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Streit zwischen den Nachbargemeinden

Nach Baustopp für Flüchtlings-Unterkunft: Stehen Sie zu Ihrer sozialen Verantwortung, Herr Zistl?

Das Bayerische Verwaltungsgericht in München hat auf einen Eilantrag der Gemeinde Feldkirchen-Westerham reagiert und einen Baustopp für das Areal an der Walter-Gessner-Straße in Westerham verhängt, auf dem eine Flüchtlingsunterkunft für 160 Personen errichtet werden soll. Im OVB-Interview hat Bürgermeister Johannes Zistl dazu jetzt Stellung genommen.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht in München hat auf einen Eilantrag der Gemeinde Feldkirchen-Westerham reagiert und einen Baustopp für das Areal an der Walter-Gessner-Straße in Westerham verhängt, auf dem eine Flüchtlingsunterkunft für 160 Personen errichtet werden soll. Im OVB-Interview hat Bürgermeister Johannes Zistl dazu jetzt Stellung genommen.

Während Feldkirchen-Westerham bei der Klage gegen die Flüchtlingsunterkunft einen Etappensieg errungen hat, kommt aus der Nachbargemeinde Bruckmühl Kritik daran, dass sich Kommunen juristisch gegen Unterkünfte wehren. Wie Bürgermeister Johannes Zistl darauf reagiert.

Feldkirchen-Westerham – Mit dem Baustopp, den das Bayerische Verwaltungsgericht jüngst in puncto Flüchtlingsunterkunft in Westerham verhängt hat, hat die Gemeinde Feldkirchen-Westerham einen Teilerfolg errungen. Im kommenden Jahr will das Gericht nun im Hauptverfahren entscheiden, nachdem die Kommune Klage gegen die Errichtung der Unterkunft für rund 160 Personen auf dem Areal in Privatbesitz eingereicht hatte. Oder genauer gesagt gegen die geplante Nutzungsdauer von elf Jahren, die aus Sicht der Gemeinde die „Planungshoheit“ zu sehr einschränke.

Wobei Feldkirchen-Westerhams Bürgermeister Johannes Zistl (OLV) stets betonte, dass sich die Gemeinde durchaus ihrer „sozialen Verantwortung“ bewusst sei und grundsätzlich nichts gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in der Kommune habe. Doch wie ist es wirklich um das Bewusstsein für die soziale Verantwortung gestellt? Und was hat es eigentlich mit den ominösen Flächen, die laut Gemeinde für Unterkünfte deutlich geeigneter wären, auf sich? Das OVB hat beim Rathauschef nachgehakt.

Mit dem jüngst verhängten Baustopp hat die Gemeinde in puncto Flüchtlingsunterkunft in Westerham zumindest einen Teilerfolg erzielt. Wie sehen Sie die Chancen, auch im Hauptverfahren Recht zu bekommen?

Johannes Zistl: Grundsätzlich könnte diese Entscheidung als wegweisend für zukünftige Urteile des Verwaltungsgerichts betrachtet werden. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass der Baustopp aufgrund eines Versäumnisses in der Baugenehmigung hinsichtlich des Rückbaus erlassen wurde – ein Mangel, der grundsätzlich geheilt werden kann. Unsere Klage richtet sich hingegen vor allem gegen die lange Laufzeit. Dieser Aspekt findet in der Antwort zum Eilantrag keine Berücksichtigung und wird voraussichtlich erst in einem Gerichtstermin behandelt, auf den wir weiterhin warten. Bis dahin sind keine neuen Erkenntnisse in der Sache zu erwarten.

Sie hatten immer wieder die Planungshoheit der Kommune betont, die durch die lange Nutzungsdauer eingeschränkt werde. In wieweit hat die Kommune überhaupt die Planungshoheit über ein Grundstück, sich gar nicht im Besitz der Kommune befindet?

Zistl: Die Planungshoheit der Kommune ist verfassungsrechtlich garantiert und ergibt sich aus Artikel 28 des Grundgesetzes im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Sie wird durch die Aufstellung von Bauleitplänen ausgeübt. Dazu gehören der Flächennutzungsplan als vorbereitender Bauleitplan sowie der Bebauungsplan als verbindlicher Bauleitplan. Die Aufgabe der Bauleitplanung besteht darin, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke innerhalb der Gemeinde zu steuern und vorzubereiten. Dies erfolgt auf Grundlage öffentlich-rechtlicher Vorschriften und ist unabhängig von privatrechtlichen Eigentumsverhältnissen. Andernfalls ließe sich eine kommunale Bauleitplanung kaum umsetzen.

Und welche Planungen genau werden aus Sicht der Gemeinde auf dem Grundstück in Westerham durch den Bau der Flüchtlingsunterkunft beeinträchtigt?

Zistl: Derzeit verzeichnet die Gemeinde Feldkirchen-Westerham zahlreiche Anfragen nach freien Gewerbegrundstücken, was zu einer entsprechend langen Warteliste geführt hat. Die Bereitstellung geeigneter und verfügbarer Gewerbeflächen ist daher ein zentrales und dringend notwendiges Anliegen der Gemeinde. Durch die vom Landratsamt Rosenheim erteilte Baugenehmigung werden der Gemeinde jedoch für die geplante Nutzungsdauer von elf Jahren dringend benötigte Gewerbeflächen entzogen. Dies ist im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltung und die Planungshoheit der Gemeinde nicht ohne Weiteres hinnehmbar.

Im Zuge des Flüchtling-Deals in Bruckmühl hatte Bruckmühls Bürgermeister Richard Richter Kritik an anderen Kommunen geübt, die gegen derartige Einrichtungen klagen. Wie bewerten Sie diese Kritik, die sich auch an Feldkirchen-Westerham richtet?

Zistl: Um die Unterbringung von Geflüchteten im Landkreis bestmöglich schultern zu können, braucht es – aus meiner persönlichen Sicht – verbindliche Verteilungsquoten. Diese verbindlichen Schlüssel würden den Kommunen Planungssicherheit geben und gewährleisten, dass keine Kommunen über- und andere unterfordert werden. Jeder wüsste, mit was er rechnen muss. Zusätzliche Anmietungen durch den Landkreis würden überflüssig, da die Unterbringung aller Hilfesuchenden flächendeckend gewährleistet wäre. Diese Quoten, wie zum Beispiel den Königsteiner Schlüssel, gibt es verbindlich bis zur Ebene der Landkreise als zuständige unterste Staatsbehörde, nicht jedoch auf Ebene der Kommunen. Bisher entscheidet jede Kommune im Rahmen der Möglichkeiten für sich, wie sie mit dem Thema umgeht, weshalb die Zahlen durchaus unterschiedlich sind. Laut unverbindlichem Verteilungsschlüssel hat Bruckmühl laut Pressemeldung derzeit circa 120 Geflüchtete zu wenig untergebracht, in Feldkirchen-Westerham sind circa 130 Geflüchtete zu wenig.

Sie haben in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass die Kommune sich der „sozialen Verantwortung“ bewusst ist, zudem angedeutet, dass es etwaige Flächen innerhalb der Kommune gebe, die geeigneter wären, aktuell aber nicht gemeldet würden, um dort dann nicht noch weitere Flüchtlingsunterkünfte zu bekommen. Lassen sich diese beiden Aussagen überhaupt in Einklang bringen?

Zistl: Die Gemeinde Feldkirchen-Westerham hat bereits 130 Geflüchtete aufgenommen, die überwiegend in privaten Unterkünften oder ehemaligen Leerständen untergebracht sind. Um unsere rechnerische Quote im Landkreis in Höhe von circa 260 Menschen zu erfüllen, nehmen wir gerne weitere 130 Geflüchtete auf. Das haben wir mehrfach betont und daran hat sich nichts geändert. Die Unterbringung wünschen wir uns in kleineren Einheiten, die eine Integration erleichtern. Für diese kleineren Standorte waren wir bereits zum Jahresende 2023 intern auf Standortsuche. Dann kam der Bauantrag für das Wohnquartier mit 160 Plätzen in Westerham, dessen Baugenehmigung weiter gültig ist. Mit dieser großen Anlage erfüllen wir die angestrebte Zahl der Unterbringungen – übererfüllen sogar. Aus diesem Grund ruht die weitere Standortsuche aktuell, bis zur Klärung, ob die Anlage kommt.

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