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Wer dahintersteckt und was die Polizei sagt

„Kann unglaublich gefährlich werden“: Querdenker-Zeitung in Rosenheim verteilt – ist das rechtens?

„Das ist eine ganz perfide Art, vorurteilsgeprägte Meinungen zu verstärken“, warnt Journalist und Autor Hans Demmel in Bezug auf „Klartext“.
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„Das ist eine ganz perfide Art, vorurteilsgeprägte Meinungen zu verstärken“, warnt Journalist und Autor Hans Demmel in Bezug auf „Klartext“.

Auf den ersten Blick wirkt „Klartext“ wie eine normale Zeitung. Doch setzt man sich genauer mit den Inhalten auseinander, wird klar, dass diese mit Vorsicht zu genießen sind. Warum die Inhalte der in Rosenheim verteilten Zeitung so bedenklich sind – und wie die Rechtslage aussieht.

Rosenheim – „Ich habe da letztens etwas Merkwürdiges im Briefkasten gehabt“, berichtete eine OVB-Leserin unserer Redaktion kürzlich. Im Anschluss schickte sie uns Auszüge der „Zeitung“, die bei ihr eingeworfen wurde. Sie trägt den Namen „Klartext. Bürgerzeitung für Oberbayern“. Und schon mit Blick auf die Überschrift der Titelseite wird deutlich, in welche Richtung die Publikation geht. „Schluss mit dem woken Spuk“ ist dort unter anderem zu lesen.

„Bürgerzeitung“? Darum geht es in „Klartext“

Im Text spricht der Gastautor „Christoffer aus Reinheim“ frei für alle in diesem Land: „Die deutsche Bevölkerung will ein Ende der unkontrollierten Massenmigration, ein Ende der Armut beschleunigenden Klimaideologie, ein Ende des Zusammenbruchs der Wirtschaft und ein Ende der medialen Gehirnwäsche“, schreibt er. Zudem fordert er, den Spruch „Wir sind das Volk“, der sich inzwischen immer wieder von der AfD vereinnahmt wurde, „in sinnvolle Politik umzuwandeln“. Auch mit der Corona-Pandemie befasst sich das Blatt. Auf den weiteren Seiten von „Klartext“ geht es um eine militärische Operation unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie und auch um Hinweise auf Veranstaltungen unter Titeln wie „Warum die EU nicht mehr funktioniert“, oder „Nato Global – Bedrohung des Weltfriedens“.

Herausgeber betont: „Absolut parteiunabhängig“

Im Impressum Stefan Kohwagner, ehemaliger Rechtsanwalt, der immer wieder Vorträge in den Räumen der Partei „dieBasis“ hält als Herausgeber. Auf OVB-Anfrage, welche Intention hinter dem Produkt steckt, antwortet Kohwanger: „Das Ziel der Bürgerzeitung ist es, den Lesern Meinungen und Einschätzungen von Mitbürgern zugänglich zu machen, welche in den üblich vorhandenen Medien nicht zu Wort kommen können.“ Das habe etwas mit Meinungspluralismus zu tun, betont er. „In diesem Sinne soll die Zeitung nicht andere Meinungen verdrängen oder gar, wie es leider oftmals geschieht, verunglimpfen sondern zur offenen Kultur eine Meinungsaustausches beitragen“, führt Kohwagner weiter aus.

Zur Frage, wie sich „Klartext“ finanziert führt er aus: „Autorenschaft, Lektorat, Layout, sonstige Verwaltung sowie insbesondere die Verteilung erfolgt zwar nicht umsonst aber ohne Kosten. Druckkosten werden durch Schenkungen/Zuwendungen gedeckt.“ Außerdem betont er, dass die Zeitung absolut parteiunabhängig sei und von keiner Partei oder Organisation unterstützt werde. „Keine Partei oder andere Organisation könnte oder kann Einfluss auf Inhalt oder Zusammensetzung der Inhalte nehmen“, sagt Kohwagner.

Auf den ersten Blick könnte man „Klartext“ für eine konventionelle Zeitung halten.

Rechtliche Lage: Darf jeder seine eigene Zeitung verteilen?

Doch wie sieht die Lage eigentlich rechtlich aus? Darf jeder sein eigenes Presseerzeugnis erstellen und in der Stadt verteilen? Die Antwort des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd ist eindeutig. „So lange das Druckwerk keine strafbaren Inhalte enthält und über ein Impressum verfügt, ist grundsätzlich eine Verteilung erlaubt“, erklärt ein Sprecher. In „Klartext“ konnten bisher keine strafbaren Inhalte festgestellt werden. „Die Inhalte der Zeitung sprechen für eine Nähe zur Corona-Leugner- beziehungsweise Querdenkerszene“, sagt der Polizeisprecher weiter.

So ordnet auch der in Rosenheim aufgewachsene Journalist und Autor Hans Demmel die Zeitung ein. Demmel selbst beschäftigte sich im Rahmen der Recherche zu seinem Buch „Anderswelt. Ein Selbstversuch mit rechten Medien“ ausführlich mit rechter Lektüre. Die große Gefahr dieser Publikationen sei, dass diese bei Vorurteilen ansetzen und diese verstärken, erklärt Demmel. „Das ist eine ganz perfide Art, vorurteilsgeprägte Meinungen zu verstärken“, sagt er auf OVB-Anfrage.

„Kann unglaublich gefährlich werden“

„Es verschiebt den Horizont“, sagt Demmel zu Publikationen dieser Art. „Und wenn es dann ins Denkgefüge der Menschen passt, wird es ganz schnell problematisch.“ Hinzu komme, dass etwa ein Drittel der Menschen für Verschwörungstheorien empfänglich sei. „Wenn solche Inhalte – zum Beispiel in Bezug auf Corona – auf fruchtbaren Boden treffen, kann es unglaublich gefährlich werden“, warnt Demmel.

Daher sei es inzwischen umso wichtiger, bei den eigenen Informationsquellen besonders auf Marken zu setzen. „Von der Tagesschau bis zum OVB – da gibt es eine Glaubwürdigkeit in sich“, betont Demmel. Publikationen wie „Klartext“ würden ihre Glaubwürdigkeit eben dadurch erreichen, weil sie Vorurteile bestätigen. „Ein ganz gefährliches Feld.“

„Klartext“ sei ein eindeutiger Versuch, die Wahl nach rechts zu verschieben, sagt Hans Demmel.

Erscheinen kurz vor der Bundestagswahl kein Zufall

Dass „Klartext“ ausgerechnet so kurz vor der Bundestagswahl am 23. Februar verteilt wurde, ist Demmel zufolge kein Zufall. „Wir haben aktuell – je nach Umfrage – bis zu 40 Prozent Unentschlossene. Und da sind viele dabei, die sich die Frage stellen: ‚Wähle ich erstmals die AfD?‘“, sagt Demmel. Das sei eindeutig ein Versuch, eine solche Wahl nach rechts zu schieben.

Zwar weist das offizielle Impressum mehr auf einen Bezug zur Basis hin als zur AfD. Doch findet sich im ebenfalls dort angegebenen Telegram-Chat einiges an Pro-AfD-Inhalten. Im „Basistreff“ wird unter anderem immer wieder auf vermeintliche Schikane gegen die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hingewiesen. Zudem wird vom „Aufwachkanal“ gegen die Corona-Impfung gewettert. Und auch Inhalte von Altbekannten aus der Szene, wie beispielsweise Ken Jebsen, werden dort geteilt.

Misstrauen gegenüber der Wahl

Im Print-Produkt „Klartext“ wird auf der letzten Seite auch noch einmal auf die Bundestagswahl hingewiesen – allerdings in Form eines Aufrufs. In einem Interview bittet Swen Hüther, einer der Initiatoren der „Deutschland steht auf“-Demos, die laut Experten auch der Querdenker-Bewegung zuzuordnen sind, um Mithilfe bei der Wahlbeobachtung. Allerdings nicht, wie es jeder tun kann, gratis und lediglich durch Anwesenheit im Wahllokal. Nein, man muss sich auf einer Website registrieren. Kostenpunkt: 6,49 Euro. Das Narrativ im „Klartext“-Artikel ist klar. Es benötige eine Wahlbeobachtung, da immer wieder von Wahlfälschung die Rede sei.

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