Film ab
Blauer Teppich für die Biennale in Wasserburg: Zum Start kommt eine berühmte Produzentin
Sie hat „Olaf Jagger“, den wohl bekanntesten Film im Programm der Biennale Bavaria International produziert: Roswitha Ester war deshalb Stargast bei der Festival-Eröffnung in Wasserburg. Ein Gespräch über das Filme machen, die Faszination Kino - und den Dortmund-Tatort.
Wasserburg - Heimat: Das ist das Grundthema der Biennale Bavaria International, die am Dienstagabend, 25. April, in Wasserburg mit einem Bürgermeisterempfang im Festzelt in der Herrengasse eröffnet wurde. Für den Stargast, Produzentin Roswitha Ester, ein passendes Thema - gleich aus zwei Gründen: Viele ihrer Film setzen sich mit dem Begriff auseinander. Außerdem war der Festivalbesuch für sie selber auch ein Ausflug in die Heimat: Denn die Mutter der Produzentin stammt aus Gars. Vor dem Auftritt auf dem roten Teppich, der in Wasserburg ein blauer ist, stand also ein Besuch bei der Verwandtschaft auf dem Programm der heute in Köln lebenden Produzentin.
Schauen und miteinander reden
Sie verkörpert nicht den Glamour, den der Laie mit dem Film verbindet. Die 50-Jährige hielt sich bescheiden im Hintergrund. Vor und nach dem Film stand sie ausführlich Rede und Antwort - eine Filmemacherin, die nicht den großen Auftritt sucht, sondern das Gespräch mit Kinofans. Diese erfuhren, wie viel Vorlaufzeit eine Produktion benötigt, bis sie in die Lichtspielhäuser kommt (oft mehrere Jahre), wie Schauspieler für das Drehbuch gesucht und gefunden werden (viel auch über persönliche Beziehungen), wie ein Film finanziert wird (oft eine große Herausforderung). Das waren Hintergrundinfos, die nur ein Festival liefern kann, das so wie die Biennale Bavaria International bewusst Besucher und Macher zusammenführen will.
Sich begegnen, miteinander reden: Das möchte auch Günther Knoblauch, Vorsitzender des Biennale-Vereins, mit der Veranstaltungsreihe in Wasserburg, Mühldorf, Altötting und Burghausen erreichen. Wer daheim auf dem Sofa einen Film streame, der konsumiere und gehe danach ins Bett, zeigte er sich bei der Eröffnung in Wasserburg überzeugt. Wer eine Vorstellung im Kino besuche, tue dies in der Regel nicht allein und genieße im Anschluss den Austausch über die Inhalte. Kino ist für Knoblauch eine Chance, ins Gespräch zu kommen, ein Medium, das die Gemeinschaft fördere. „Lasst uns miteinander reden“, lautete sein Appell gegen Isolation und Egoismus.
Diskutieren, analysieren, sich austauschen: Das gelang auch zum Auftakt im Festzelt, wo es vor dem Filmstart Häppchen und Sekt gab sowie die Möglichkeit zum Gespräch - auch über den Heimatbegriff, denn die Veranstaltungsreihe zeigt bewusst nur Vertreter des modernen Heimatfilms. „Heimat ist da, wo es Ende April noch immer so kalt ist, dass wir die Winterjacke und einen Schal benötigen“, witzelte Bürgermeister Michael Kölbl bei der Eröffnung. Er erinnerte an den extrem schwierigen Start des Festivals mitten in der Pandemie. Die Organisatoren des veranstaltenden Vereins, in dem Kulturreferentin Edith Stürmlinger die Stadt Wasserburg vertritt, ließen sich nicht entmutigen und wagten für heuer eine Neuauflage mit großem Rahmenprogramm und 41 Filmen. Die Stadt bezuschusst das Festival mit einem Euro pro Einwohner, also mit etwa 13.000 Euro. Die Veranstaltungsreihe soll auch die Marke Wasserburg noch bekannter machen, so das Ziel des Stadtrates, der beim Festakt zur Eröffnung fast vollzählig vertreten war.
„Olaf Jagger“ auf den Spuren von Mick Jagger
Ein sogenannter Highlight-Streifen begeisterte zum Auftakt im Utopia Wasserburg: „Olaf Jagger“, bundesweit gestartet in den Kinos an Ostern und am Dienstagabend im Utopia, ist preisgekrönt: Bei den Hofer Filmtagen erhielt er den Förderpreis Deutsches Kino und den Hofer Kritikerpreis. Star der Produktion ist Kabarettist Olaf Schubert („Heute Show“). Er findet im „Mockumentary“, einer Mischung aus Spielfilm und Dokumentation, heraus, dass seine Mutter in den 60ern in der DDR eine kurze Affäre mit Mick Jagger gehabt haben soll. Schubert macht sich auf die Suche nach der Wahrheit, der Film begleitet den Hobbydetektiv auf den Spuren der Familiengeschichte - humorvoll, anrührend.
Dortmund-Tatort mit Rekord-Einschaltquote produziert
Produzentin Roswitha Ester schwärmte im Gespräch mit der Wasserburger Zeitung von Schauspieler Olaf Schubert, übrigens eine Kunstfigur. Die Zusammenarbeit mit ihm sei „ganz wunderbar“ gewesen. Denn der Kabarettist sei nicht nur eloquent und bodenständig, sondern auch schlagfertig und spontan - der passende Künstler für eine Produktion, die eine Mischung aus Unterhaltung und Dokumentation darstellt. Schubert war also die richtige Wahl für die Geschichte, auf die Roswitha Ester 2017 durch einen befreundeten Drehbuchautor aufmerksam gemacht worden war.
Die Produzentin steht außerdem für viele weitere große Filmerfolge. Der aktuellste: der Tatort aus Dortmund, der am vergangenen Sonntag, 23. April, in der ARD Premiere feierte. „Love is Pain“ mit Kommissar Faber sahen 8,87 Millionen Zuschauer, ein Marktanteil von 29,7 Prozent. Es war der erfolgreichste Dortmund-Tatort. Roswitha Ester produzierte mit ihrem Geschäftspartner Torsten Reglin außerdem unter anderem den biografischen Fernsehfilm über Erich Kästner („Kästner und der kleine Dienstag“).
Die Produzentin kommt aus der Theaterarbeit, hat als Dramaturgin die Serie „Lindenstraße“ begleitet und hatte hier auch die künstlerische Leitung inne. 2008 wagten sie gemeinsam mit Reglin den Sprung in die Selbstständigkeit. „Viele haben uns für verrückt gehalten“, sagt sie heute lachend. Sie und ihr Geschäftspartner gründeten die Produktionsfirma „Ester.Reglin.Film“. Sie entwickelt quer durch alle Formate - von der Serie bis zum großen Kinofilm.
Ihre Arbeit als Produzentin bringt die in München aufgewachsene Kölnerin so auf den Punkt: „Es geht in der ersten Linie darum, die richtigen Menschen zusammenzubringen.“ Das heißt: Drehbuchautoren, Kameraleute, Schauspieler, Techniker, Regisseure, Kostümbildner. Filme machen sei Teamarbeit, funktioniere diese gut, werde es in der Regel ein guter Film. Trotzdem räumt auch Roswitha Ester ein, dass wirtschaftliche Interessen in der Filmbranche eine große Rolle spielen. Im Fernsehen ist es die Einschaltquote, beim Film sind es die Kinobesuchszahlen. Lichtspielhäuser haben nach Erfahrungen der Produzentin zu kämpfen. „Extrem schwierig“ sei der Start nach der Pandemie gewesen, berichtet sie. Mittlerweile würden sich die Kinosäle wieder füllen, doch die Mediengewohnheiten hätten sich durch die Auswirkungen der Corona-Krise stark geändert. Festivals wie die Biennale Bavaria International seien deshalb heutzutage besonders wichtig. Sie würden zeigen, warum ein Kinobesuch ein ganz anderes Erlebnis darstelle als ein Streaming-Abend auf dem Sofa.
Kino-Stimmung aus der Heimat
Die Übermittlung der besonderen Kino-Stimmung steht auch im Fokus des Festivals in Wasserburg. Es zeigt noch bis zum 30. April auf, dass Filmemacher keine unnahbaren Stars sind und dass so mancher Streifen sogar in der Heimat entsteht. Regisseur Sebastian Schindler („Dahoam is dahoam“, „Mit dem Rückwärtsgang nach vorn“) ist das beste Beispiel aus der Region Wasserburg: Der Soyener ist Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor für Filme aus der Heimat für die Heimat. Als Moderator führte er auch durch den Abend bei der Festivaleröffnung in Wasserburg.
Infos zur Biennale Bavaria International in Wasserburg
Die Biennale Bavaria International ist ein Festival des Neuen Heimatfilms. Jeder der vier Festivalorte (Altötting, Burghausen, Mühldorf und Wasserburg) zeigt Filme, die weltweit auf Festivals ausgezeichnet wurden und sich mit dem Thema Heimat beschäftigen. Ein Festivalzelt steht vor dem Utopia in der Herrengasse, täglich gibt es musikalische Umrahmung durch Bands. Freitag, 28. April, wird Wasserburg zum Treffpunkt des Filmnachwuchses. Die Gewinner des goldenen und silbernen Studenten Oscars in Los Angeles, Nils Keller und Reinhard Welf, kommen und präsentieren ihre Filme „Almost Home“ und „Eigenheim“. An diesem Tag des Jungen Films, in Kooperation mit der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF), gibt der frühere Studenten Oscargewinner Tobias Huber einen Überblick über berufliche Chancen in der Filmbranche. Auf der Freilichtkinoleinwand in der Frauengasse werden Kurzfilme regionaler und internationaler Filmemacher gezeigt. Den Abschluss dieses Abends bietet eine Lasershow in der Herrengasse. Für diesen Abend haben sich auch eine Reihe von Regisseuren und Schauspielern wie Christian Lerch angekündigt. Ein besonderes Angebot für die Schulen hat das Festival ebenfalls. An den Vormittagen finden Schulvorstellung statt, zu denen in Wasserburg bereits rund 400 Schülerinnen und Schüler angemeldet sind. Außergewöhnlich ist zudem, dass die Festivalorganisatoren in Kooperation mit der Sparkasse eine Danke-Aktion zugunsten von Vereinen durchführen. Ehrenamtlich Tätige erhalten Kinogutscheine.
