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DB-Projektteam stellt Vorplanungen in Großkarolinenfeld vor

Aus für Herzensprojekt? Brenner-Nordzulauf zerstört in Ödenhub den Traum junger Bauern

Jenny und Georg Dürr (von links) im Gespräch mit DB-Planer Steven Schäuble. Die Baupläne zeigen, was in diesem Bereich geplant ist.
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Was wird aus ihrem Herzensprojekt? Die Landwirte Jenny und Georg Dürr (von links) erklären DB-Planer Steven Schäuble, wie stark sie vom Brenner-Nordzulauf betroffen sind. Er kreuzt mit zweispuriger Neubaustrecke, drei Straßenverlegungen und einem Regenrückhaltebecken ihre landwirtschaftlichen Flächen.

Die einen bangen um ihre Existenz, andere stellen den Bedarf infrage, wieder andere fürchten um ihren Bergblick – die Reaktionen auf die Vorplanungen für den Brenner-Nordzulauf in Großkarolinenfeld waren vielseitig. Diskutiert wurde hart, aber sachlich.

Großkarolinenfeld – Jenny und Georg Dürr aus Ödenhub gehören zu jenen Landwirten im Gemeindegebiet, die sich ernsthafte Sorgen um ihre Existenz machen. Sie haben nach neuesten Tierwohlstandards gerade einen Stall gebaut, eine Million Euro investiert. Geht es nach der Deutschen Bahn, müssen ihre Grünflächen dem Brenner-Nordzulauf weichen. Für die Neubaustrecke, die zweispurig quer über ihre Felder in Richtung Deutelhausen führen soll. Für die Verlegung der Staatsstraße 2080, eine neue Ortszufahrt nach Ödenhub, eine neue Zufahrt zu ihrem Stadl im Wald, ein Regenrückhaltebecken. Mindestens acht Hektar verlieren sie. Dabei sind Baustelleneinrichtungen noch nicht geplant. Die könnten auch auf ihrem Grund noch hinzukommen.

„Für mich fühlt sich das irgendwie unwahr an. Ich kann‘s gar nicht glauben“, sagt Jenny Dürr, auch wenn sie sich mit den Planungen schon intensiv beschäftigt hat. Ihre Landwirtschaft ist das „Herzensprojekt“ der jungen Familie. Es aufzugeben, kommt für sie nicht infrage. „Die Straße zum Stadl brauchen wir nicht, viel wichtiger ist uns der Erhalt der Ackerflächen“, ringt Georg Dürr im Gespräch mit dem Projektteam der Bahn um jeden Quadratmeter Land. „Es ist gut, dass sie da sind, und wir über ihren konkreten Fall sprechen können“, sagt Planer Steven Schäuble, denn „wir wollen die Menschen erreichen, die betroffen sind.“

Wie die Trasse die Gemeinde quert

In Großkarolinenfeld wird der Planungsabschnitt Ostermünchen-Innleiten vorgestellt. Gespannt verfolgen die Besucher die Videosimulation. Die Neubautrasse kommt über die Verknüpfungsstelle in Kronbichl, den neuen Bahnhof in Ostermünchen, einer sechsspurige Trasse inklusive Überholspuren bei Aubenhausen im Gemeindegebiet von Großkarolinenfeld an. Im Bereich von Bach zweigt eine zweispurige Strecke nach Rosenheim ab, bindet die Stadt an und führt an der Verknüpfungsstelle Niederaudorf wieder zurück auf die neue Brenner-Nordzulauf-Trasse.

Einschnitte, Dämme, Vorlandbrücken

In der Gemeinde Großkaro passiert die Strecke hügeliges Gelände in Einschnitten, auf Dämmen und Vorlandbrücken. Kreuzungs- und Brückenbauwerke entstehen. Von Mintsberg bis zur Innbrücke wurde im Schechener Gemeindegebiet eine Kombilösung aus Damm- und Brückenabschnitten geplant, die den Flächenbedarf verringern soll. Staatsstraße 2080 und Kreisstraße RO 29 müssen verlegt werden. Wie gewaltig die Bauwerke sein werden, verrät der simulierte Blick in die Zukunft nicht.

Interessiert verfolgen die betroffenen Menschen aus der Gemeinde Großkarolinenfeld die Videosimulation für den Brenner-Nordzulauf. Sie können sich ein zynisches Lächeln nicht verkneifen, denn sie wissen, dass der Bau der neuen Trasse nicht so harmlos wird, wie das Video zu vermitteln scheint.

„Wird das wirklich so harmlos?“

„Wird das so harmlos, wie es auf den Bildern aussieht?“, merkt Jakob Wallner vom Brennerdialog Rosenheimer Land kritisch an. Er ist Landwirt in Thonbichl und seit Jahren in den Brenner-Dialogforen aktiv. Am Infostand vor dem Rathaus gibt er mit den Mitstreitern der Bürgerinitiative den Besucher Anregungen für Fragen an die Bahn.

Sinnfragen sind sinnlos

Sinnfragen zum Projekt seien sinnlos, denn die Deutsch Bahn agiere im Auftrag des Bundes, so ein Hinweis. Und doch kommen in den Gesprächen mit den Planern auch immer wieder Sinnfragen und Zweifel am tatsächlichen Bedarf auf. „Zwischen Rosenheim und Kufstein gibt es keinen Engpass“, betont Prof. Dr. Roland Feindor. Er hat sich intensiv mit dem Projekt beschäftigt und weiß: „Die Bestandsstrecke ist in diesem Bereich mit 180 Zügen am Tag nur zur Hälfte ausgelastet. Nach Prognose der deutschen, österreichischen und italienischen Bahnen werden für 2040 nur etwa 360 Züge erwartet. Die Kapazität der Bestandsstrecke kann auf 400 Züge pro Tag erhöht werden.“

DB-Projektabschnittsleiter Dieter Müller (von links) im Gespräch mit Lothar Thaler, Prof. Dr. Roland Feindor und Margit Kraus vom Brennerdialog Rosenheimer Land.

Neue Kosten-Nutzen-Rechnung in Arbeit

Bedarf und Kosten würden im Moment neu berechnet, informiert das Projektteam der Bahn. Kosten und Nutzen würden noch einmal abgewogen, bevor das Projekt 2025 dem Bundestag vorlegt werde. Professor Feindor dazu: „Laut der letzten vorliegenden Studie von 2017 im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums liegt der Nutzen bei weniger als 80 Prozent der damals angenommenen Kosten von lächerlichen 1,8 Milliarden Euro. Bei Kosten von zehn Milliarden Euro läge danach der unveränderte Nutzen bei weniger als 15 Prozent der Kosten.“

Ist Alternativkonzept nur „Augenwischerei“?

Der Brennerdialog hat ein Alternativkonzept erarbeitet und stellt seine Argumente für den Ausbau der Bestandsstrecke an diesem Abend vor dem Rathaus in Großkarolinenfeld vor. „Das ist Augenwischerei, der Versuch, die Problematik zu verniedlichen“, kritisiert Großkaros Bürgermeister Bernd Fessler die Argumentation der Bürgerinitiativen. Die Forderung nach einem Ausbau der Bestandsstrecke komme einer Verlagerung der Betroffenheiten von außen in dicht besiedelte Bereiche gleich. Davon wären weitaus mehr Menschen betroffen. „Der Ausbau der Bestandsstrecke mitten in den Ortschaften wäre wie eine jahrelange Operation am offenen Herzen“, sagt DB-Projektleiter Matthias Neumair.

In der Gemeinde Großkarolinenfeld teilt sich die vierspurige Neubaustrecke im Bereich von Bach. Auch hier sind landwirtschaftliche Existenzen bedroht. Zwei Spuren führen nach Rosenheim, um die Stadt anzubinden. Zwei Spuren führen weiter in Richtung Mintsberg, Deutelhausen, Pfaffenhofen und Inn.

Bau auf der grünen Wiese hat Vorteile

So wird die neue Trasse auf „der grünen Wiese“ gebaut. „Es wird leiser in den Ortschaften, denn 80 Prozent des Güterverkehrs und 20 Prozent des schnellen Personenfernverkehrs kommen auf die neue Trasse“, verspricht Dieter Müller, Projektleiter für den Planungsabschnitt Ostermünchen-Innleiten.

Er erklärt auch den Grund, weshalb im Inntal die Baustelleneinrichtungen auf der Karte schon fixiert sind, im Norden aber nicht: „Bei einem Linienbauwerk auf der grünen Wiese sind die temporär für Baustelleneinrichtungen erforderlichen Flächen entlang der Neubaustrecke verteilt und können in einem so frühen Planungsstadium nicht flurstücksbezogen definiert werden.“ Man sei frei in der Entscheidung, ob man die Baustelleneinrichtungs- oder Bereitstellungsflächen südlich oder nördlich der Trasse plane. Erst in der Entwurfs- und Genehmigungsplanung würden Bauablauf, Baulogistik oder Transportwege weiterentwickelt und der Flächenbedarf je Flurstück ausgewiesen.

Bei der Präsentation der Vorplanungen für den Brenner-Nordzulauf wurden Videosimulationen von der fertigen Trasse gezeigt (links). Informationen zu den geplanten Baustelleneinrichtungen fehlten, dabei wurden diese in einem der 2023er-Brennerdialogforen bereits grob geplant und präsentiert (rechts).

Kritik an fehlenden Informationen zur Baulogistik

„Sie als Planer sind frei, aber für die betroffenen Menschen hier ist es wichtig, frühzeitig informiert zu werden“, kritisiert Margit Kraus von der Bürgerinitiative. Wo die Gleise verlaufen sollen, wüssten die Menschen schon längst. Doch was mit der Trasse an Baustelleneinrichtungen auf sie zukomme, eben nicht. Ob es auch dafür jemals eine Animation geben werde, fragt sie nach. „Möglicherweise vom Taktschiebeverfahren für die Innbrücke“, schätzt Müller.

Dass es eine Animation für die Verteilung von Bürocontainern, Baugeräten, Montageplätzen, Materiallagern, Zwischenlagern für Oberboden, Erdaushub und Schotter oder Aufbereitungsanlagen für den Abbruch auf 60 Hektar Fläche in der Landschaft zwischen Ostermünchen und Inn geben wird, ist also eher unwahrscheinlich. Zudem, so betont Müller, „wandert die Baustelle. Sie ist nicht für zehn Jahre in der gesamten Region, sondern immer nur temporär am aktuellen Bauabschnitt“.

Wertverlust der Grundstücke

Während die Landwirte an der Trasse um ihre Existenz fürchten, sorgen sich andere Besucher der Planvorstellungsrunde um den Wertverlust ihrer Grundstücke, um Erschütterungsrisse an den Gebäuden und den Verlust des bislang unverbauten Bergblicks. Auch das sei ein Problem, betont ein Hausbesitzer aus Deutelhausen, denn als er viel Geld investiert habe, sei vom Brenner-Nordzulauf noch keine Rede gewesen. „Bergblick wird nicht entschädigt“, sagt Projektleiter Dieter Müller ein wenig verärgert. Zudem würden externe Gutachter über Beweissicherungsverfahren vor und nach dem Bau den Zustand der Gebäude bewerten. „Für Schäden, die nachweislich wir verursachen, kommen wir auf“, betont er.

Hat das Herzensprojekt noch eine Chance

Um mit den betroffenen Menschen entlang der neuen Trasse ins Gespräch zu kommen, reist das Projektteam der Deutschen Bahn gerade von Ort zu Ort. Am Donnerstag (18. April) steht der Abschnitt Ostermünchen-Innleiten von 16 bis 20 Uhr noch einmal in der Turnhalle der Fritz-Schäffer-Schule in der Diskussion. Dann werden auch jene Landwirte vor Ort sein, die durch neuen Bahnhof, vierspurige Neubautrasse und sechsspurige Überholgleise vor dem Aus stehen.

In Großkaro tauschen Landwirt Dürr und DB-Planer Schäuble am Ende des Abends ihre Kontakte aus, verabreden sich zum Vor-Ort-Termin in Ödenhub. So keimt ein winziges Fünkchen Hoffnung, dass die Planungen so angepasst werden, dass das Herzensprojekt der Familie Dürr doch noch eine Chance hat.

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