Schüler vor Mediensucht schützen?
Handy-Verbot für Schüler? Bad Aiblinger Gymnasium setzt auf einschneidende Maßnahmen
Eigentlich steht das Gymnasium Bad Aibling für einen offenen Umgang mit digitalen Endgeräten. Doch die private Handynutzung vieler Schüler hat zuletzt überhandgenommen. Gibt es jetzt ein Smartphone-Verbot? Welche Regelung jetzt gilt und wie Eltern und Schüler dazu stehen.
Bad Aibling – „Es wird zu viel, die Kinder starren nur noch in ihre Bildschirme.“ Stimmen wie diese wurden zuletzt immer häufiger an Schulleiter Mark Lörz herangetragen. Um die Handynutzung der Schüler im Schulalltag besser regulieren zu können, hat das Gymnasium Bad Aibling deshalb eine Nutzungsordnung eingeführt, die zumindest für die jüngeren Klassen zum Teil einem Handyverbot gleichkommt. Doch warum ist das überhaupt notwendig und wie soll die neue Regelung dauerhaft umgesetzt werden?
Klar ist: Der gesamten Schulfamilie des Gymnasiums Bad Aibling steht in den kommenden Wochen ein echter Spagat bevor. Einerseits will man Vorreiter bleiben und die Chancen, die die Digitalisierung mit sich bringt, nutzen. Auf der anderen Seite stellt Lörz klar, soll auch der Schutz vor Mediensucht und den Gefahren, die Smartphones und Co. bergen, mehr Gewicht bekommen. Im Fokus steht dabei freilich auch die Handynutzung jedes einzelnen Schülers. Und genau hier setzt die Schule nun mit einer Regelung an, die sich viele gewünscht hatten, die aber gerade bei Schülern nicht nur für Freudensprünge sorgen dürfte.
Worauf Schüler jetzt achten müssen
„Im Kern der Regel geht es während der Schulzeit darum, die digitalen Endgeräte nur noch für Unterrichtszwecke zu nutzen“, erklärt Lörz gegenüber dem OVB. Während die älteren Schüler der Oberstufe weiterhin auch außerhalb des Unterrichts zu ihren Smartphones oder Tablets greifen dürfen, sollen die Schüler der Unterstufe ihre Handys nur noch zum Telefonieren nutzen können. „Wir sind hierbei natürlich sehr stark auf die Kooperation der Eltern angewiesen“, sagt der Schulleiter und verweist auf Programme, die die Endgeräte so konfigurieren können, dass etliche Apps und Funktionen eben während des Schulalltags gar nicht mehr nutzbar sind.
Zusätzlich wurde die Aula samt dem kompletten Erdgeschoss, wo sich in der Pause sehr viele Schüler aufhalten, zur „bildschirmfreien Zone“ erklärt, sagt Lörz. Hier gilt das „Verbot“ also für alle Schüler gleichermaßen. Wenngleich es auch hier feine Ausnahmen gebe, etwa was die Nutzung von E-Book-Readern aus der Schulbibliothek angehe. „Das Ganze ist seit diesem Montag (10. Februar) in Kraft getreten, deshalb kann man noch kein wirkliches Zwischenfazit ziehen“, sagt Lörz. Jedoch kamen von Elternseite bereits einige positive Rückmeldungen.
Wie Verstöße geahndet werden
Die neu eingeführte Regelung zur „umsichtigen Handynutzung“ trifft am Bad Aiblinger Gymnasium zweifelsohne auf eine besondere Konstellation. So nahm die Schule etwa seit 2018 am „Schulversuch für private Handynutzung“ teil. „Generell ist unsere Schule der Digitalisierung immer sehr stark zugewendet“, betont Lörz, der im August 2024 den Schulleiter-Posten von dem in den Ruhestand verabschiedeten Michael Beer übernommen hatte. Es sei demnach auch eine Pflicht, die Chancen durch die Mediennutzung als Schule zu ergreifen.
Angesichts dieser stets liberalen Herangehensweise in puncto Mediennutzung wurden zuletzt jedoch immer mehr Rufe nach Restriktionen laut. „Viele sagten, dass wir etwas tun müssten“, erinnert sich der Schulleiter, der den jetzigen Schritt mit seinem Team in den vergangenen Monaten gründlich vorbereitet hatte. „Denn wenn wir so etwas umsetzen, dann muss es richtig durchdacht sein.“ Aktuell befinde man sich in einer Art Testphase, in der Verstöße, etwa wenn ein Schüler der Unterstufe mit seinem Smartphone erwischt wird, noch ausbleiben und die Kinder lediglich auf die Ordnung hingewiesen werden.
Nach den Faschingsferien, erklärt Schulleiter Lörz, greife dann die Regelung umfänglich. Heißt: Wer gegen die Nutzungsordnung verstößt, dem wird sein Endgerät abgenommen. „Er kann es dann am Ende des Schultags im Sekretariat abholen.“ Doch damit nicht genug. Der Schüler erhält zudem ein Schreiben, das er zu Hause vorzeigen soll, damit die Eltern einbezogen werden. „Interessant ist, dass es für die Regelung von Eltern und Lehrern große Zustimmung gegeben hat, auch die Schüler zeigten sich sehr offen“, sagt Lörz. So habe auch im Schulparlament, in dem jene drei Parteien vertreten sind, der Tenor gelautet: „Wir brauchen eine Anpassung, eine Regelung, wie wir mit digitalen Endgeräten umgehen.“ Laut Lörz hat das Schulparlament im Januar ohne Gegenstimmen für den Entwurf gestimmt.
Was sagen Eltern und Schüler dazu?
Doch wie gut kommt die Maßnahme tatsächlich an? Zwar sei es für eine Bilanz „noch zu frisch“, teilte Sabine Eder, Vorsitzende des Elternbeirats, auf OVB-Nachfrage mit. Jedoch habe man bereits von einigen Eltern positive Rückmeldungen erhalten. „Das sind dann oft Eltern von den Kleineren, die ihren Kindern möglichst ohnehin keine Handys mitgeben möchten.“ Diese, so Eder, würden sich durch die Nutzungsordnung nun heimische Diskussionen ersparen.
„Den Entscheidungsprozess hat sich die Schule nicht leicht gemacht, es gab viele Gespräche, auch das Schulparlament beschäftigte sich immer wieder damit“, betont auch Eder. Klar sei: „Wir als Elternbeirat sind der Meinung, dass nun ein guter Konsens gefunden wurde. Sowohl die Gegner als auch die Befürworter können nun zufrieden sein.“ Natürlich vertrete auch der Elternbeirat die Auffassung, dass es in der heutigen Zeit nicht mehr ohne Medien geht. „Und lediglich der Informatikunterricht reicht natürlich nicht aus“, sagt Eder.
Wenn Kinder ständig auf das Smartphone starren
Durch die unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit durch Unter- und Oberstufe könnten Schüler nach und nach geordnet an eine richtige Mediennutzung herangeführt werden. Hinter der neuen Regelung steckt laut Eder vor allem auch der Wunsch der Eltern, die Kommunikation der Kinder und das Zwischenmenschliche, das durch die Handynutzung teils verloren geht, wieder zu fördern. „Denn teilweise haben wir Fünftklässler, die ihre Schulkameraden gar nicht mehr richtig kennenlernen, die zu jedem Stundenwechsel auf ihr Handy schauen müssen.“ Und offensichtlich zeigten sich bereits jetzt erste positive Effekte: „Meine Tochter kam heute nach Hause und meinte: ‚Ich habe heute mit anderen Schülern gepokert‘.“
Natürlich gebe es auch vereinzelt kritische Stimmen, etwa Eltern, die bei einbehaltenen Smartphones datenschutzrechtliche Probleme sehen. „Auf der anderen Seite hat mir zum Beispiel eine Mutter gesagt, dass das für ihren Sohn jetzt völlig in Ordnung ist. Er sagt: ‚Dann spiele ich eben Tischtennis‘.“ Wie Schulleiter Lörz betont auch die Elternbeiratsvorsitzende, dass man nun ein wenig Zeit brauche, um festzustellen, wie gut die Regelung funktionieren kann.
Handyverbote in Frankreich
Wie Schulleiter Lörz betont, geht es bei der Regelung auch verstärkt um den Schutz der Schüler, etwa vor Cybermobbing. Laut einer Umfrage des Bündnisses gegen Cybermobbing und der Barmer Krankenkasse ist fast jeder fünfte Schüler von Mobbing im Internet betroffen. In Frankreich gilt deshalb ein Handyverbot an Schulen für Kinder unter 15 Jahren. Die Niederlande, Großbritannien und Neuseeland wollen nun nachziehen. In Deutschland gibt es meist schulinterne Umgangsregelungen. „Das treibt alle Schulen um“, sagt Lörz und verweist auf die rasante Entwicklung der Mediennutzung. Deshalb sieht er die neue Regel am Aiblinger Gymnasium als Teil eines dynamischen Prozesses, in dem „nichts für immer in Stein gemeißelt“ ist.