 84-jährige Mutter zu betreuen, was seinen ohnehin sehr angeschlagenen Zustand eben überfordert. Eine Pflegekraft von außen sei am Widerstand der alten Frau gescheitert.
Verfahren wird am 2. April fortgesetzt
Ein weiteres Problem entstand für das Veterinäramt bei der Durchsicht der Tier-Papiere. Auch hier war keine echte Ordnung erkennbar. So wird, speziell bei Rindern, deren Werdegang gewissermaßen von der Geburt bis zum Schlachthof dokumentiert. Dazu gibt es einen sogenannten „Rinderpass“ in welchem jegliche Veränderung vermerkt wird. Dazu die vorgeschriebenen Ohrmarken, welche mit dem Pass übereinstimmen müssen.
Schwierig wird derlei Ausweisverfahren, wenn, wie hier geschehen, bei den Kadavern die Ohren bereits abgefault sind. Oder, wie festzustellen war, die Ohren niemals mit Markierungen versehen worden waren. Dann musste, wie bei menschlichen Identifikationen, Haarproben nach DNA untersucht werden, um Verwandtschaftsverhältnisse im Stall zu verifizieren und damit das Tier zu identifizieren.
So stellte sich schließlich heraus, dass die Herkunft und/oder der Verbleib von 35 Tieren nicht mehr feststellbar waren. Ein Nachbar-Landwirt äußerte: „Ein Saustall, ohne dass je eine Sau in diesem Stall gewesen wäre.“ Das Verfahren wird am 2. April 2024 mit weiteren Zeugen und Gutachten fortgesetzt.
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