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Bad Aibling und das Lärmproblem

Riesengeschrei und alles voller Kot: Was die Stadt jetzt gegen die Krähenplage unternimmt

Ordnungsamtsleiter Martin Haas (links) und Christian Hilz vom Bauhof, rechts mit Hündin Wally, dokumentieren die Anzahl und Lage der Saatkrähennester im Aiblinger Kurpark.
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Ordnungsamtsleiter Martin Haas (links) und Christian Hilz vom Bauhof, rechts mit Hündin Wally, dokumentieren die Anzahl und Lage der Saatkrähennester im Aiblinger Kurpark. 

Sie sind wieder da: In immer mehr Bereichen bevölkern Saatkrähenkolonien Bad Aibling. Ihr lautstarker Austausch untereinander lässt keine ruhige Minute zu. Und: Sie koten den halben Kurpark voll. Um Abhilfe zu schaffen, hat die Stadt rechtlich wenig Möglichkeiten. Eine davon will sie aber nun nutzen.

Bad Aibling – Morgens, 4.15 Uhr, klappen, besser gesagt knallen in der Madau und in weiteren Aiblinger Stadtvierteln die Fenster zu: „Um diese Uhrzeit geht es meist mit dem Lärm los“, sagt Rudi Gebhart, dessen Zuhause von zwei Seiten beschallt wird. Seit rund drei Jahren lebt das ganze Quartier zu dieser Jahreszeit Seite an Seite mit Scharen von Saatkrähen, deren Lärm zeitweise ohrenbetäubend ist.

Eine Flucht beispielsweise in den Kurpark, eigentlich ausgewiesen als Ort der Ruhe und Erholung mitten in der Stadt, hilft da auch nichts mehr. Denn auch dort hört man die schwarzgefiederten Gesellen schon von Weitem, die sich in den hohen Bäumen tummeln und häuslich einrichten, um hoch oben den Nachwuchs auszubrüten und großzuziehen. Auch die Mitarbeiter der Kur- und Touristinformation schließen da entnervt das Fenster.

Der Landesbund für Vogelschutz Rosenheim hat die Anzahl der Saatkrähen-Brutpaare in den vergangenen Jahren auch für Bad Aibling dokumentiert.

Wie groß die Kolonien im Stadtgebiet heuer sind, hat Martin Haas, Leiter des städtischen Ordnungsamtes, zusammen mit Christian Hilz vom Bauhof jetzt dokumentiert – eine Voraussetzung für eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung durch die Regierung von Oberbayern: Damit die Ansiedlungen nicht Jahr für Jahr weiter anwachsen und sich neue Splittersiedlungen wie etwa in Harthausen bilden, gestattet diese Ausnahmegenehmigung, die Saatkrähen vor Beginn der Brutzeit zu vergrämen. Die Mittel und Erfolge sind indes sehr beschränkt, wie der Ordnungsamtsleiter weiß.

Zuerst fliegt die Drohne über die Kolonien

Doch wird man nach 2021 heuer erneut versuchen, die Nester von den Bäumen zu holen. Trotz Genehmigung ist auch das nicht so einfach. Ganz abgesehen davon, dass – wie die Erfahrungen aus dem Jahr 2021 zeigen – die Tiere in der Regel sofort wieder mit dem Bau beginnen. Jedenfalls kommt nun, nachdem Anzahl und Lage der Nester dokumentiert sind, eine Drohne zum Einsatz. Aus Beweissicherungsgründen: „So können wir aus der Luft erkennen, ob bereits Eier in den Nestern liegen. Denn wenn das der Fall ist, dürfen die Nester nicht mehr entfernt werden“, so Haas, der sich in den vergangenen Jahren tief in die Materie eingearbeitet hat.

Heuer muss der Kammerjäger ran

Ansonsten geht es mit der Arbeitshubbühne hinauf in die Lüfte. Die Arbeit wird in diesem Jahr ein Kammerjäger übernehmen – und auch das hat seine Gründe: „Wenn die Tiere merken, dass man ihnen zu nahe kommt, verteidigen sie ihren Nistplatz, unter anderem dadurch, dass sie den Angreifer ankoten. Deshalb ist dazu eine richtige Schutzausrüstung erforderlich.“ Für das beauftragte Kammerjäger-Unternehmen ist das im Übrigen der erste Einsatz in Sachen Krähenvergrämung, wie die OVB-Heimatzeitungen auf Anfrage erfuhren.

„Die sind neu“: Kurdirektor Thomas Jahn zeigt auf die Nester in Nachbars Garten. 

Die Nester werden sodann entsorgt, so dass die Tiere die Bestandteile nicht erneut als Nistmaterial nutzen können. Doch das ficht die Krähen nicht an: Bereits jetzt bedienen sie sich am wohlgepflegten Rasen vor dem Kurhaus und rupfen dort Gras und Mutterboden – offenbar ein beliebtes Polstermaterial – aus. Die Stadtgärtner müssen die Löcher immer wieder auffüllen.

Sitzbänke unter den Bäumen voller Kot

Eine ganze Reihe von Sitzbänken unter den Bäumen hingegen mussten sie bereits abmontieren: „Unmöglich, dort noch zu sitzen. Alles voller Kot“, wettert Kurdirektor Thomas Jahn, der von seinem Bürofenster aus fast alle Nester in Sicht- sowie alle Krähen in unmittelbarer Hörweite hat. Entsprechend entnervt ist er im vierten Jahr der unerwünschten Kurparkbesiedlung.

Denn während der Landesbund für Vogelschutz Rosenheim dort im Jahr 2017 noch keine Brutpaare auf seinen Karten verzeichnet hatte, waren es 2018 bereits elf. Womöglich jene elf, die man im Jahr zuvor – vor der Erweiterung des Wohnmobilparkplatzes im Thermenwäldchen, aus dem sie daraufhin verschwunden sind – gezählt hatte. Im Jahr 2019 waren es dann schon 20 Kurpark-Nester. 2020 stieg die Zahl auf 27, 2021 auf 92 und im vergangenen Jahr auf 116. In der vergangenen Woche zählten Haas und Hilz allein im inneren Kurpark 131 Brutpaare.

Ob die Vergrämungsmaßnahme etwas bewirkt hat, wird in rund zwei Wochen bei einer weiteren Begehung gecheckt. Nicht nur im Kurpark, sondern auch in der Madau, in Harthausen, an der Mangfall, Höhe Triftbach, Kampenwand- und Willinger Straße, wo die Probleme ebenfalls bestehen.

LBV: „Wie Teufel mit Beelzebub austreiben“

Nach dem Bundesnaturschutzgesetz gehört die Saatkrähe zu den besonders geschützten europäischen Vogelarten. Zwar hatte das Bayerische Kabinett jüngst einen Vorstoß nach Berlin unternommen, die Bundesregierungs solle in Brüssel darauf hinwirken, dass die Saatkrähe auch für Deutschland in die Liste der jagdbaren Arten im Anhang der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgenommen wird und somit eine Bejagung zugelassen werden kann.

„Doch das hat der Bundesrat vor wenigen Tagen mit 14:2 Stimmen abgelehnt“, weiß Dr. Andreas Lindeiner, Fachbeauftragter des Bayerischen Landesbunds für Vogelschutz (LBV). Er ist sich ohnehin sicher: „Das Abschießen wird nirgends funktionieren, denn dann gehen sie erst recht in die Städte. Sie wissen, dass ihnen dort nichts passiert.“ Auch die rechtlich möglichen Vergrämungsmaßnahmen hält er für wenig wirksam. Diese führten entweder dazu, dass sich die Tiere an anderer Stelle ansiedeln oder Splittersiedlungen bilden. „Das ist, als ob Sie den Teufel mit dem Beelzebub austreiben wollen.“

Dass sich die Saatkrähe immer mehr in bewohnten Gebieten ansiedelt, wird darauf zurückgeführt, dass ihre natürlichen Lebensräume durch Versiegelung der Landschaft immer mehr verschwinden und zudem das Nahrungsangebot in Form der Wohlstandsabfälle der Städte groß und leicht zu erreichen ist. „Das geht schon mit dem los, was die Menschen in ihren Gärten kompostieren“, meint Lindeiner, der der Überzeugung ist, dass nur gemeinsam etwas zu erreichen ist.

So müssten die Bedingungen für die Tiere außerhalb der Städte verbessert werden sowie innerorts so weit verschlechtert werden, dass sich nicht dort nicht mehr so viele Paare ansiedeln. Als ein Beispiel nennt er das Elsass, wo die Kolonien in Alleen brüten, wo sie niemanden mit Lärm oder Dreck störten.

Mit einer Beschallung durch Greifvogelgeschrei werde man es indes nicht versuchen. Damit hatten bereits andere Kommunen, wie die Nachbarstadt Rosenheim, keinen Erfolg. Und auch vom Einsatz eines Wüstenbussards sieht die Stadt nach Gesprächen mit einem Falkner ab.

Denn: „Auch ein Greifvogel darf die Saatkrähe nur vertreiben, aber weder verletzen noch töten. Dazu muss er lernen, wie eine exakte Vergrämung funktioniert. Wenn die Krähen aber merken, dass ihnen keine wirkliche Gefahr droht, gehen sie ihrerseits auf den Greifvogel los. Da die Falkner aber viel Zeit in die Ausbildung ihrer Tiere stecken und ein solches dann auch eine Menge Geld wert ist, lassen sie sich gar nicht darauf ein. Zu groß ist das Risiko, dass das Tier verletzt wird“, erklären Schlier und Haas. Die Ablage von drei bis sechs Eiern beginnt im Übrigen Ende März oder Anfang April, und nach etwa 17 Tagen Brutzeit schlüpfen die Jungvögel.

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