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Ein großes Kino-Festival kommt, ein kleines ist weg

Warum sich Schauspielerin Marie Theres Relin mehr Frauensolidarität in Wasserburg wünscht

Familienbild nach einer von Marie Theres Relin organisierten Lesung „Kroetz liest Kroetz“ im Juli 2022 in den Museum Lichtspielen München: (von links) Tochter Magdalena (31), Marie Theres, Ex-Mann Franz Xaver Kroetz, Sohn Ferdinand (27) und Tochter Josephine (34).
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Familienbild nach einer von Marie Theres Relin organisierten Lesung „Kroetz liest Kroetz“ im Juli 2022 in den Museum Lichtspielen München: (von links) Tochter Magdalena (31), Marie Theres, Ex-Mann Franz Xaver Kroetz, Sohn Ferdinand (27) und Tochter Josephine (34).

Vom 24. bis 30. April ist Biennale Bavaria in Wasserburg - ein Filmfestival, auf das sich Kinofans freuen. Schauspielerin Marie Theres Relin wundert sich eher. Ein Gespräch über die Rolle der Frau in der Filmbranche und darüber, was sie mit der Frau an der Supermarktkasse gemeinsam hat.

Wasserburg - Mit 13.000 Euro unterstützt die Stadt Wasserburg das Filmfestival Biennale Bavaria International, das vom 24. bis 30. April auch in Wasserburg stattfindet. Das Utopia zeigt preisgekrönte Heimatfilme, es gibt einen roten Teppich, am Freitag, 28. April, eine „Highlightveranstaltung“ in der Herrengasse. Schön und gut, sagt Schauspielerin Marie Theres Relin, die nicht verstehen kann, warum ihre Veranstaltungsreihe „Kino Frauen aller Kulturen“, 2018 ausgezeichnet mit dem Integrationspreis des Bezirks Oberbayern, nicht mehr stattfindet. Im September soll es zwar eine Wiederaufnahme im Utopia geben, trotzdem: Es erweise sich als ausgesprochen mühsam, die Veranstaltungsreihe in der Innstadt am Leben zu erhalten, bedauert Relin.

Frau zeigt Frau: „Ich nehme dich wahr“

Dabei sei der Aufwand für die Organisation minimal: Sie stellt als Initiatorin die Filme, bezogen für Bildungszwecke über den Bereich Medien und Digitales bei der Erzdiözese München-Freising, lizenzfrei zur Verfügung, sucht das Kino - in Wasserburg ist es das Utopia - aus, lässt die Plakate gestalten (in Wasserburg ehrenamtlich von der Grafikerin Monika Huber). Und schon könnte es losgehen, wenn sich Paten finden würden, die 150 Euro für eine Vorstellung spenden, bei der dann bis zu 90 Frauen und ihre Kinder zu Film und Popcorn eingeladen werden. Und Frauen bereit wären, andere Frauen mit zu nehmen - solche, die nicht so privilegiert sind, dass sie sich einen Kinobesuch leisten können, die aufgrund ihrer familiären Situation kaum Chancen haben, einen Filmnachmittag zu genießen. Der Klassiker, der Relin vorschwebt: eine Wasserburgerin, die ihre türkische Putzfrau zu Popcorn und Cola ins Kino einlädt, eine Mutter, die eine gleichaltrige Alleinerziehende mit ins Lichtspielhaus nimmt und ihr für diese drei Stunden einen Babysitter spendiert. „Das ist wahre Frauensolidarität“, findet Relin. Frau zeige Frau: „Ich nehme dich wahr.“ „Natürlich können auch Männer gerne eine Patenschaft übernehmen“, sagt sie.

2019 hat dieses Prinzip von „Kino Frauen aller Kulturen“ geklappt in Wasserburg. Auch die zweite Veranstaltungsreihe „Region 18 - wir holen die Stars aufs Land“, bei der Prominiente ihre Lieblingsfilme im Lichtspielhaus zeigen und danach dem Publikum Rede und Antwort stehen, fand in Wasserburg statt. Stars wie Schauspieler Robert Atzorn und Sängerin Penny McLean sowie Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt kamen, es gab Retrospektiven zu Relins Mutter, Weltstar Maria Schell, und zu Hannelore Elsner. Ganz ohne roten Teppich, ohne Tamtam. Die Stars nahmen sich Zeit, weil Kollegin Relin, gut vernetzt in der Kulturbranche, sie einlud.

Paten gesucht

Doch das war einmal. Derzeit klappt das „Kino Frauen aller Kulturen“ in Trostberg, München und Kaiserlautern, nicht in Wasserburg. In Kaiserslautern ist es mittlerweile ein Selbstläufer, sagt Relin. Der Grund in ihren Augen: „Hier steht die Stadt hinter dem Konzept.“ Alle Verantwortlichen seien eingebunden, es gebe organisatorische, ideelle und finanzielle Unterstützung. Doch auch in Kaiserlautern gehe es nicht ohne das Ehrenamt. Frauen müssten nicht nur spenden und sponsern, auch einladen, organisieren, mithelfen. Also Plakate aufhängen, Eintrittskarten vergeben, Popcorn-Tüten verteilen, Getränke ausschenken - oder Patenschaften für einen Kinobesuch übernehmen, der dann einer nicht so privilegierten Frau ermöglicht wird.

Wenn dieses Ehrenamt auch in Wasserburg wieder möglich sei, dann könnten das „Kino Frauen aller Kulturen“ oder das Baukastenfilmfest „Wir holen die Stars aufs Land“ auch in der Innstadt wieder stattfinden, sagt Relin. „Die Stars kommen, wenn ich sie anfrage“, ist die Wasserburger Schauspielerin, Autorin und Journalistin überzeugt. Sie ist gut vernetzt, kennt Schauspieler, Autoren, Musiker, Regisseure, Filmemacher, Kameraleute. Interessante Menschen, die in ihren Augen nicht nur auf den roten Teppich gehören, wo sie unnahbar wirken, sondern ins Leben einer Stadt - als Persönlichkeiten, die sich auf Augenhöhe mit Frauen begegnen, denen es nicht so gut gehe.

„Mir heftet das Image an, eckig zu sein“

Das sind viele, weiß Relin, die sich angesichts der zunehmenden sozialen Probleme in der Gesellschaft Sorgen macht. Vor allem um die Frauen. Nach wie vor verdienen sie oft viel weniger als Männer in gleichen Positionen - auch in der Filmbranche. „Frauen vor und hinter der Kamera bekommen nachweislich 40 Prozent weniger als männliche Kollegen“, ärgert sie sich. Im Film würden es Frauen außerdem mit zunehmendem Alter immer schwerer haben, Rollen zu bekommen. Selbst Figuren älterer Frauen würden häufig mit jungen, auf alt geschminkt, besetzt, nennt sie als Kuriosum. Trete eine Frau in der harten Filmbranche selbstbewusst auf, gelte sie außerdem schnell als „zickig“. Die Wasserburgerin weiß, wovon sie spricht: „Mir heftet das Image an, eckig zu sein“, sagt sie schmunzelnd. „Ich sage halt nicht zu allem Ja und Amen.“

Entsetzt über die „Feminisierung der Altersarmut“

Das war schon vor 20 Jahren so, als Relin die Hausfrauenrevolution ausrief. Ihre Kampagne für einen Beruf, der nicht bezahlt wird, für eine Tätigkeit, die kaum Wertschätzung erhält und die Frauen oft mit Altersarmut ausbaden müssen, ist nach ihren Erfahrungen heute so aktuell wie nie zuvor. „Es ist sogar noch schlimmer geworden“, findet Relin, „wir fallen immer weiter zurück.“ Frauen, die heute gerne bewusst für ein Kind eine längere Pause im Beruf einlegen wollen würden, könnten sich diesen Wunsch kaum noch erfüllen. „Wie soll ich ein Kind groß ziehen in einer Stadt wie München?“, fragt sie angesichts der extrem hohen Mieten und Lebensunterhaltungskosten. Was ihr ebenfalls auffällt: „Die Feminisierung der Altersarmut“. Vor allem Frauen seien betroffen, die ein Leben lang für die Familie gearbeitet hätten - „dann werden sie mit 100 Euro Rente abgespeist - hier bei uns in Deutschland, nicht in Mazedonien oder Afrika“.

Das Problem in den Augen von Relin: Kindererziehung, Elternpflege, Hausarbeit, all dies werde nicht anerkannt, auch finanziell nicht. Ihr Vorschlag: Rentenpunkte auch für das ehrenamtliche Engagement. Und für Hausfrauen sowie Mütter, die schließlich mehrere Berufe hätten: in der Kinder- und Krankenpflege, Erziehung und Versorgung. Statt diese Vielfältigkeit in den Fokus zu nehmen und anzuerkennen, gebe es beim Thema Gleichberechtigung immer Schein-Debatten: ganz aktuell um das Gendern oder um die Frauenquote in Führungspositionen., „eine Luxus-Thema“, wie die Tochter von Maria Schell findet. Davon habe die Wasserburgerin an der Kasse des Supermarktes nichts, sie wolle vor allem eins: ihr Auskommen haben, in Würde leben können - auch im Alter.

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