Schwere Vorwürfe gegenüber der Caritas
„Wir sind nicht schuld“: Pflegekräfte im Edlinger „Sonnengarten“ packen aus
Die Missstände im Altenheim „Sonnengarten“ in Edling sind weiterhin in aller Munde. Nun haben sich Mitarbeiter des Pflegeheims gemeldet, mit schweren Vorwürfen gegenüber dem Träger und der Heimleitung.
Edling – Nicht versorgte Wunden, fehlende Dokumentation, ein Bewohner, der zu Schaden kam: Das ist laut dem Träger Caritas die Bilanz des Pflegemangels im Altenheim „Sonnengarten“ in Edling. Doch wer genau ist schuld an diesen Vorfällen? Mehrere Pflegekräfte haben sich nun an die Wasserburger Zeitung gewandt, um klarzustellen: „Wir nicht.“
Die Mitarbeiter, die anonym bleiben wollen, sehen die Schuld beim Träger Caritas und bei der Führungsebene des Heims. Denn es fehle an Struktur und an Fachkräften. Die Aufgaben seien nicht zu schaffen, nach wie vor. „Ich musste Bewohnern mitteilen, dass ich sie nicht duschen kann, weil ich es zeitlich einfach nicht erledigen kann“, erzählt eine Mitarbeiterin beim Besuch in der Redaktion. Das sei belastend. „In der Pflege zu arbeiten, ist eine große Verantwortung. Das sind Menschen, aber ich kann meine Arbeit nicht so tun, wie ich es gern machen würde, weil es einfach nicht geht.“ Auch eine andere Kraft bestätigt dies. „Im Spät- und Frühdienst sollten wir eigentlich fünf Leute sein. Meistens sind wir zu dritt“, berichtet sie.
Mehrere Überlastungsanzeigen gestellt
Dabei wisse die Caritas schon lange über die Probleme in Edling Bescheid. „Es wurden bestimmt 20, 25 Überlastungsanzeigen im vergangenen Jahr ausgefüllt“, erzählen die Mitarbeiterinnen. Immer wieder sei der Träger daraufhin gewiesen worden, dass die verbliebenen Kräfte überfordert und überlastet seien. Passiert sei nichts. „Wir sagen seit einem Jahr, dass wir es nicht schaffen und uns hat niemand ernst genommen.“ Im Gegenteil: Statt die Bewohnerzahl zu begrenzen, habe die Caritas im Oktober entschieden, „das Haus vollzumachen.“ Von 50 Bewohnern sei auf 60 aufgestockt worden, ohne weiteres Personal. Geringverdiener, die abends für die Essensausgabe eingeteilt waren, seien gekündigt worden. „Auch diese Aufgabe mussten wir dann übernehmen“, erzählt eine Mitarbeiterin. Eine weitere Belastung trotz dünner Personaldecke. „Wir haben nur eine Vollzeit-Pflegefachkraft im Tagdienst“, sagt sie. Insgesamt seien vier Fachkräfte festangestellt, etwa 15 feste Pflegekräfte seien im Haus tätig, viele davon ungelernt. „Wie sollen wir das schaffen?“
Probleme in der Führungsebene
Was die Mitarbeiter jedoch besonders stört, ist die Öffentlichkeitsarbeit der Caritas. „Es wird jetzt alles so dargestellt, als sei alles wieder gut“, sagt eine Mitarbeiterin. „Dabei stimmt es nicht.“ Weiterhin gebe es im „Sonnengarten“ große Probleme. Zwar sei die Bewohnerzahl auf 49 reduziert worden. „Aber es ist furchtbar.“ Die Arbeit sei nicht zu schaffen, viele Mitarbeiter würden kündigen und es fehle weiterhin jegliche Struktur. „Seit zwei Jahren gibt es keine Stationsleitung und in der Pflegedienstleitung herrscht ständiger Wechsel“, so eine Pflegekraft. „Kaum jemand kennt sich aus“, sagt sie. Entsprechend könne niemand den Mitarbeitern neue Regelungen oder Vorschriften in der Pflege erklären. Auch neue Mitarbeiter oder die Zeitarbeiter-Kräfte könnten nicht eingelernt werden, weil keiner Zeit dafür habe. „Natürlich geht da die Qualität verloren.“
Wertschätzung der Mitarbeiter fehlt
Auch die Wertschätzung habe gefehlt und fehle bis heute. So habe es in einer Mitarbeiterversammlung seitens der Caritas geheißen: „Ihr seid euer Geld nicht wert.“ Es gebe unnötige, unverständliche Vorschriften im Arbeitsalltag. So dürfte übrig gebliebenes Essen nicht von den Angestellten verzehrt werden. „Das ist ein Abmahnungsgrund“, sagt eine Mitarbeiterin. Das Abendessen dürfe keinesfalls vor 18 Uhr ausgeteilt werden, auch wenn die Senioren Hunger hätten. Wenn Mitarbeiter dies trotzdem tun würden, sei das ebenfalls ein Abmahnungsgrund. „Dem Träger geht es ums Geld“, sagt eine Mitarbeiterin. „Die Bewohner, um die es eigentlich gehen sollte, werden total vergessen.“
Wobei die Pflegekräfte dennoch der Überzeugung sind: „Die Senioren sind gut versorgt.“ Das sei ihnen auch seitens der Heimaufsicht so bestätigt worden. Beim Vorfall im Januar habe es sich um einen Bewohner gehandelt, der trotz mehrfachem Angebots jegliche Pflege und Versorgung seiner Wunden verweigert habe. „Er war größtenteils selbstständig und wusste auch um die Konsequenzen“, erzählen die Mitarbeiterinnen, dennoch habe der Mann die Pflege abgelehnt. „Was sollen wir tun? Zwingen können wir ihn nicht.“ Die Dokumentation habe nicht gestimmt, das sei richtig. „Aber wie sollen wir das schaffen bei dieser Personalstärke?“
Das sagt die Caritas zu den Vorwürfen
Auf Anfrage äußern sich Doris Schneider, Geschäftsleiterin der Caritas-Altenheime in der Erzdiözese München und Freising, und Clemens Kraus, stellvertretender Geschäftsleiter der Caritas-Altenheime, in einer gemeinsamen Stellungnahme zu den Vorwürfen wie folgt:
Zu den laut Mitarbeitern nicht beachteten Überlastungsanzeigen: „Die Überlastungsanzeigen gehen vor Ort an die Heimleitung, die Anzahl können wir nicht bestätigen. Die für die Pflegeversorgung laut Versorgungsvertrag mit den Kostenträgern benötigten Stellen waren besetzt. Für den Fall einer Überlastungsanzeige sind vor Ort die Ursachen zu prüfen und, wenn nötig, Prozesse und Abläufe entsprechend anzupassen und sicherzustellen.“
Zu den Vorwürfen, die Bewohneranzahl trotz dünner Personaldecke aufgestockt zu haben: „Es ist grundsätzlich notwendig, das Haus voll zu belegen, weil wir einerseits nur so kostendeckend arbeiten können und andererseits ja eine hohe Nachfrage nach vollstationären Plätzen besteht. Trotzdem belegen wir immer nur so viele Plätze, dass wir die verbindlich mit den Kostenträgern vereinbarten Stellenschlüssel auch einhalten. Wir versuchen natürlich, neue Mitarbeitende für uns zu gewinnen und bis dahin nicht besetzte Stellen mit Mitarbeitenden aus der Zeitarbeit aufzufüllen.“
Zu den Vorwürfen, geringfügig Beschäftigte gekündigt zu haben: „In unseren Caritas-Altenheimen haben wir in der direkten Versorgung und Begleitung der Bewohner/-innen drei Berufsgruppen: Pflege, Hauswirtschaft und Soziale Begleitung. Die Stellenschlüssel werden hierfür im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben mit den Kostenträgern verbindlich vereinbart. Die drei Berufsgruppen wirken interprofessionell zusammen, um eine bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Wir haben keine Kündigungen ausgesprochen, einige Mitarbeitende haben von sich aus gekündigt, andere werden innerhalb der Arbeitsabläufe anders eingesetzt. Die vorhandenen Aufgaben müssen möglichst zielgerichtet erledigt und gleichmäßig auf alle Mitarbeitenden verteilt werden. Notwendige strukturelle Anpassungen werden durch die Führungskräfte besprochen und erarbeitet und im interprofessionellen Team umgesetzt. Aktuell sind über 45 Vollzeitstellen besetzt. Es sind keine Stellen unbesetzt.“
Zu den vorgeworfenen Problemen in der Führungsstruktur: „Wir haben im Sonnengarten, so wie in anderen Caritas-Altenheimen, unterschiedliche Zusammensetzungen von Führungskräften. Franz Bachleitner als erfahrener Heimleiter ist ab April zuständig, die anderen Führungskräftestellen sind besetzt, zum Teil neu besetzt, werden aber intensiv begleitet aus dem Team der Geschäftsleitung und erfahrenen Führungskräften aus umliegenden Häusern.“
Zu der laut Mitarbeitern mangelnden Einarbeitung: „Wir haben ein Einarbeitungskonzept, das natürlich je nach Vorerfahrung der Mitarbeitenden individuell angepasst und vereinbart wird.“
Zu der vorgeworfenen mangelnden Wertschätzung: „Die Aussage ‚Die Pflegekräfte sind ihr Geld nicht wert‘ ist nicht getätigt worden. Wir wissen, was unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort leisten und wie wichtig sie sind. Es ist bedauerlich, dass dies nicht bei allen entsprechend ankommt.“