Kolbermoorer DKB-Kunde um fast 35.000 Euro gebracht
Kriminelle plündern fremde Bankkonten: Immer mehr Betroffene kontaktieren Rosenheimer Anwältin
Der Streit um 34.800 Euro, die sich Betrüger vom DKB-Konto eines Kolbermoorers (66) geholt haben, wird voraussichtlich vor Gericht entschieden. Dass es sich dabei nur um die Spitze eines Eisbergs handeln könnte, lassen jetzt Aussagen von Wilhelms Anwältin vermuten.
Kolbermoor – Sind die rund 35.000 Euro, die bereits im November 2022 vom DKB-Konto von Helmut Wilhelm (66) aus Kolbermoor verschwunden sind, nur die Spitze des Eisbergs? Die Anzahl an Menschen aus ganz Deutschland, die mittlerweile Wilhelms Anwältin Janett Moll wegen ähnlicher Fälle kontaktiert haben, lässt das jedenfalls vermuten. Über 100 Anrufe habe sie seit dem ersten Bericht in den OVB-Heimatzeitungen Anfang des Jahres aus der ganzen Republik von Verbrauchern erhalten, die ihr ähnliche Erlebnisse wie die des 66-jährigen Kolbermoorers geschildert hatten. Moll: „Diese Anzahl ist schon erschreckend.“
Den Stein ins Rollen brachte Helmut Wilhelm (66) aus Kolbermoor, der sich an die Rosenheimer Anwältin gewandt hatte, nachdem es mehrere seltsame Zugriffe auf sein Bankkonto bei der DKB AG mit Sitz in Berlin, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der BayernLB, gegeben hatte. Aufgrund zweier Auslandsüberweisungen in Höhe von insgesamt 105.500 Euro hatte das Bankenhaus per E-Mail Kontakt zu Wilhelm aufgenommen und um Freigabe der Aufträge gebeten.
Nachdem Wilhelm die E-Mail am 24. November gelesen und sofort mit der DKB Kontakt aufgenommen hatte, da er selbst die Überweisungen nicht veranlasst hatte, teilte ihm ein DKB-Mitarbeiter telefonisch mit, dass die beiden Auslandsüberweisungen zurückgefordert worden seien. Allerdings informierte der Mitarbeiter Wilhelm auch darüber, dass just am selben Tag drei weitere Überweisungen in einer Gesamthöhe von 34.800 Euro ausgeführt worden seien.
Schaden lässt sich wochenlang nicht überprüfen
Wilhelm ließ daraufhin sofort sein Konto sperren – was allerdings auch zur Folge hatte, dass der 66-Jährige den tatsächlichen Schaden wochenlang nicht überprüfen konnte. Neue Zugangsdaten ließen auf sich warten, der Wunsch nach einem Kontoauszug per Post bleib unbeantwortet. Weshalb sich der Kolbermoorer letztlich an eine Fachanwältin wandte, die dann beim Landgericht Traunstein Klage gegen die DKB einreichte.
Mittlerweile hat Wilhelm zwar wieder Zugriff auf sein Konto und konnte feststellen, dass der Schaden bei 34.800 Euro liegt. Jetzt warten Wilhelm und seine Anwältin aber seit mehr als zehn Wochen auf eine Erwiderung der DKB zur Klageschrift. Die Anwälte der DKB hatten zwar reagiert, allerdings mehrmals nur um eine Verlängerung der Frist zur Klageerwiderung gebeten – „aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle sowohl in unserer Kanzlei als auch bei den zuständigen Mitarbeitern der Beklagten“, wie die Kanzlei „Paust Günther Heinze“ mit Sitz in Magdeburg schriftlich mitteilte.
Zudem hatte die Kanzlei „die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hagens“ gerügt, nachdem Moll Klage beim Landgericht Traunstein eingereicht hatte, die Bank aber in Berlin beheimatet hat. Ein Schreibfehler der Kanzlei, der laut Moll zeigt, „dass die Kanzlei bei ihren Antworten nur mit Textbausteine arbeitet und Passagen aus anderen Dokumenten kopiert“. Was auch das Landgericht Traunstein in einer jüngsten Verfügung aufgegriffen hatte und darin feststellte: „Die Beklagte hat bisher nur die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hagen gerügt. Eine Rüge der Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein liegt bisher nicht vor.“
Auch Moll beantragt „Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Berlin“
Den geografischen Fehler hat die Magdeburger Kanzlei mittlerweile korrigiert, ein möglicher Prozess wird aller Voraussicht nach dann in der Bundeshauptstadt stattfinden, nachdem auch Moll nun die „Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Berlin“ beantragt hat. Aus zwei Gründen, wie die Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht erläutert: Zum einen, weil die Rüge der DKB über Traunstein als Verhandlungsort wohl Erfolg hätte. Zum anderen, um den Prozess zumindest in dieser Frage zu beschleunigen. Aber, so Moll weiter: „Das Problem ist, dass es in Bayern wohl allgemein schneller gehen würde, als in Berlin.“
Auch bei der BaFin mahlen die Mühlen langsam
Nicht nur in puncto Klageerwiderung durch die Anwälte der DKB AG, auch bei der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, mahlen die Mühlen scheinbar extrem langsam. Am 8. Dezember 2022 hatte Janett Moll, Anwältin des Kolbermoorers Helmut Wilhelm, Beschwerde wegen des Verhaltens der DKB AG eingereicht. Jetzt, fast vier Monate später, erhielt Moll erstmals Antwort seitens der Bundesanstalt. Man habe die Kreditanstalt, gegen die sich die Beschwerde richtet, um Stellungnahme gebeten, um den Sachverhalt prüfen zu können, teilte die BaFin in einem automatisch erstellten Schreiben, datiert auf den 31. März, Moll mit. Helmut Wilhelm kann darüber nur den Kopf schütteln: „Das ist eine Schande für die deutsche Bankenaufsicht.“
Dabei zieht für Moll die Causa Wilhelm immer weitere Kreise. Denn seit Wochen stehen bei der Fachanwältin die Telefone nicht mehr still. Mehr als 100 Anrufer hatten sich an Moll gewandt und ähnliche Vorfälle geschildert, wie sie ihr Mandant Wilhelm erlebt hatte. Nach Angaben von Moll ging es dabei um die Postbank und die BW-Bank, hauptsächlich aber ebenfalls um die DKB. Sogar ein mutmaßlicher Online-Betrüger habe sich bei ihr gemeldet, wobei Moll von dessen Angaben und Motiven allerdings nicht überzeugt war: „Ich habe ihm dann geraten, sich an die Polizei zu wenden.“
Viele Betroffene an Schlichtungsstelle für Bankangelegenheiten verwiesen
Von den rund 100 Anruferin hat Moll einen Großteil an die Schlichtungsstelle für Bankangelegenheiten verwiesen, einigen konnte sie allerdings auch weiterhelfen. Wie beispielsweise einem Bankkunden aus der Gemeinde Raubling, dem bis auf acht Euro das gesamte Konto mit rund 46.000 Euro leergeräumt worden war. Auch die Anwaltskosten wurden mittlerweile seitens der Bank anstandslos übernommen. Mal begründete das Unternehmen Rückzahlungen mit dem Stichwort „Kulanz“, mal damit, dass „die Überweisungen doch wieder zurückgeholt“ werden konnten. Teilweise gar nach langer Zeit.
Begründungen, die Moll für „mehr als fadenscheinig“ hält. Sie vermutet stattdessen, dass die Banken Angst davor haben, Präzedenzfälle zu schaffen, wenn sie ihre Mitschuld eingestehen. In der Causa Wilhelm gibt es hingegen noch keine positiven Signale seitens der DKB, hier heißt es für den Kolbermoorer und seinen Rechtsbeistand weiterhin Abwarten. „Für meinen Mandanten ist das natürlich frustrierend, wenn man so in der Schwebe hängt“, sagt Moll, die nach eigenen Angaben „selbst frustriert ist, wie das Ganze herausgezögert und behandelt wird“.
Und Wilhelm? Der nimmt‘s mittlerweile mit Galgenhumor. „Ich habe eigentlich nichts anderes erwartet“, sagt der 66-Jährige, der sein Girokonto, von dem die dubiosen Überweisungen erfolgt waren, mittlerweile „so gut wie leergeräumt“ hat. Wilhelm: „Da ist für Betrüger nichts mehr zu holen.“ Auch einen Komplett-Umzug seiner Einlagen zu einer anderen Bank hat er weiterhin im Auge, wobei er allerdings auch sagt: „Ich habe durch diese Geschichte mit vielen anderen Menschen Kontakt gehabt und mittlerweile das Gefühl, dass es vermutlich bei anderen Bankenhäusern auch nicht anders läuft.“ Was für ihn eine „erschreckende Erkenntnis“ sei.
DKB will zur „Causa Wilhelm“ aufgrund „des laufenden Klageverfahrens“ keine Stellung nehmen
Dass mögliche Betrugsfälle nicht nur bei der DKB, sondern auch bei Konkurrenten ein Problem seien, darauf legt die DKB großen Wert. „Betrugsversuche durch Pishing, Vishing, Smishing etc. nehmen generell zu“, teilte DKB-Sprecher Hauke Kramm auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen mit. „Hiervon sind Banken, so auch die DKB, nicht ausgenommen.“ Ob es bei der DKB explizit in den vergangenen Monaten vermehrt zu derartigen Angriffen gekommen ist, dazu wollte sich der Unternehmenssprecher aber nicht äußern. Ebenso wenig zu Fragen rund um ein mögliches Gerichtsverfahren. Kramm: „An dieser Stelle bitten wir um Verständnis, dass wir aufgrund des laufenden Klageverfahrens in der Causa Wilhelm derzeit keine Auskünfte tätigen werden.“
So wird ein Prozess in Berlin immer wahrscheinlicher, um den Streitfall zu klären. Zumal sich Wilhelm auf „diese Verzögerungstaktik, damit die Kläger letztlich klein beigeben werden“, nicht einlassen will. Ihn erinnere dieses Vorgehen an seinen ehemaligen Arbeitgeber, gegen den er gemeinsam mit mehreren Kollegen einst geklagt habe. Drei Prozesse bis zur letzten Instanz seien die Folge gewesen, fünf Jahre habe sich die Auseinandersetzung hingezogen. Doch am Ende habe er Recht bekommen. Daher stellt der Kolbermoorer auch in diesem Fall klar: „Ich werde auf keinen Fall klein beigeben.“