Leser erstattet Anzeige - Staatsanwalt entscheidet
Hitler-Bild in Priener Schaufenster: Ist die „bodenlose Frechheit“ strafbar oder nicht?
Historisches Relikt oder Tabubruch? Ein Leser hatte in einem Priener Schaufenster ein Hitler-Bild entdeckt und erstattete Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat nun eine Entscheidung über das Verfahren getroffen.
Prien – „Eine bodenlose Frechheit sowas auszustellen.“ Mit diesen Worten meldete sich OVB-Leser Matthew Kiplinger vergangenen Oktober bei der Redaktion und berichtete über eine Entdeckung, die er beim Spazierengehen gemacht hatte. Im Schaufenster eines Antiquitäten-Händlers stand ein Glas, auf dem sich ein Bild von Adolf Hitler befand.
Weil das Geschäft zu diesem Zeitpunkt nicht geöffnet hatte, verständigte er die Polizeiinspektion Prien, ebenso erstattete er Anzeige, wie Kiplinger sagte. Es blieb die Frage offen, ob es sich hierbei tatsächlich um eine Straftat handelte.
Inhaber hatte Hakenkreuz abgeklebt
Jetzt meldete der Besitzer des Antiquitäten-Geschäfts der Redaktion, dass das Verfahren eingestellt wurde. Das bestätigt auch Dr. Rainer Vietze, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher in der Staatsanwaltschaft Traunstein.
Zu den Gründen gab Vietze unter anderem an, dass der Beschuldigte geständig sei. Ebenso sei zu Gunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, dass er ein zusätzlich auf dem Trinkglas befindliches Hakenkreuz bewusst abgeklebt hatte. „Außerdem hat er das Trinkglas unmittelbar nach Eintreffen der Polizeibeamten aus dem Verkaufsraum entfernt, sodass das verbotene Kennzeichen lediglich für mehrere Stunden für Passanten und Kunden wahrnehmbar war“, erklärt Vietze.
„Derartige Kennzeichen sind tabu“
Dennoch betont der Oberstaatsanwalt, dass es sich bei dem ausgestellten Hilter-Bild um ein Kennzeichen der verbotenen NSDAP handle, insoweit gelte das sogenannte Tabuisierungskonzept. „Derartige Kennzeichen sind tabu, sie dürfen nicht verbreitet oder öffentlich verwendet werden“, teilt Vietze mit. Somit bedeute die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht, dass aufgrund der Verwendung und Veröffentlichung keine Straftat vorliege. Er bezieht sich hierbei auf den § 86a im Strafgesetzbuch.
Strafbar macht sich demnach, wer innerhalb Deutschlands Kennzeichen einer verfassungswidrigen oder ehemaligen nationalsozialistischen Organisation verbreitet oder öffentlich verwendet. Mit Kennzeichen sind dabei unter anderem Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen gemeint. Je nach Umständen des Einzelfalls, könne es aber auch ein Hitler-Bild sein, erklärte Michael Bieber, Pressesprecher im Bayerischen Staatsministerium der Justiz bei einer früheren Nachfrage der Redaktion.
Unter der Berücksichtigung aller erwähnten Umstände des Einzelfalls ist laut Vietze die Schuld des Antiquitäten-Händlers aber als gering zu bewerten „und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht gegeben“.
In einer nicht repräsentativen Online-Umfrage haben wir auf unseren Portalen gefragt: „Würde Sie ein Gegenstand mit einem Hitler-Bild stören, der im Schaufenster eines Antiquitäten-Händlers gezeigt wird? Das Ergebnis: Von insgesamt 535 Stimmen antworteten 15 Prozent mit Ja, 78 mit Nein. Die restlichen sieben Prozent enthielten sich (Stand, 14. März).