Innenminister Herrmann mischt mit
„Maximallösung ist vom Tisch“? Wie es jetzt mit der Flüchtlingsunterkunft Rott weiter geht
„Eine deutliche Reduzierung der Belegungszahl“ hat Innenminister Joachim Herrmann in einem Brief an Rotts CSU-Vorsitzenden für die geplante Flüchtlingsunterkunft in Aussicht gestellt. Doch was heißt das genau? Alexander von Hagmann sagt: „Die Maximallösung ist vom Tisch.“ Wie es nun weiter geht – und was der Bürgermeister dazu sagt.
Rott – Das Gerangel um die Belegungszahlen geht in eine neue Runde: Die große geplante Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge im Rotter Gewerbegebiet „Am Eckfeld“ sollte ursprünglich bis zu 506 Menschen beherbergen. Eine Anzahl, die die kleine Gemeinde Rott nicht hinnehmen will, denn die Einwohnerzahl würde sich auf einen Schlag um 20 Prozent erhöhen. Die Kommune wäre infrastrukturell überfordert.
Rott bot jedoch einen Kompromiss an: die Aufnahme von 100 Geflüchteten. Das Landratsamt als Mieter der Immobilie möchte jedoch 250 Menschen unterbringen. Denn es gelte, die beiden Turnhallen in Raubling und Bruckmühl freizubekommen, so hatte Landrat Otto Lederer noch im März in einem Interview mit der Wasserburger Zeitung und wasserburg24.de betont. 506, 250, 100: Eine Einigung kam nicht zustande, der Gemeinderat Rott lehnte mehrheitlich den Bauantrag des Landratsamts auf Umnutzung des Gebäudes ab. Und signalisierte die Bereitschaft zur Klage.
Wie ist in diesem Zusammenhang der Brief des Innenministers an den Rotter CSU-Vorsitzenden von Hagmann zu bewerten? Hier spricht Herrmann nach Angaben des CSU-Vorsitzenden von einer „deutlichen Reduzierung der Belegungszahl“. Was heißt „deutlich“? „Ich lese aus dem Schreiben heraus, dass die Maximalzahl 506 auf jeden Fall vom Tisch ist“, sagt von Hagmann. Außerdem sei klar, dass die Verantwortlichen beim Freistaat verstanden hätten, „dass so eine große Einrichtung nicht aufs Land gehört“. Es sei dem CSU-Ortsverband bei vielen Gesprächen, unter anderem mit Herrmann, aber auch mit Ministerpräsident Markus Söder, gelungen, dies zu verdeutlichen.
Der Ortsvorsitzende sieht in der Ankündigung des Ministers einen großen Schritt in die richtige Richtung. Doch er weiß auch: „Es geht nach wie vor darum, die Turnhallen freizubekommen.“ Dort seien derzeit etwa 170 Flüchtlinge untergekommen, „das Landratsamt braucht außerdem noch einen Puffer“. Dann käme wieder annähernd eine Zahl zustande, die sich der gewünschten Belegungszahl des Landratsamts von 250 nähert.
Alternativer Standort vorstellbar
Von Hagmann legt jedoch auch Wert auf die Feststellung, dass sich der CSU-Ortsverband weiterhin einen Alternativstandort zum Grundstück der Industriehalle im Gewerbegebiet „Am Eckfeld“ vorstellen kann: das Gelände an der alten ASV-Halle. Es gehöre der Kommune, dort habe die Gemeinde das Heft des Handels in der Hand. Von Hagmann betont außerdem: Die im Raum stehende Klage der Kommune gegen die Pläne des Landratsamts „hat aus Sicht der CSU Rott keine Aussicht auf Erfolg“. Denn vor dem Verwaltungsgericht würden die baurechtlichen Fragen im Fokus stehen, nicht die Verträglichkeit der geplanten Einrichtung. Ein Gerichtsentscheid könne die Situation sogar zementieren, ein Verfahren sei deshalb, wenn möglich, zu verhindern, findet von Hagmann.
Deshalb der Wunsch des Ortsverbands, doch noch einen Kompromiss zu erreichen. Der Weg in diese Richtung sei jetzt erneut durch das Schreiben des Innenministers geebnet worden. „Ich glaube, alle Mandatsträger haben unser Anliegen und unsere Bedenken verstanden“, ist von Hagmann überzeugt. „Die Ängste und Sorgen der Rotter werden ernst genommen“, findet er. Jetzt gelte es weiter dranzubleiben, die vielen Gespräche mit Regierungsvertretern, Landrat und Regierungspräsidium seien der richtige, weil „konstruktive Weg“ Richtung einer akzeptablen Lösung.
„Etwas befremdlich“
Daniel Wendrock, Bürgermeister von Rott, nimmt schriftlich Stellung zum Brief des Innenministers an die Rotter CSU: „Tatsache ist, dass sich der Freistaat Bayern im Hinblick auf eine mögliche Sammelunterkunft in Rott zuletzt bewegt hat und nun von den Planungen einer Sammelunterkunft zumindest mit den ursprünglich angedachten 500 Personen abrückt, an den grundsätzlichen Plänen einer Erstaufnahmeeinrichtung in der Gemeinde Rott aber festhält. Ob das am Schluss alles zu einer konsensualen Lösung mit der Gemeinde führen wird, ist aus meiner Sicht derzeit völlig offen“, teilt Bürgermeister Daniel Wendrock schriftlich mit.
„Ich halte die Idee, einer großen Einrichtung in einer kleinen Gemeinde, der überdies die infrastrukturellen Voraussetzungen fehlen, jedenfalls weiterhin für eine Fehlentscheidung. Ich habe es dabei immer geschätzt, dass der CSU-Ortsverband dies bislang ebenso gesehen und sich einige seiner Protagonisten teils sehr engagiert für eine bessere Lösung für unseren Ort eingesetzt haben“, so Wendrock.
„Als etwas befremdlich empfinde ich es allerdings, wenn der CSU-Ortsverband das Zustandekommen von Gesprächen und mögliche, noch immer nicht im Detail feststehende Ergebnisse in seiner jüngsten Pressemeldung nun scheinbar überwiegend für sich beansprucht. Das lässt das Engagement der Gemeinde, auch und gerade meiner Person, sowie von Teilen der Bürgerschaft gegen die vorliegenden Pläne weitgehend außen vor und sie quasi als Fußnote zur Tätigkeit des Ortsverbandes erscheinen. Tatsache ist, dass einige Termine unter aktiver Mitwirkung des CSU-Ortsverbandes zustande gekommen sind, namentlich ein Termin mit dem Innenminister im März 2024. Die inhaltliche Federführung und das politische Mandat bei all diesen Terminen lag und liegt aber bei der Gemeinde. Letztere war und ist in den letzten Tagen und Wochen, unter anderem auch in fortwährenden Gesprächen mit dem Landratsamt Rosenheim, die in durchaus konstruktiver Atmosphäre stattfanden“, teilt der Bürgermeister weiter mit.
„Wenn aber nun offensichtlich von einer ‚deutlichen Reduzierung‘ die Rede ist, muss festgestellt werden, dass seitens des Freistaates Bayern nach meinem jetzigen Informationsstand im Hinblick auf die reine Personenanzahl der angedachten Sammelunterkunft aber keine (deutliche) Reduzierung gegenüber dem Vorschlag des Landratsamtes vom Februar 2024 angedacht ist. Nicht nachvollziehbar ist mir in diesem Zusammenhang schließlich, dass Staatsminister Herrmann dem CSU-Ortsverband, wohl im Nachgang zu unserem Termin im März, ein Schreiben zukommen lässt, ich als parteifreier Bürgermeister bis heute hingegen keine inhaltliche schriftliche Reaktion auf eine E-Mail vom 19. Januar 2024 an das Ministerium erhalten habe“, beanstandet Wendrock.


