Diskussion gibt es seit 40 Jahren
Sudelfeld-Sperrung für Biker 1985: Wie es dazu kam und warum sie ruckzuck aufgehoben wurde
Aktuell wird es wieder diskutiert, 1985 war es schon einmal so weit: An Wochenenden wurde damals für eine Weile die Sudelfeldstrecke für Motorradfahrer gesperrt. Das stieß allerdings auf erheblichen Widerstand und der Fall landete vor Gericht. Was dabei herauskam und was das für heute bedeuten könnte.
Bayrischzell/Oberaudorf/Rosenheim – „Das Sudelfeld darf künftig wieder mit Zweirädern befahren werden“, schrieb sichtlich begeistert ein Autor in der Juli-Ausgabe 1985 des „ACM-Echo“, dem Mitteilungsblatt des Automobilclubs München. „Wer, wie ich, die Möglichkeit hat, das 23-seitige Urteil zu studieren, sieht erst, wie vieler Winkelzüge es bedarf, Behörden zu überzeugen, dass sie im Unrecht sind.“ Der Dank dafür ging damals an den Klagesteller und Motorradfreund Hermann Lux. „Für diesen Erfolg hat Hermann sicher den Dank aller vernünftigen Motorradfahrer verdient. Ebenso unseren herzlichen Glückwunsch!“
„Noch am Freitag hat, wie die Rosenheimer Polizei mitteilt, das Verwaltungsgericht München die ‚sofortige Vollstreckung‘ des Urteils vom 20. Mai angeordnet, die Sperrung der Sudelfeldstrecke für Motorräder an Wochenenden und Feiertagen aufzuheben“, hatte das Oberbayerische Volksblatt (OVB) bereits am 25. Mai jenes Jahres berichtet. „Die Landratsämter Rosenheim und Miesbach wurden angewiesen, die Sperrschilder an der B307 am Sudelfeld zu entfernen. Das bedeutet, dass die Strecke schon an den Pfingstfeiertagen für Motorradfahrer frei ist. Die Rosenheimer Polizei wird die Sudelfeldstraße im Rahmen der allgemeinen Verkehrsüberwachung im Auge behalten.“ Zuvor war die Strecke für rund vier Monate gesperrt.
Blick ins OVB-Zeitungsarchiv: Sudelfeld-Sperrung 1985 - Wie diese damals ruckzuck wieder aufgehoben wurde
Jüngst kam wieder Bewegung in das Vorhaben einer Sperrung für Motorradfahrer am Sudelfeld. Nachdem in den vergangenen Jahren die Stimmen für ein Fahrverbot immer lauter wurden, kam im Jahr 2024 eine Arbeitsgruppe im Rosenheimer Landratsamt zusammen, um die Lage zu bewerten. Dann kam am Mittwoch, den 23. April die Nachricht: Die Sudelfeldstrecke (B 307) wird ab dem 30. April 2025 bis einschließlich 31. Oktober 2025 saisonal einseitig in Fahrtrichtung Bayrischzell täglich von 11 bis 21 Uhr für Motorräder gesperrt. Im kommenden Jahr 2026 gilt die Sperre vom 1. April bis zum 31. Oktober. Nicht von der Sperrung betroffen ist die Gegenrichtung aus Bayrischzell in Richtung Rosenheim. Während sich manche über die Entscheidung freuen, regt sich schon jetzt erheblicher Widerstand, wie die OVB-Heimatzeitungen berichten.
Sperrung sollte ab März 1985 Dauerzustand werden
Zurück ins Jahr 1985: Am 20. Mai hob damals ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts eine Anordnung der Landratsämter Rosenheim und Miesbach vom 28. Februar 1985 auf. Damit endete eine Sperrung des Streckenabschnitts ab Einmündung der Staatsstraße 2075 bis hinauf zum Tatzelwurm aus Sicherheits- und Umweltschutzgründen an Wochenenden und Feiertagen für den Motorradverkehr.
„Motorräder, Lärm und Abgase - jahrelang prägten sie zur Sommerzeit an Sonn- und Feiertagen das Bild auf dem Sudelfeld: ‚500 Maschinen auf einmal waren keine Seltenheit‘, erinnert sich Klaus Manzinger, damals Verkehrssachbearbeiter bei der Polizeidirektion Rosenheim, ‚manchmal können es auch 300 mehr gewesen sein.“ „Besonders die Bayrischzeller stöhnten unter dem Ansturm. Denn Motorräder, so weiß der damalige Bürgermeister Martin Auracher, ‚sind nun einmal laut, und ihr Krach hört auch nicht am Straßenrand auf.‘ Als die Belastung endlich auf ein für die Anwohner ‚unerträgliches Maß‘ angewachsen war, machten die Behörden im Oktober 1983 die ‚Rennstrecke‘ dicht - zunächst zwar nur auf Probe, ab März dieses Jahres sollte dann aber ein Dauerzustand daraus werden.“
Diskussion in Leserbriefen: Pro und Contra trafen aufeinander
„Just jenes Vorhaben erregte jedoch bald das Missfallen sechs rühriger Kraftradbesitzer. Man fühlte sich in der freien Entfaltung persönlicher Interessen beschnitten, ging vor den Kadi - und der gab den sechs ‚zur völligen Überraschung‘ des beklagten Freistaats recht. ‚Mir ist das total unverständlich‘, wetterte Innenministeriums-Sprecher Alfons Metzger: ‚Die Richter haben doch überhaupt keine Rücksicht auf die Bevölkerung genommen.‘“ Auch das Landratsamt Miesbach sei wenig glücklich über das Urteil. Es würden Nachteile für den Fremdenverkehr befürchtet. „Wir sind seit zwei Jahren heilklimatischer Kurort, und jetzt würde der Motorrad-Verkehr da wieder mittendurch gehen. So etwas gibt es doch in ganz Bayern nicht“, wird auch der Bürgermeister von Bayrischzell wiedergegeben.
Wie sehr das Urteil die Menschen der Region bewegte, schlug sich auch in den Leserbriefen an die Zeitung nieder. Johanna M. aus Nußdorf am Inn legte in einem Schreiben eine ausführliche Gegenargumentation zu den Kritiken an der Aufhebung vor. „Da der Innenministeriumssprecher Alfons Metzger den Richtern vorwirft, sie hätten überhaupt keine Rücksicht auf die Bevölkerung genommen, muss ich annehmen, dass Motorradfahrer in seinen Augen wohl nicht zur Bevölkerung zählen“, empört sie sich außerdem. „Da muss ich mich fragen, wo sie dann alle herkommen? Menschen zweiter Klasse, die mit ihren Motorrädern in nicht registrierten Erdlöchern hausen.“
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„Als Anlieger der Tatzelwurmstraße, die ja bekanntlich in die Sudelfeldstraße am Tatzelwurm einmündet, ist es mir einfach unerklärlich, dass das Verwaltungsgericht München die sofortige Vollstreckung des Urteils vom 20. Mai anordnete, die Sperrung der Sudelfeldstrecke für Motorräder an Wochenenden und Feiertagen aufzuheben“, hielt dem Johann B. aus Oberaudorf am 8. Juni 1985 entgegen. Er lobte die Arbeit der Polizei, die unbedingt aufrechterhalten werden müsse, „da ungefähr die Hälfte der Motorradfahrer erst recht bei den Häusern vorbei Vollgas geben, was wohl den Anliegern nicht zuzumuten ist. Da auch viele kleine Kinder an dieser stark befahrenen Strecke wohnen, glaube ich, wäre es dringend notwendig, dass die Lärmbelästigung durch die polizeiliche Verkehrsüberwachung eingedämmt wird.“
Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Diskussion um das Sudelfeld gibt es bereits seit langem. 1985 hielt, nach einem kurzen Testlauf, die totale Sperre für rund vier Monate. In einem neuen Vorstoß soll sie nun auf einseitig in Fahrtrichtung Bayrischzell von Ende April bis Ende Oktober gelten. Und Widerstand dagegen formiert sich bereits, wie schon vor 40 Jahren, wieder.(hs)