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Kinder aus der Post-Covid-Zeit herausführen

„Es gibt keine Schule ohne Mobbing“: Das sagt der neue Realschul-Leiter in Wasserburg

Karsten Kundt ist der neue Leiter der Realschule Wasserburg. Sein Lieblingsort: das grüne Klassenzimmer.
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Karsten Kundt ist der neue Leiter der Realschule Wasserburg. Sein Lieblingsort: das grüne Klassenzimmer.

Am 9. November wird der neue Leiter der Realschule Wasserburg in sein Amt eingeführt. Was Karsten Kundt für die Jugendlichen tun will, die in der Pandemie groß geworden sind. Wie er über den Einsatz von KI beim Referate schreiben denkt. Und warum es an seiner Schule ein Mobbing-Team gibt.

Wasserburg – „Das hier ist mein Lieblingsplatz“, sagt Karsten Kundt und zeigt lächelnd auf die Ausstattung des „grünen Klassenzimmers“ an der Realschule Wasserburg. An diesem kühlen Herbstmorgen ist hier im Schulgarten mit Gemüseanbau und Gartenteich kein Unterricht, doch die Tafel steht bereit, Tische und Stühle gibt es auch. Hier unterrichtet der Chef besonders gerne: Mathematik, Wirtschaft und IT. Nur wenige Stunden, denn als Leiter einer der größten Realschulen in Südostoberbayern ist sein Platz vor allem im Rektorat und im Lehrerzimmer, wo es gilt, den Unterrichtsalltag zu managen.

Im grünen Klassenzimmer: Realschulleiter Karsten Kundt.

Das tut Kundt bereits seit dem Frühjahr 2023, als er die Nachfolge von Markus Hösl-Liebig antrat. Dieser wechselte auf den Posten des Ministerialbeauftragten für die Realschulen im Bezirk Oberbayern-Ost. Es sind große Fußstapfen, in die Kundt getreten ist: Vor Hösl-Liebig war hier ein weiterer großer Pädagoge tätig: Peter Pelzer. Nur vier Leiter haben 70 Jahre Realschule Wasserburg geprägt.

Kundt kennt die Realschule Wasserburg gut

Kundt kennt die Bildungseinrichtung gut. Hier hatte er seine erste Stelle, bevor er ans Personalreferat des Kultusministeriums wechselte. Sieben Jahre lang lernte er an dieser Schnittstelle zwischen Schule und Bildungspolitik die inneren Abläufe der Verwaltung kennen, danach war er stellvertretender Leiter an der Realschule Miesbach, eineinhalb Jahre dort auch Vertretung des Schulleiters. Eine „innere Stimme“, so sagt er schmunzelnd, habe ihn bewogen, sich für die Leitung in Wasserburg zu bewerben, wo er als junger Lehrer direkt nach dem Studium an der TU und LMU München seine ersten beruflichen Schritte gemacht hatte. „Die hervorragende pädagogische Arbeit an dieser so wunderbaren Schule weiterentwickeln zu dürfen“, empfindet er nach wie vor als große Chance.

Sein Herz gehört außerdem dem Wasserburger Land. Kundt, der sein Abitur im Sebastian-Finsterwalder-Gymnasium Rosenheim gemacht hat, wohnt mit seiner Familie in Griesstätt. Von dort aus geht es jeden Tag nach Wasserburg. „Allmorgendlich empfängt mich dieser wunderschöne Blick über die Brücke, jeden Tag anders im Farbspiel der Jahreszeiten“, schwärmt der 43-Jährige. Der Standort der Anton-Heiligbrunner-Schule nahe am Inndamm tut ebenfalls sein Übriges.

Die Anton-Heilingbrunner-Schule Wasserburg.

Was Kundt nach eigenen Angaben außerdem gefällt, ist der „Team-Spirit“ an der Bildungseinrichtung. Sie sei Vorreiter in punkto erweiterter Schulleitung. Sehr kooperativ werde hier gemeinsam an der Weiterentwicklung gearbeitet. Das Haus ist außerdem Seminarschule für die Weiterbildung von Referendaren. Auch das war ein Kriterium, das Kundt bewogen hatte, sich zu bewerben, sagt er. Die Realschule ist für ihn generell die Schulform, die ihm am besten liegt. Es gehe nicht nur um Wissensvermittlung, sondern hier sei noch der Spagat zwischen Erziehung und Unterricht zu leisten.

Mehr als nur Wissensvermittlung

Erziehung ist für Kundt, der aus der evangelischen Jugendarbeit kommt, Wertevermittlung. Größte Herausforderung der nächsten Jahre sei es, die „Post-Covid-Zeit“ so für die Schüler zu gestalten, dass sie wieder zurückfinden würden zu einem Miteinander, zu Kommunikation und Kontakt, raus aus der Sprachlosigkeit. Die vergangenen zwei Jahre Pandemie hätten viele Kinder und Jugendliche extrem geprägt: Noch intensiver als vor der Pandemie würden einige in den Parallelwelten des Internets statt im wahren Alltag „leben“. Die Sprache habe sich stark verändert: verkürzt, emotionslos oder auf reine Symbolik reduziert. Manchen Teenagern falle es schwer, Gestik und Mimik eines Gegenübers zu interpretieren, Gefühle zu verstehen und Stimmungen aufzunehmen. Einige müssten sogar erst wieder lernen, im direkten Gespräch zu kommunizieren.

KI sinnvoll einbetten in Unterrichtsalltag

Die Digitalisierung, ein Muss an Bildungseinrichtungen, fordere auch die Lehrkräfte heraus, so Kundt. Wie umgehen mit der Künstlichen Intelligenz (KI)? Eine zentrale Frage, der sich die Pädagogen stellen müssten, denn: „Die KI gibt es, sie ist da und geht auch nicht wieder weg, also müssen wir sie sinnvoll einbetten in den Unterrichtsalltag“, appelliert er. Aufsätze und Facharbeiten, geschrieben vom Computerprogrammen, gelte es zu erkennen, außerdem Schüler an Quellenarbeit und kritisches Hinterfragen von Inhalten heranzuführen, sie zu lehren, Fake-News zu erkennen und Informationen zu verifizieren. Medienerziehung benötigt in seinen Augen kein eigenes Fach, sie müsse übergreifend immer präsent und angewandt werden, findet er.

Eigenes Mobbing-Team

Auch Auswüchse wie das Cyber-Mobbing gelte es strategisch zu bekämpfen. In Wasserburg gebe es hierfür sogar ein eigenes Mobbing-Team, zusammengesetzt aus zwei Lehrkräften und der Sozialpädagogin der Schule. Auch hier plädiert Kundt für Ehrlichkeit: „Mobbing ist an jeder Schule ein Thema.“ Die Wasserburger Bildungseinrichtung zeige mit ihrem Profil als „Schule ohne Rassismus“ und „Schule mit Courage“ sowie, ganz neu, als „Umweltschule“ außerdem, welche Werte hier gepflegt würden.

Die Realschule Wasserburg ist nach seiner Erfahrung gut ausgerüstet für die große Herausforderung Digitalisierung. Das Fach IT gibt es hier schon seit den 80er Jahren. Doch derzeit gelte es, die vorhandene Technik zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Digitale Tafeln und Lehrerpulte mit Dockingstationen aus einem Guss sind das Ziel. Eine Sorge treibt Kundt jedoch um: „ob die materiellen Ressourcen für die Bildung auch in Zukunft bereitgestellt werden können“. Denn Digitalisierung sei teuer: Eine Tafel halte 50 Jahre, ein elektronisches Gerät müsse etwa alle fünf Jahre ausgetauscht und umfangreich gewartet werden. Was der neuen Realschulleiter besorgt, ist die Feststellung, dass die Bildungspolitik aufgrund der vielen großen Krisen etwas in den Hintergrund rücke, das habe sich auch im Landtagswahlkampf gezeigt.

Personell gut aufgestellt

Personelle Sorgen hat die Realschule Wasserburg jedoch nicht, freut sich Kundt. Mit 80 Lehrkräften stehe sie gut da, es gebe auch eine ausreichende Reserve an 60 Lehrerwochenstunden. „Wertvolle Erfahrungen“ habe das Haus außerdem mit Quereinsteigern gemacht, die oft einen „ganz anderen Blick von außen“ einbringen würden. Heuer seien erstmals fünf 5. Klassen gebildet worden. 895 Schülerinnen und Schüler drücken hier die Klassenbank. Das Gebäude sei in die Jahre gekommen, Sanierungsbedarf bestehe, so Kundt. Ob das räumliche Angebot bei weiter wachsenden Schülerzahlen auf Dauer ausreiche, „das ist eine spannende Frage“, findet er.

Die Schule werde außerdem mehr und mehr zum Lebensraum für Kinder und Jugendliche. Erziehung werde immer wichtiger. „Zuhören, Mut zusprechen“: Auch darauf komme es an, nicht nur auf die Erfüllung des Lehrplans. Die Realschule bereite außerdem auf den Beruf vor. Sie bediene beides: Die Mittlere Reife sei schließlich nicht nur Basis für eine Ausbildung, sondern auch Grundstein für weiterführende Schulabschlüsse wie das Abitur.

Kundt will dieses Profil weiterentwickeln, im Team, wie er betont. Zeit für Hobbys bleibt da nicht viel. Entspannung findet der zweifache Vater deshalb „beim Spielen mit meinen Kindern“ (ein und sieben Jahre alt). Und fit bleibe er beim Hinterherrennen, wie er schmunzelnd berichtet.

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