Neue Impfkampagne der Stadt Rosenheim
„Impfen statt Schimpfen“ polarisiert: Hilfreich oder Munition für Querdenker?
Niedrige Impfquote, hohe Inzidenzen und eine neue Kampagne, die für Verstimmung sorgt. Die Stadt Rosenheim gerät wegen des Slogans „Impfen statt Schimpfen“ in die Kritik. Eine unglückliche Aktion? Wir haben nachgehakt.
Rosenheim – Niedrige Impfquote, hohe Corona-Inzidenzen – die Stadt Rosenheim reagiert darauf jetzt mit einer Werbekampagne. „Impfen statt Schimpfen“ heißt es eingängig auf Plakaten und Zeitungsanzeigen. Eine Ansprache, die Kritiker der Corona-Maßnahmen erst recht aufzubringen scheint.
„Es ist sehr zu hoffen“, antwortet die Stadt Rosenheim auf Anfrage der OVB-Heimatzeitung auf die Frage, ob man glaube, jemanden mit der „Impfen statt Schimpfen“-Kampagne zur Covid-19-Impfung bewegen zu können. Mehr ist dazu nicht zu hören. Das Rathaus zeigt sich überraschend wortkarg in Bezug auf die Kampagne.
Auf den Routen der Spaziergänger
Dabei ist in Sachen Impfquote in der Stadt deutlich Luft nach oben: Bei den Erstimpfungen liegt der Wert fast zehn Prozent unter dem bayerischen Durchschnitt (Stand 6. Februar: Rosenheim 64,12 Prozent, Bayern: 73,5 Prozent). In Passau, ähnlich groß wie Rosenheim, ist die Quote sogar 20 Prozent höher. „Man hätte wesentlich früher – und nicht nur die Stadt Rosenheim – auf die Impfbereitschaft der Bevölkerung einwirken müssen“, findet der Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzende Robert Multrus. Er begrüßt den jetzt angelaufenen Appell.
Aufrufe dieser Art waren in der Zeit davor mehr aus der Zivilgesellschaft als aus dem Rathaus gekommen: So warben die Rosenheimer Sportvereine im Dezember fürs Impfen und im November wandten sich über 500 hiesige Ärzte in einem dramatischen Appell an die Bevölkerung.
Drei Banner rund ums Rathaus
#ImpfenstattSchimpfen heißt es nun also auch seit Kurzem per Banner an drei Verwaltungsgebäuden der Stadt. Diese liegen – Zufall oder nicht – auf den üblichen Routen der sogenannten Spaziergänger, die auf diesem Weg regelmäßig ihren Protest gegen staatliche Corona-Maßnahmen zum Ausdruck bringen. Dass diese sich von der Kampagne nicht im Guten angesprochen, sondern eher provoziert fühlen könnten, wird vom Rathaus dementiert: „Nachdem naturgemäß die Routen der Montagsspaziergänge nicht angezeigt werden und dementsprechend im Vorfeld nicht bekannt sind, kann es sich folglich schon rein logisch nicht um eine Provokation handeln.“ Auf die Frage, ob es Reaktionen gebe, kommt knapp: „Ja. Positive wie negative.“
Negative Reaktion
Eine – negative – Reaktion liegt den OVB-Heimatzeitungen schriftlich vor. Sie war per E-Mail an Oberbürgermeister Andreas März adressiert und ging an unsere Redaktion in Kopie. Eine Rosenheimerin fühlt sich von der Kampagne angegriffen: „Heißt der Slogan nicht übersetzt „Maul halten und tun, was ich dir sage“?“ Die Formulierung bewertet sie als „infantil“ und sie fordert Rechenschaft darüber, ob und wie viel öffentliche Gelder hier verwendet wurden.
Ob man seitens der Stadt diese Lesart nachvollziehen könne? „Nein.“ Man könne nichts Provokantes an „Impfen statt Schimpfen“ erkennen. „Wie kann der Hinweis auf eine Impfung, die die weitere Verbreitung der Pandemie verhindern soll, die Gesellschaft spalten?“, so ein Sprecher der Stadt.
Munition für Querdenker?
Den Initiatoren der Mahnwache spielen solche negativen Auslegungen der Kampagne jedoch in die Karten. Selbst wenn von Peggy Galic, einer der Leitfiguren der örtlichen Corona-Maßnahmen-Kritiker, nur zu vernehmen war, dass sie sich auch weniger Geschimpfe wünsche, so wissen die Initiatoren der Proteste genau, dass der Spruch ihnen Material liefern kann, um Unentschlossene auf ihre Seite zu ziehen und die eigenen Reihen zu schließen.
Nachhall zum runden Tisch
Dabei hatte das Rathaus in Richtung der Corona-Proteste vergangene Woche noch ganz andere Signale geschickt: Man hatte sich mit den Initiatoren der Mahnwache zum runden Tisch getroffen. Der Dialog dabei sei „sehr konstruktiv“ gewesen.
Aber auch für diesen runden Tisch erwächst den Stadtverantwortlichen nun Kritik: „Es ist ein Fehler, sich mit diesen Leuten und insbesondere Frau Galic zusammenzusetzen“, erklärt SPD-Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan. Die Basis und die Initiatoren würden sich nicht von Rechtsradikalen und Verschwörungstheoretikern abgrenzen. Weiter erklärte Erdogan, dass ohne dieses Treffen die Kampagne des Rathauses, die er grundsätzlich begrüße, besser gewesen wäre.