„Über Schutzstatus der Tiere nachdenken“
„Es wird immer schlimmer“: Droht die Krähen-Plage im Bad Aiblinger Kurpark zu eskalieren?
Von wegen Ruhezone: Mit viel Kot und Riesen-Lärm sorgen im Bad Aiblinger Kurpark die Saatkrähen-Kolonien für Ärger. Kurdirektor Thomas Jahn spricht von einer „einseitigen Entwicklung zulasten der Menschen“. Warum wirksame Maßnahmen dagegen kaum möglich sind – und es trotzdem Hoffnung auf Besserung geben könnte.
Bad Aibling – Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch in diesem Jahr die ersten kritischen Stimmen zu hören waren. Der Bad Aiblinger Kurpark leidet, wie auch die Jahre zuvor, unter einer massiven Krähen-Population, die von den Aiblingern meist als echte Plage empfunden wird. Etliche Saatkrähen sorgen dort auch in diesem Frühjahr wieder für ein teils ohrenbetäubendes Balz-Geschrei samt massiver Kot-Verschmutzung. Anwohner und Besucher beklagen die Umstände an jenem Ort, der eigentlich als Ruheoase gedacht ist. Dabei kommt auch die Frage auf, warum die Stadt Bad Aibling die Situation nicht effektiver bekämpft: „Warum wird gar nichts gemacht?“ Doch so einfach ist das sensible Thema nicht.
Denn tatenlos, so hieß es nun seitens der Stadtverwaltung, sehe man dem Problem natürlich nicht zu. Das Problem ist nur, dass der Kommune in vielerlei Hinsicht schlicht die Hände gebunden sind. Denn bei allem Ärger über die schwarzgefiederten Saatkrähen, die sich in den hohen Bäumen tummeln und dort häuslich einrichten, um den Nachwuchs auszubrüten und großzuziehen, sind die Möglichkeiten der Stadt, die Störenfriede zu vertreiben, äußerst eingeschränkt.
Ordnungsamtsleiter: „Wir sehen das Problem“
Zwar kam es auch im vergangenen Jahr zu Vergrämungsaktionen, bei denen Nester entfernt wurden. Allerdings nur diese, in denen sich keine Eier befanden. Hinsichtlich des Natur- und Artenschutzes ist dies eine wichtige Bedingung bei der Genehmigung seitens der Regierung von Oberbayern. Und so führten die Maßnahmen letztendlich nur zu einer Verlagerung des Problems, nicht zu einer Lösung. Bedingungen, die sich auch in diesem Jahr nicht geändert haben. Dennoch gibt es auf längere Sicht womöglich Hoffnung auf Besserung.
„Wichtig zu betonen ist, dass die Stadtverwaltung natürlich nicht die Fahnen streicht“, erklärt Aiblings Ordnungsamtsleiter Martin Haas nun gegenüber dem OVB. „Wir sehen das Problem und auch die Störung für die Bevölkerung, deshalb sind wir weiterhin am Ball.“ In den kommenden Wochen findet deshalb eine ornithologische Untersuchung statt, in der der Ist-Zustand analysiert wird. Mitte April könne man dann mehr über die Entwicklung der Zahlen sagen. „Gefühlt ist es aber mehr geworden“, sagt Haas.
Bad Aibling Teil eines Pilotprojektes
Neu ist, dass die Stadt Teil eines Pilotprojekts des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) ist. Laut Angaben der Bayerischen Staatsregierung habe das LfU aufgrund zunehmender Beschwerden von Bürgern, die in der Nachbarschaft von Saatkrähenkolonien leben, sowie von Gemeinden mit Kolonien das „Konzept zum Umgang mit Saatkrähenkolonien in Bayern“ erarbeitet. Dieses soll ein friedliches Nebeneinander der geschützten Vögel mit den Menschen in den drei bis vier Monaten der Brutzeit ermöglichen. „In manchen Fällen erscheint es aber unumgänglich, Saatkrähenkolonien zum Umzug zu bewegen“, heißt es seitens der Regierung. Das Konzept zeige solche Fälle auf und mache etwa Vorschläge für die Vergrämung.
Und was bedeutet das konkret für Bad Aibling? „Es heißt nicht, dass bei uns dieses Jahr schon aktiv etwas Neues ausprobiert wird“, erklärt Haas. Allerdings sei man durch das Pilotprojekt nah an den Überlegungen zu neuen wirksameren Lösungen dran und komme etwa schneller als andere Kommunen für weitere Versuche infrage. Für Haas einer der drängendsten Aufgaben: „Wir müssen unbedingt über den Schutzstatus der Krähen nachdenken.“ Dabei will er diesen gar nicht generell infrage stellen. „Vielmehr muss man das Ganze regional differenzierter betrachten“, sagt er.
Welche Maßnahmen wirksamer sein könnten
Denn in Regionen, in denen die Art bedroht ist, müsse sie auch geschützt werden. „Aber warum müssen die Krähen hier, wo sie überall Kolonien bilden und ein Problem für die Bevölkerung darstellen, diesen Schutzstatus behalten?“ Eine Frage, auf die er sich auch durch das Pilotprojekt irgendwann Antworten erhofft. Denn bislang gebe es für wirklich wirksame Maßnahmen zu hohe Hürden. Und das, was die Kommune angehen könne, führe dann zumeist nicht zum eigentlichen Ziel. „Problematisch ist zum Beispiel, dass wir bisher die Vergrämung nur in einem Teil des Kurparks genehmigt bekommen haben“, erklärt Haas.
Die Krähen würden dadurch jedoch nicht verschwinden, sondern lediglich in einen anderen Bereich des Kurparks umsiedeln. Und mit „geschaffenen Splitterkolonien“ sei niemandem geholfen, betont der Ordnungsamtsleiter und verweist auf die Intelligenz der Vögel, die mit den bisherigen Maßnahmen gut umzugehen wüssten. Gerade deshalb setzt auch Haas Hoffnungen in das LfU-Projekt. Mögliche Maßnahmen, die dabei untersucht würden, könnten sich etwa mit der bislang verbotenen Entnahme von Krähen-Eiern befassen.
Auch das Austauschen von echten Eiern mit künstlichen Eiern sei denkbar. „Allerdings muss man aus meiner Sicht auch über die Vergrämungsmaßnahmen hinaus über den Schutzstatus der Tiere nachdenken.“ Denn wenn etwa ein Greifvogel Krähen bei einer Maßnahme nur vertreiben, jedoch nicht töten darf, suchen sich diese eben einen anderen Baum. „Jetzt müssen wir einfach sehen, wohin die Reise geht“, so Haas.
Kurdirektor Jahn zur Krähen-Situation: „Schlimm und wird schlimmer“
Denn für ihn wie für viele Aiblinger Bürger ist klar, dass der jetzige Zustand kaum hinnehmbar ist. Davon kann vor allem Thomas Jahn, Bad Aiblings Kurdirektor, ein Lied singen. „Da die Tiere sich vermehren, steigen auch die bekannten Probleme“, erklärt er auf OVB-Anfrage und spricht vor allem von Lärm und Verkotung. Die Lage sei weiterhin mit steigender Tendenz „schlimm und wird schlimmer“, sagt Jahn. Die Vögel brechen zum Nestbau Zweige der Bäume ab, drücken die Baumkronen auseinander, die Entwicklung wird exponentiell größer und es ist nicht zu verstehen, dass der Schutz der Tiere vor dem Schutz der Menschen steht, ärgert sich der Kurdirektor.
„Menschen und Tiere müssen nebeneinander existieren können – so ist es aber eine einseitige Entwicklung zulasten der Menschen.“ Demnach sollte der Kurpark, insbesondere der innere Teil, der am meisten von den Krähen betroffen ist, als Ruhezone sowohl für Bürger als auch Gäste dienen. „Die schiere Anzahl der Tiere und deren Lärm lässt den Begriff ‚Ruhezone‘ einfach nicht mehr zu“, stellt Jahn klar. Zwar könne er die steigende Tendenz nicht mit Zahlen belegen. Aber: „Mein Team und ich zählen die Nester nicht, jedoch genügt ein simpler Blick aus dem Büro, um zu sehen, dass die Bäume in der Zwischenzeit komplett voll mit Nestern sind.“ Somit sei klar, dass es auch in diesem Jahr wieder mehr Vögel geworden sind, die im Kurpark nisten.