Nach Trumps Verhandlungen mit Russland
„Es geht um den Krieg gegen Europa“: Müssen wir Angst vor Putin haben? Osteuropa-Expertin spricht Klartext
Russland hat es nicht nur auf die Ukraine abgesehen. Das macht die Osteuropa-Historikerin Franziska Davies im OVB-Exklusivinterview klar. Was Trumps Verhandlungen mit Russland für Europa bedeuten, und warum ein Waffenstillstand zum Problem werden könnte.
Rosenheim – US-Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Tagen immer wieder für Entsetzen gesorgt. Über die Köpfe der Ukraine hinweg führte er Verhandlungen mit Russland, nannte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einen Diktator und sagte, er habe einen Krieg zugelassen „den es nie hätte geben dürfen“. Was die Verhandlungen und eine mögliche Waffenruhe für die Ukraine, Deutschland, Europa und auch Russland bedeuten würden und welche Rolle die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht in Russlands Politik spielen, erklärt Osteuropa-Historikerin Franziska Davies im OVB-Interview.
Wer ist Franziska Davies?
Franziska Davies ist eine renommierte Historikerin mit dem Schwerpunkt auf der Geschichte Osteuropas. Sie hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert und dort auch promoviert. Ihre Forschungsinteressen umfassen die politische und kulturelle Geschichte der Region, insbesondere die Beziehungen zwischen Deutschland und Osteuropa sowie die Geschichte der Ukraine und Russlands.
Neben ihrer akademischen Tätigkeit engagiert sich Davies in der öffentlichen Vermittlung historischer Themen und ist regelmäßig in Medien und bei öffentlichen Veranstaltungen präsent. Sie hat zahlreiche Publikationen veröffentlicht, die sich mit den komplexen historischen Verflechtungen und aktuellen Entwicklungen in Osteuropa auseinandersetzen.
Ukraine-Krieg: „Es geht um die Sicherheit von uns allen“
Russland und die Ukraine waren auch im Bundestagswahlkampf immer wieder Thema. Die einen fordern weiterhin Unterstützung für die Ukraine, die anderen ein Ende der Waffenlieferungen. Was ist denn nun der richtige Weg?
Franziska Davies: Es ist ganz wichtig, dass wir weiter Waffen liefern und die Unterstützung sogar noch hochfahren. Gerade jetzt, wo Trump mit seiner imperialen Manier des 19. Jahrhunderts zusammen mit dem Aggressorstaat Russland das Schicksal eines Landes entscheiden will, ohne das Land zu fragen. Das ist in der Nachkriegsordnung präzedenzlos. Russland führt ja nicht nur Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen die internationale Friedensordnung. Das trifft uns alle. Es geht in der Ukraine gerade um die Sicherheit von uns allen. Und jetzt, wo Amerika offenbar als Unterstützer der Ukraine ausfällt, ist es umso wichtiger, dass Europa und auch gerade Deutschland Verantwortung übernehmen für Europas Sicherheit – für die Sicherheit der Ukraine.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Trump am Ende wirklich über die Köpfe der Ukrainer hinweg eine Entscheidung trifft?
Davies: Im Grunde genommen ist das schon passiert – mit diesen sogenannten Friedensverhandlungen, die eigentlich keine sind. Denn einen gerechten Frieden wird es auf diese Weise nicht geben. Es ist natürlich eine ganz andere Frage, ob die Ukraine das akzeptiert. Die Ukraine muss nicht einfach die Waffen niederlegen, weil Amerika das sagt. Ich kann nicht in die Zukunft schauen, aber all meinen Kontakten in der Ukraine zufolge und wie ich die Situation einschätze, wird die Ukraine das nicht akzeptieren.
Osteuropa-Expertin: „Es geht um die Zerstörung der Ukraine“
Wäre es denkbar, dass die Lage dann noch weiter eskaliert?
Davies: Die Eskalation ist ja an keiner Stelle von der Ukraine ausgegangen, sondern immer von Russland. Ich würde nicht sagen, dass das, was Trump da gemacht hat, zu einer weiteren Eskalation vonseiten Russlands führen wird. Russlands Kriegsziele sind völlig unabhängig von Trump, ohnehin unverändert. Russland geht es nicht um einen Frieden. Es geht Russland auch nicht darum, das, was sie an ukrainischem Land bereits erobert haben, zu behalten. Es geht nach wie vor um die Zerstörung der Ukraine als Staat und Nation. Um die Auslöschung der Ukraine als souveränen Staat. Daher ist das, was sich die Amerikaner da vorstellen, auch völlig inakzeptabel für die Ukrainer.
Eine durch die USA erzwungene Waffenruhe ist also auch keine Lösung?
Davies: Selbst wenn sich die Ukraine jetzt auf eine Waffenruhe entlang der Frontlinien einlässt, ist das im Grunde nur ein Zustand, der es Russland ermöglicht, seinen Plan weiter voranzutreiben. Also diese angebliche Waffenruhe zu nutzen, um weiter aufzurüsten und dann doch wieder den Vollangriff auf die nicht besetzten Gebiete der Ukraine zu starten. Wie gesagt, die Kriegsziele Russlands sind unverändert. Auch für uns in Deutschland und Europa ist das wichtig. Denn so hätte Russland Zeit, weiter gegen den größeren Krieg gegen den Westen, Europa und die Nato aufzurüsten.
Putin geht es also nicht nur um die Ukraine?
Davies: Nein, das sagt Russland auch sehr, sehr offen. Es geht um die Zerstörung der internationalen Friedensordnung, es geht um den Krieg gegen Europa, gegen den Westen, gegen das Modell des demokratischen Zusammenlebens. All das ist sehr offen erklärt, spiegelt sich aber leider in den deutschen Medien teilweise nicht wider. Das Ziel Russlands ist es, Europa zu dominieren, Europa zu schwächen und die europäische Ordnung zu zerstören.
Franziska Davies: In der Ukraine wird auch unsere Sicherheit verteidigt
Mit Trump haben sich die USA nun auch deutlich von der EU distanziert. Was Verteidigung angeht, sieht es bei der EU allerdings eher schlecht aus. Müssen wir jetzt also einen Angriff Russlands auf ein Nato-Mitglied fürchten?
Davies: Ja. Es gab ja auch schon Forderungen von Russland, den ganzen Beitritt der baltischen Länder nach Polen von der Nato rückgängig zu machen. Russland will die europäische Sicherheitsarchitektur, die uns schützt, zerstören. Das sieht man auch in den russischen Staatsmedien. Da geht es auch um Angriffe auf baltische Länder, Angriffe auf Polen. Und dann würde der Nato-Bündnisfall eintreten. Insofern ist es eigentlich auch in deutschem Interesse, dafür zu sorgen, dass die Ukraine nicht fällt, denn dort wird gerade unsere Sicherheit verteidigt. Stellen wir uns vor, die Ukraine fällt: Dann geht es irgendwann darum, wer die Nato-Grenzen verteidigt – inklusive deutscher Soldaten. Wer dieses Szenario nicht will, sollte sich für die Waffenlieferung an die Ukraine einsetzen.
Besonders, da es um die eigene Verteidigung in Europa nicht allzu gut steht...
Davies: Die europäische Politik hat es versäumt, angemessen in Sicherheit und Wehrhaftigkeit zu investieren. Aber man muss auch etwas Historisches sagen: Abschreckung funktioniert auch. Das hat im Kalten Krieg funktioniert. Und das ist das Zweite, was uns schützen kann: robustere Investitionen in Verteidigungsfähigkeit. Wenn wir den Krieg nicht führen wollen, dann sollten wir in Verteidigung investieren. Allerdings sind das langfristige Investitionen, und in den vergangenen Jahrzehnten ist leider schon sehr viel versäumt worden. In anderen Worten: Es ist allerhöchste Zeit.
AfD auch für die Sicherheit Deutschlands „extrem gefährlich“
AfD und BSW haben sich in der Vergangenheit auch recht pro-russisch positioniert. Welche Auswirkungen hat das auf unser Verhältnis zu Russland, wenn diese Parteien bei uns im Bundestag vertreten sind?
Davies: Damit hat Russland einen Verbündeten im Kampf gegen Europa und Deutschland innerhalb von Deutschland. Insofern würde ich sagen, ist die AfD aus unterschiedlichen Gründen eine Gefahr für die Demokratie. Einmal sind ihre Ziele letztlich nicht mit der demokratischen Ordnung vereinbar. Zudem ist eine Partei wie die AfD, die sich so russlandfreundlich positioniert, auch aus der außenpolitischen Perspektive extrem gefährlich für die Menschen, für das internationale Zusammenleben und damit letztlich für die Sicherheit Deutschlands.
Also ist Russland auch bewusst, welche Personen hierzulande in den Parlamenten sitzen?
Davies: Natürlich. Man muss sich klarmachen, dass Russland sehr genau beobachtet, was in Deutschland geschieht, und es auch durch Propaganda zu beeinflussen versucht. Die letzten Jahrzehnte, seit es diese immer weitere Radikalisierung Russlands gibt, seit dem Machtantritt Putins ist alles begleitet von einer Propagandamaschinerie, in die auch sehr, sehr viel Geld investiert wird, um die Wahrnehmung der Deutschen massiv zu beeinflussen. Und in den russischen Staatsmedien wird natürlich sehr, sehr freundlich über die AfD und das BSW berichtet. Natürlich hat Russland ein großes Interesse daran, dass gerade diese antidemokratischen, autoritären, rechtspopulistischen, rechtsextremen Parteien stark werden.
Hilfe für die Ukraine – Verteidigungsfähigkeit für Deutschland und Europa
Pulse of Europe Rosenheim und Fellas for Europe e.V. laden ein zu einer Kundgebung am Samstag, 22. Februar, ab 14 Uhr am Ludwigsplatz am „Gerinne“ in Rosenheim. Franziska Davies wird als Sprecherin vor Ort sein. Im ersten Teil der Kundgebung werden deutsche, ukrainische, litauische und weitere Redner für die konsequente Unterstützung der Ukraine eintreten und zu einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Stellung beziehen. Im zweiten Teil werden vier Rosenheimer Bundestagskandidaten im Rahmen einer Podiumsdiskussion zu sicherheitspolitischen Themen und ihrer Vision für Europa befragt.

