Die Umstellung und die Folgen für die Fahrgäste
Der MVV-Tarif kommt: Warum der Wasserburger Stadtbus ab Dezember nicht mehr der alte ist
Der Landkreis Rosenheim ist dem MVV-Tarifverbund beigetreten. Das freut auch den Wasserburger Stadtrat. Eigentlich. Denn es gibt ein paar Probleme. Warum der MVV den Stadtbus aus der Spur bringt. Und was das für die Fahrgäste bedeutet.
Wasserburg - Gut ein Jahr gibt es den neuen Wasserburger Stadtbus - mit engerem Takt, neuen Fahrzeugen, 2022 eingeführtem Tarifsystem, extra angeschafften Automaten. Ein großer Wurf. Doch Ende dieses Jahres sind viele dieser Änderungen wieder obsolet. Denn zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember wird auch die Tarifumstellung vollzogen, die mit dem Beitritt des Landkreises zum MVV verbunden ist.
Kreistagsbeschluss begrüßt
Grundsätzlich begrüßt der Stadtrat den Entschluss des Kreistages, dem Münchner Verkehrs-und Tarifverbund (MVV) beizutreten. Denn Wasserburg liegt am Schnittpunkt mehrerer Systeme: von Bahn, RBO, MVV, RVO, RBO, es gelten außerdem noch die Tarife von Stadtbus und Firma Hilger. Ein Durcheinander, das verwirrt, verärgert, vom Busfahren abhält - und das mit dem Beitritt des Landkreises zum MVV endlich beendet wird, freut sich Bürgermeister Michael Kölbl (SPD). Außerdem stehe fest: Die MVV-Einführung bringe für den Fahrgast in der Regel überörtlich gesehen günstigere Ticketpreise. Der Nutzungsbereich werde außerdem stark erweitert.
Bürgerin in Sorge
In der Bürgerfragestunde im Stadtrat konnte der Rathauschef deshalb eine Einwohnerin beruhigen: Das ganze Stadtgebiet gelte ab Dezember als Kurzstrecke. Auf der Karte werde dann ein Streifen abgehakt, der Preis von heute werde vermutlich gehalten. Trotzdem: Die Jahreskarten beispielsweise werden sich durch den MVV-Beitritt im Vergleich zum Stadtbus deutlich erhöhen, so Kölbl. Und es gibt ein weiteres Problem: Die sechs Fahrkartenautomaten, die extra für den Stadtbus eingerichtet worden sind, werden die MVV-Streifenkarten nicht annehmen. Die Geräte sind also ab dem 10. Dezember überflüssig. Dabei hatten sie eine wichtige Aufgabe erfüllt: Hier zogen die Fahrgäste in der Regel ihre Tickets, der Busfahrer musste sie dann nicht mehr abstempeln. Das war laut Stadtverwaltung eine spürbare zeitliche Entlastung und Grundvoraussetzung dafür, dass der Stadtbus den neuen Halbstundentakt überhaupt einhalten konnte.
Der MVV-Karten-Vertrieb läuft jedoch anders: über eigene Automaten (etwa in der U-Bahn), über private Verkaufsstellen, DB-Fahrkartengeräte (in Wasserburg nur am Bahnhof in Reitmehring), Abos und Apps. Apropos App: Die Stadt wollte für den Stadtbus eine einführen. Das ist zum Ärgernis vieler Fahrgäste bis dato noch nicht gelungen, weil es Probleme mit Anbietern und Lieferschwierigkeiten gab. Jetzt hat sich diese Angelegenheit von selbst erledigt. Die Stadt hat deshalb die weitere Umsetzung der App gestoppt.
Zeitkarten verlieren Gültigkeit?
Es gibt jedoch noch ein weiteres Problem: Die alten Tickets nach dem Stadtbus-System verlieren vermutlich ihre Gültigkeit, wenn der 10. Dezember 2023 gekommen ist - auch etwa bei den Zehner-Karten, so Kölbl.
Es gibt also noch viel zu tun, um die von vielen gewünschte MVV-Einführung zu stemmen und den Start zum Fahrplanwechsel im Winter nicht zu holprig zu gestalten. Der Bürgermeister spricht von einer „organisatorischen Herausforderung“. Notwendig seien Übergangsregelungen. Außerdem müsse sich die Stadt Gedanken machen, wo sie Verkaufsstellen einrichten können - in der Touristinfo beispielsweise oder bei der Post, so Kölbl. Wirtschaftsreferent Christian Klobeck bot die Mithilfe des Wirtschaftsförderungsverbandes (WFV) an, Vorschläge zu unterbreiten. Die Stadt hofft außerdem dass die Kunden bewogen werden können, Tickets vor allem online zu kaufen - über Apps des MVV. Denn die Busfahrer sollen vom Verkauf entlastet werden, damit die enge Taktung nicht ins Trudeln gerät. Außerdem wurden bisher beim Stadtbus Jahreskarten um 50 Prozent bezuschusst, wenn die Inhaber Berechtigte für den Wasserburg-Pass waren. Diese Förderung soll es in dieser oder ähnlicher Form auch bei den MVV-Jahrestickets geben - nur wie, das muss erst beraten werden, hieß es.
SPD-Fraktionsvorsitzende Friederike Kayser-Büker, zeigte sich erfreut darüber, dass der MVV-Beitritt endlich geschafft sei. Vieles werde dadurch einfacher für Fahrgäste. Verlierer seien jedoch die Jahreskarten-Besitzer, darunter viele Familien mit schulpflichtigen Kindern. Wichtig sei außerdem die Digitalisierung des Systems - und dass es in jedem Stadtteil Verkaufsstellen gebe. Die Fraktionsvorsitzende von CSU/Wasserburger Block, Heike Maas, bekräftigte die Bedeutung der Verkaufsstellen, schließlich gebe es in Wasserburg noch immer viele Fahrgäste, die keine App nutzen würden. „Wir müssen auch an unsere Senioren denken.“ Außerdem sei es wichtig, dass die Stadt rechtzeitig reagiere, damit es mit abgelaufenen Karten oder nicht mehr gültigen Zeit-Tickets keine böse Überraschungen gebe.
Noch Herr des Verfahrens?
Norbert Buortesch, Fraktionsvorsitzender von Bürgerforum/Freie Wähler/ÖDP, fragte an, ob die Stadt trotz MVV-Beitritt nach wie vor Herr des Verfahrens sei, wenn es um einen weiteren Bus nach Attel Richtung Edling gehe. Hier liege schließlich ein Antrag seiner Fraktion vor. Kölbl betonte, der Wunsch sei bereits übermittelt worden an die zuständige Rosenheimer Verkehrsgesellschaft (RoVG), das Verfahren laufe. Kayser-Büker erinnerte an den Problemfall Großklinikum, wo nach wie vor eine zentrale Busanbindung fehle.
Sepp Baumann, Kreisrat der Freien Wähler Reitmehring/Wasserburg, appellierte: „Wir müssen verdammt aufpassen.“ Der MVV-Beitritt sei eine gute Sache, doch er habe Bauchweh, weil er fürchte, dass die Stadt bei den Tarifen nicht mehr „mitschnabeln“ könne. Der Bürgermeister erinnerte daran, nicht die Kommune habe die MVV-Einführung beschlossen, sondern der Landkreis. Er sei zuständig für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), nicht die Stadt oder der Stadtrat.