Harmloser Umweltkeim statt Fäkalkeim
„Bevölkerung grundlos verunsichert“: Frust nach Ende der Wasser-Krise im Chiemgau – wer war Schuld?
Das Ende der Trinkwasser-Abkochverfügung nach dreieinhalb Wochen Verunsicherung am Chiemsee sollte normalerweise für Erleichterung sorgen. Doch vor allem bei Gstadts Bürgermeister Bernhard Hainz überwiegt klar der Ärger. Wurden 25.000 Menschen in der Vorweihnachtszeit völlig grundlos verängstigt?
Gstadt – Bernhard Hainz ist so kurz vor Weihnachten so gar nicht in Festtagsstimmung. Obwohl der Bürgermeister am Freitag (20. Dezember) in einem Schreiben an die Einwohner seiner Gemeinde Gstadt, des Ortsteils Gollenshausen und der Fraueninsel das langersehnte Ende der Abkochverfügung für Trinkwasser verkünden durfte. Falls jemand dem Nikolaus einen Kaffee anbieten möchte, geht das auch am Chiemsee jetzt wieder blitzschnell. Auch wenn das Gebräu leicht nach Schwimmbad-Chlor schmecken dürfte.
Trinkwasser: „Gab nie eine Gefahr“
Doch das ist es gar nicht in erster Linie, was Hainz so auf die Palme bringt. „Alles war umsonst. Wir hätten nie chloren müssen. Das ist sehr ärgerlich, weil es nie eine Gefahr gab und die Bevölkerung grundlos verunsichert wurde“, schimpft der Ortschef im OVB-Interview. Der Grund für seinen Frust findet sich in der vom Landratsamt Rosenheim herausgegebenen Pressemitteilung. Demnach handelte es sich bei dem in einer Wasserprobe nachgewiesenen Keim nicht „um einen Fäkalkeim, sondern um einen harmlosen Umweltkeim, der keine Gesundheitsgefahr darstellt“.
Aerococcus viridans statt Fäkalkeim
„Bei dem harmlosen Umweltkeim handelt es sich um Aerococcus viridans“, bestätigt Landratsamts-Sprecherin Simone Beigel auf Nachfrage des OVB: „Aerococcus viridans ist für den Menschen in der Regel ungefährlich und kommt überall in der Umwelt, so zum Beispiel im Wasser oder in der Luft, vor.“ Wie bitte? Kleine Rückblende zur Erinnerung: Am 26. November war wegen eines vermeintlich nachgewiesenen Enterokokken-Fäkalkeims eine großflächige Trinkwasser-Abkochverfügung zwischen Chiemsee und Simssee erlassen worden.
Betroffen waren etwa 25.000 Menschen in Breitbrunn, Prien, Rimsting, Gstadt, den Inseln im Chiemsee sowie in Ortsteilen von Frasdorf, Riedering und Bad Endorf. Wegen Hamsterkäufen war in einigen Supermärkten der Region zwischenzeitlich das Trinkwasser ausverkauft. Im großflächigen Wassernetz der Chiemseegruppe wurden die Schieber heruntergelassen und drei Bereiche mit eigenständiger Trinkwasserversorgung gebildet. In einem davon – Gstadt, Gollenshausen und Fraueninsel – musste die zwischenzeitlich aufgehobene Abkochverfügung wegen einer vermeintlich erneut keimbelasteten Wasserprobe wieder in Kraft gesetzt werden. Passend zur Unglücks-Nachricht am Freitag, den 13. Dezember.
Und all das wäre nicht nötig gewesen? Zumindest die Indizien sprechen klar für diese These. „Wir haben die zweite positive Probe aus unserem Brunnen 2 noch zweimal nachprüfen lassen. Es war nur dieser harmlose Umweltkeim. Wir sind zu 1000 Prozent sicher“, so Bernhard Hainz. Gstadts Bürgermeister geht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zudem davon aus, dass es sich auch bei der ersten positiven Probe um den gleichen Umweltkeim gehandelt hat.
Der Test war damals im Netz der benachbarten Gemeinde Breitbrunn gezogen worden und hatte wegen der vermeintlichen Fäkalverkeimung 25.000 Menschen zum Trinkwasser-Abkochen gezwungen. Hainz: „Leider wurde die Probe nach ein paar Tagen weggetan, sonst könnte man auch hier Nachproben durchführen, die zum gleichen Ergebnis führen würden: Es war nur ein harmloser Umweltkeim und die ganze Aufregung umsonst.“
Wer den doppelten Proben-Fehler zu verantworten hat, soll in den nächsten Wochen herausgefunden werden. Das Gesundheitsamt Rosenheim nimmt Hainz auf jeden Fall in Schutz: „Deren Arbeit war hervorragend. Sie haben richtig reagiert, weil ja offenbar Gefahr im Verzug schien.“ Bleibt als potenzieller Auslöser des ganzen Schlamassels noch das Labor, das die fraglichen Wasserproben analysiert hat. Bürgermeister Hainz hat gehört, dass es im bayerischen Umland schon andere Fälle gegeben hat, wo ein gefährlicher Fäkalkeim mit einem harmlosen Umweltkeim verwechselt wurde.
Das Landratsamt will den rätselhaften Fall jedenfalls aufklären, wie Simone Beigel versichert: „Entsprechende umfassende Nachuntersuchungen zu den Ursachen des Ereignisses wurden bereits eingeleitet und werden im neuen Jahr weitergeführt.“ Es bleibt der Frust über jede Menge unnötiger Aufregung und einen gehörigen finanziellen Schaden. „Die Mitarbeiter im Bauhof haben unzählige Arbeitsstunden investiert, um 350 Kubikmeter Wasser aus den Leitungen herauszuspülen. Und auch die Chlorung kostet“, so Hainz: „Das Ganze müssen wir im neuen Jahr dann nochmal machen, um dann das Chlor wieder aus den Trinkwasser-Leitungen herauszuspülen.“
Bis zur zweiten Kalenderwoche 2025 soll die Chlorung auf Anweisung des Gesundheitsamtes in Gstadt, Gollenshausen und der Fraueninsel bestehen blieben. Ob das wohl dem Nikolaus schmeckt?
