Neues Nahversorgungszentrum
Feldkirchen-Westerham bekommt einen Lidl: Warum das nicht nur für Freude sorgt
In Feldkirchen-Westerham soll ein neues Nahversorgungszentrum entstehen. Das wurde jetzt im Gemeinderat beschlossen. Warum das nicht allen gefällt, was genau an der Staatsstraße passieren soll und welches besondere Risiko es gibt.
Feldkirchen-Westerham – Die Entscheidung ist gefallen. Am östlichen Ortsrand von Feldkirchen soll ein zweites Nahversorgungszentrum entstehen. Das wurde in der jüngsten Gemeinderatssitzung entschieden. Sowohl ein Lidl-Markt als auch eine Drogeriefiliale und eine Apotheke sollen dort errichtet werden. Für Bürgermeister Johannes Zistl (OLV) ist das eine Bereicherung für die Gemeinde – die allerdings auch Herausforderungen birgt.
Auf einer 11.000 Quadratmeter großen Grünfläche an der Rosenheimer Straße neben dem Edeka-Markt soll das etwa 3.677 Quadratmeter große Nahversorgungszentrum gebaut werden. Dazu 123 Stellplätze, die auch außerhalb der Öffnungszeiten von Autofahrern benutzt werden sollen. 25 Prozent der Fläche sollen als Grünanlage erhalten bleiben. Die Lidl-Filiale wolle zudem auf Photovoltaikanlagen, E-Ladestationen und energieeffiziente Beleuchtungen setzen.
Weiterer Supermarkt notwendig?
Eine Frage, die sich die Verwaltung und der Gemeinderat bereits beim Erstantrag im Frühjahr 2024 stellten: Ist ein weiterer Supermarkt überhaupt notwendig? Denn das Nahversorgungszentrum soll direkt neben dem bestehenden Edeka-Markt gebaut werden. Dazu zog die Gemeinde eine gutachterliche Stellungnahme der CIMA Beratung und Management GmbH hinzu. „Das Gutachten zeigt, dass der Lidl dringend notwendig ist und die Versorgungssituation von circa 40 Prozent der Einwohner verbessern wird“, erklärt Bürgermeister Johannes Zislt.
Vor allem für den nördlichen Gemeindebereich von Feldkirchen bis Laus und Großhöhenrain wäre die neue Einkaufsmöglichkeit eine Erleichterung. „Auch langfristig gesehen ist ein weiterer Supermarkt eine Bereicherung“, so Zistl. Schließlich sei es eine wachsende Kommune, die in den nächsten Jahren einen weiteren Markt dringend braucht.
Kombination aus Wohn- oder Gewerbegebiet scheitert
Dem Rathauschef ist klar, dass für das Nahversorgungszentrum eine große Fläche in Anspruch genommen wird. „Deshalb haben wir in den vergangenen zwölf Monaten intensiv nach alternativen Nutzungen geschaut“, betont Zistl. Wie zum Beispiel eine Kombination aus Wohn- oder Gewerbegebiet.
„Wir hatten überlegt, im Obergeschoss des Supermarktes Wohnungen zu bauen und zu vermieten“, so Zistl. Doch das sei schon allein wegen wirtschaftlicher Hürden nicht möglich. Die Wohnungen könnten nur befristet vermietet werden, und der Mietpreis wäre keineswegs „marktgerecht“. So läge der Mietpreis bei circa 20 Euro pro Quadratmeter.
Deshalb sei auch eine gewerbliche Nutzung nicht möglich. Aber auch, weil scheinbar ansässige Firmen keinen Bedarf an mehrgeschossigen Gewerbeflächen haben. Im Gemeindegebiet gebe es einige mehrgeschossige Gebäude, die immer noch leer stehen.
Ein Punkt, der vor allem bei Pankraz Schaberl (SPD) für wenig Verständnis sorgt. „Ich höre immer wieder was von einer neuen Apotheke, aber wer soll das machen?“, fragt er. In den bereits leer stehenden Gebäuden habe bislang auch keine Apotheke aufmachen wollen. Wieso also ein weiterer Laden in einem Nahversorgungszentrum gebaut werden soll, ist laut Schaberl nicht verständlich.
Lidl-Markt steigert die Attraktivität der Gemeinde
Doch aufgrund des Gutachtens der Firma CIMA sei klar, dass der Norden von Feldkirchen weder eine Apotheke noch einen Drogeriemarkt hat. „Auch der Verkehr würde dadurch verringert werden“, sagt Rathauschef Zistl. Viele Bürger müssten für ihre Einkäufe nach Westerham oder Bruckmühl fahren. Durch den neuen Lidl-Markt in Feldkirchen könnte die Pendelei verringert werden.
Johannes Zistl ist sich außerdem sicher, dass mehr Einkaufsmöglichkeiten an einem Standort auch die Attraktivität der Gemeinde steigern. „Der Edeka steht ganz verlassen da draußen und es läuft dort schon seit längerem nicht zu 100 Prozent gut“, sagt der Bürgermeister. Der Lidl sei eine Verstärkung und ein „Magnet“, der mehr Kunden anlocken kann. Bislang gehe man davon aus, dass etwa 1000 Bürger pro Tag das neue Einkaufszentrum nutzen werden.
Grünen zeigen sich wenig begeistert
Doch all diese Vorteile eines neuen Supermarktes sorgen bei den Grünen-Gemeinderäten nicht für Überzeugung. „Discounter sind mittlerweile so gut aufgestellt, dass diese auch eine starke Konkurrenz für den Edeka sein können“, sagt die Fraktionsvorsitzende Elisabeth Spielmann. Da man sich auf den Einzelhandel spezialisiert habe, genauer auf einen Supermarkt, Drogeriemarkt und Apotheke, müsse das Gewerbegebiet in ein Sondergebiet umgewandelt werden. „Wir von den Grünen sprechen uns dagegen aus“, so Spielmann.
Auch ihr Fraktionskollege, Thomas Henties, ist gegen das Nahversorgungszentrum. „Ich werde dagegen stimmen, denn wir brauchen den Lidl nicht unbedingt“, sagt er. Henties würde es begrüßen, wenn das Gebäude aus mehreren Etagen besteht und eine Kombination aus Wohnungen oder Parkplätzen in einer Tiefgarage realisiert werden könnte. „Zu sagen, das ist nicht wirtschaftlich, das hängt ja davon ab, wie der Grundstückseigentümer mit dem Lidl-Markt verhandelt“, so Henties.
Heinz Oesterle von der SPD sieht es nicht anders. „Ich habe nichts gegen den Lidl oder den Drogeriemarkt, die können von mir aus kommen“, sagt er. Ihn störe ebenfalls, wie das Gebäude gebaut werden soll. Außerdem sei es nicht die „Aufgabe des Gemeinderates zu sagen, ob 20 Euro pro Quadratmeter zu viel sind“. „Aber, dass der Lidl sagt, ‚wir können nicht anders bauen, das geht nur so‘. Sorry, aber dafür gibt es meine Zustimmung nicht“, sagt Oesterle.
Alle Aspekte „gut abgewogen“
Franz Bergmüller, Fraktionsvorsitzender von Pro Bürger, sieht das ganz anders. Dass die Parkplätze auch außerhalb der Öffnungszeiten benutzt werden können, sollte auch bei anderen Supermärkten zukünftig so gehandhabt werden. Für Bergmüller sind alle zu beachtenden Aspekte „gut abgewogen“ worden. „Wir haben schon ein paar Defizite in Feldkirchen und vielleicht können neue Geschäfte dort angesiedelt werden“, so der Fraktionsvorsitzende.
Nicht anders sieht Georg Meixner, OLV-Fraktionsvorsitzender, das neue Nahversorgungszentrum. „Vor allem der nördliche Gemeindeteil wird davon profitieren, wenn sie endlich einen kürzeren Weg zum Einkaufen haben“, sagt er.
Herausforderungen müssen bewältigt werden
Neben den Vorteilen eines neuen Nahversorgungszentrums gibt es auch eine Herausforderung. Das geplante Areal soll in einem „potenziellen Überschwemmungsgebiet“ des Feldkirchener Bachs errichtet werden. Vor Einleitung eines Bauleitplanverfahrens müsse deshalb nach einer Lösung gesucht werden, um die Fläche hochwasserfrei bebauen zu können. Dafür steht die Gemeinde mit dem Wasserwirtschaftsamt Rosenheim in Kontakt.
Der Änderung des Flächennutzungsplans in einem Sondergebiet wurde mit 17:8 Stimmen zugestimmt. Dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan wurde mit 16:9 zugestimmt und dem städtebaulichen Kostenübernahmevertrag stimmten alle Gemeinderäte zu. Acht Gemeinderäte waren für die Beauftragung des Architekturbüros Straßer.
Der nächste Schritt werde nun der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags mit dem Bauwerber sein, der durch die Verwaltung verhandelt und durch den Gemeinderat genehmigt werden muss. In diesem Vertrag sollen zentrale Forderungen der Gemeinde festgehalten werden.