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So reagiert die Klinikleitung

Folgenschwerer „Geburtsfehler“? Zugang zum neuen Wasserburger Klinikum sorgt für Entrüstung

Unser Luftbild zeigt angedeutet, wie lang der Weg beispielsweise von der Bushaltestelle am Schwesternwohnheim bis zum Haupteingang des neuen Großklinikums ist.
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Unser Luftbild zeigt angedeutet, wie lang der Weg beispielsweise von der Bushaltestelle am Schwesternwohnheim bis zum Haupteingang des neuen Großklinikums ist.

Bürgermeister Michael Kölbl spricht von einem „Geburtsfehler“, der Behindertenbeirat von einem „Unding“. Die Tatsache, dass das neue Wasserburger Großklinikum keine behindertengerechte direkte Busanbindung hat, löst großes Unverständnis aus. Was ist da schiefgegangen? Eine Spurensuche.

Wasserburg – Ministerpräsident Markus Söder fand bei der Einweihung im Frühjahr, das neue Klinikum spiele in der Championsleague. Gesundheitsminister Klaus Holetschek war bei seinem Besuch jüngst ebenfalls sehr angetan vom Neubau. In ihm vereinen sich – räumlich – zwei Häuser: das kbo-Inn-Salzach-Klinkum und Romed Wasserburg, gemeinsam erbaut von zwei Krankenhausträgern: der Klinikgesellschaft von Stadt und Landkreis (Romed) sowie vom Kommunalunternehmen für die Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo). Auch optisch ist der Neubau ein Volltreffer: Trotz seiner gewaltigen Ausmaße integriert sich das Klinikum gut in die Parklandschaft in Gabersee. ISK und Romed bekommen hier außerdem die Chance, ihr Leistungsspektrum – vor allem auch in der Notfallmedizin – deutlich zu erweitern.

Vorzeigeprojekt mit einem Makel

Ein Vorzeigeprojekt also, da sind sich alle einig. Doch es gibt einen Makel, der alles andere als zukunftsweisend erscheint. Die Tatsache, dass Busfahrgäste weite Wege von den Haltestellen bis zum Haupteingang zurücklegen müssen, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Warum die Haltestelle vor dem Zentralempfang in den Ausführungsplänen eingezeichnet war, es sie jetzt aber – noch? – nicht gibt, erscheint rätselhaft.

Verärgert ist darüber auch der Behindertenbeirat in Wasserburg. Bei einem Ortstermin zeigen zwei Vertreter des Gremiums, Doreen Bogram und Ingo Hesse, welche „Marathon-Strecke“ Menschen, die sich aufgrund ihres Alters oder Gebrechlichkeit mit dem Gehen schwer tun oder auf Rollator und Rollstuhl angewiesen sind, zurücklegen müssen. An der Münchner Straße steigen die Fahrgäste aus. Dann geht es Richtung Kreisel, einen Fußweg entlang am ISK-Verwaltungssitz und weiter Richtung Neubau. Das dauert.

Wer an der Bushaltestelle Schwesternwohnheim aussteigt und auf Barrierefreiheit angewiesen ist, findet einen landschaftlich attraktiven, aber langen Weg. Denn zum Ausgleich der Höhenunterschiede schlängelt sich dieser für Menschen mit Handicaps in mehreren Kurven Richtung Zufahrtsstraße des Klinikums. Bei sommerlicher Hitze ein anstrengendes Unterfangen für ältere, behinderte oder nicht so fitte Menschen, finden Bogram und Hesse. Die Straße vor dem Haupteingang hat keinen Gehweg, rechts parken hier derzeit Pkw, es gibt Begegnungsverkehr. Und hierüber fahren auch alle den Haupteingang an, die Insassen aus dem Auto kurz aussteigen lassen wollen, weisen sie auf ein weiteres Problem hin.

Bogram erlebt beim Ortstermin mit der Wasserburger Zeitung außerdem eine Überraschung: Eine Haltebucht für den Bus in der Zufahrtsstraße zum Haupteingang ist bereits angelegt.

Stadtbus kann nicht einschleifen

Ende gut, alles gut? Bürgermeister Michael Kölbl schüttelt den Kopf. Denn der Stadtbus, der im Halbstundentakt fährt, habe keine Zeit, um zweimal in der Stunde auf das Gelände ein- und auszuschleifen. Die Züge am Bahnhof Reitmehring würden nicht mehr erreicht. Anfahren könnte der Stadtbus die Haltebucht also nur einmal pro Stunde. Außerdem weist Kölbl auf ein weiteres grundsätzliches Problem des Busverkehrs zum Klinikum hin: Angebunden seien nur Stadtbewohner. „Was ist mit den überregionalen Linien? Die fahren ja am Klinikum vorbei.“ Auch dazu seien noch Gespräche mit dem RVO notwendig, denn das Ein- und Ausfahren wirke sich auf den Fahrplan aus. Außerdem liege die Entscheidung zu einer möglichen Änderung beim Stadtbus-Takt beim Stadtrat.

Auch vom Parkplatz aus ist es ziemlich weit

Kölbl ist zwar bewusst, dass die bereits angelegte Haltebucht besser anzufahren ist, wenn der nächste Bauabschnitt am Klinikum mit Abriss eines Gebäudes in der Nähe erfolgt ist. Trotzdem findet er: Eine Haltstelle gehöre direkt vor den Haupteingang. Möglich wäre es außerdem, die Bushaltestelle am Schwesternwohnheim zu nutzen, für den barrierefreien Umbau hat die Stadt vorsichtshalber Geld in den Haushalt eingestellt. Doch von hier aus geht es dann wieder los mit einem zwar nicht so langen, aber aufgrund einer Unterführung und großen Steigungen beschwerlichen Marsch Richtung Haupteingang. Kölbl findet deshalb, im Norden des Neubaus hätte ein weiterer Zugang eingeplant werden müssen.

Vorne im Bild ist die Haltebucht zu sehen. Sie liegt an der Zufahrtsstraße zum Haupteingang, etwa 100 Meter von ihm entfernt. Kann der Bus hier anfahren?

Der Bürgermeister hat jedoch einen Lösungsvorschlag: ein Shuttledienst, der zwischen Bushaltestellen an der Münchner Straße und Haupteingang hin und her fährt. Und auch den Parkplatz mit ansteuert, denn von hier aus haben Autofahrer, die nicht gut zu Fuß sind, ebenfalls eine ziemlich weite Strecke zu laufen, bis sie den Eingang erreicht haben.

Das sagt der ISK-Geschäftsführer

Wie das Problem der Busanbindung an den gemeinsamen Neubau von kbo-Inn-Salzach-Klinikum und Romed-Klinik gelöst werden kann, soll eine Studie klären. Sie ist im Herbst 2021 von ISK und Romed beauftragt worden – als Ergebnis einer von Seniorenreferentin Friederike Kayser-Büker und dem Behindertenbeirat vor einem Jahr beantragten Begehung in Gabersee, an der auch Landrat Otto Lederer, Vertreter der Kliniken, der Stadt und des Behindertenbeirats teilgenommen hatten. Die Machbarkeitsstudie spielt alle Optionen auf Durchführbarkeit und technischen sowie finanziellen Aufwand durch. Dass jetzt bereits eine Haltebucht vor einem Gebäude an der Zufahrtsstraße und in ihren Augen viel zu lange Wegeverbindungen auf dem Gelände erstellt worden sind, ohne mit dem Behindertenbeirat zu sprechen, empfindet Vertreterin Doreen Bogram als Aktionismus. Die versprochene Kommunikation der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie habe noch nicht stattgefunden, stattdessen seien bereits Fakten geschaffen worden, klagt sie.

Doreen Bogram und Ingo Hesse vom Behindertenbeirat sehen das Gremium übergangen. Hinter der barrierefreie Weg Richtung Neubau.

Die Kritik weist Dr. Karsten Jens Adamski, Geschäftsführer des ISK, zurück. Er betont, der Bau der Haltebucht sei lediglich eine Interimslösung. Im Bebauungsplan sei vor dem Haupteingang ein Wendehammer mit Haltemöglichkeit für den Bus vorgesehen. Dies könne derzeit jedoch noch nicht verwirklicht werden, da erst im nächsten Abschnitt Gebäude in der Nähe des Neubaus abgerissen würden, die den notwendigen Platz schaffen sollten. Die Haltebucht sei deshalb etwa 100 Meter entfernt übergangsweise bereitgestellt worden, so Adamski.

Die Ergebnisse der Studie lägen jetzt zwar vor, würden jedoch zuerst mit allen Beteiligten besprochen. Im Herbst stehe beispielsweise ein Gesprächstermin mit den Busunternehmen an.

Weiterer Eingang im Norden nicht machbar

Adamski unterstreicht das Bemühen der Kliniken, auf dem Gelände des Bezirks eine Lösung zu finden. Die Wege von den Haltestellen am Kreisel seien in der Tat zu lang, die Strecke von der B 304 aufgrund von Höhenunterschieden zu beschwerlich für nicht so mobile Besucher und Patienten. Seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr habe er sich persönlich stets für eine Lösung eingesetzt, betont Adamski. Ein Ansatz in seinen Augen: ein Stadtbus, der nur einmal statt zweimal pro Stunde das Klinikgelände anfahre. Zur vollen Stunde könnte ein zusätzlicher Shuttle eingesetzt werden, der zwischen Haltestellen, Parkplätzen sowie Haupteingang hin- und herfahre.

ISK-Geschäftsführer Dr. Karsten Jens Adamski.

Ein weiterer Eingang im Norden, das habe die Machbarkeitsstudie ergeben, sei aufgrund der Höhen nur mit großem Aufwand umzusetzen. Die Zufahrtsstraße zum Haupteingang werde noch entschärfte, nach dem Abriss zweier Gebäude werde der Umgriff der Sackgasse größer. Das Parken am Rand werde auf Dauer nicht mehr erlaubt.

Bauausschuss nichtöffentlich vor Ort: Das sind die Ergebnisse

Nichtöffentlich hat der Bauausschuss sich am Donnerstagabend auf Antrag der Grünen sowie von SPD/Linker Liste ein Bild der Lage vor Ort gemacht. Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) teilt auf Anfrage der Wasserburger Zeitung mit, ein Beschluss sei nicht gefasst worden. Er freue sich jedoch sehr darüber, dass ISK- Geschäftsführer Dr. Karsten Jens Adamski bei der Begehung die Bereitschaft signalisiert habe, einen Shuttleservice anzubieten. Das sei auf jeden Fall eine erste Verbesserung der Lage. Als nächster Schritt ständen nun Gespräche mit den Busunternehmen an – unter anderem auch zur Frage, ob ein Probebetrieb mit Anfahrt der provisorischen Haltebucht einmal in der Stunde möglich sei.

Seniorenreferentin: „Nach vorne schauen“

Seniorenreferentin Friederike Kayser-Büker, auch Fraktionsvorsitzende von SPD/Linke Liste, unterstreicht auf Anfrage, jetzt gelte es, trotz der berechtigten Verärgerung, nicht länger zurückzublicken, sondern nach vorne. „Wir müssen schauen, was geht.“ Mit Spannung sei deshalb die Machbarkeitsstudie erwartet worden. Da jedoch die Stellungnahme des Staatlichen Bauamtes zu möglichen Anbindungen der Bundesstraßen noch fehle, könne derzeit noch keine Handlungsoption abgeleitet werden. Zeitnah müssten sich jetzt alle Akteure zusammensetzen. auch der Behindertenbeirat sei erneut einzubinden, ebenso die Busunternehmen, so Kayser-Büker weiter.

Notwendig sei eine kurzfristige Lösung, denn bis zur Fertigstellung des Gesamtkomplexes Klinikum dauere es ja noch ein paar Jahre. Menschen mit Handicap seien die langen Wege auf keinen Fall zumutbar. Ein Shuttleservice sei ein erster Anfang, die Problematik in den Griff zu bekommen.

Die überraschend gebaute provisorische Haltebucht sei Sache des Bezirks. Was dieser auf seinem Gelände anbiete, habe die Stadt nichts anzugehen. Sie finde es nur schade, dass die Busunternehmen nicht vorher eingebunden worden seien zur Frage, ob das Bauwerk hier Sinn mache.

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