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OVB-Exklusiv-Interview mit Rosenheimer Amtschef

Da steckt mehr dahinter: Das treibt die Bauern auf die Straße

Erst Verkehrsbehinderungen, jetzt Mahnfeuer und Großdemo in Berlin: Der Protest der Bauern lässt nicht nach. Dr. Georg Kasberger, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, weiß warum.
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Erst Verkehrsbehinderungen, jetzt Mahnfeuer und Großdemo in Berlin: Der Protest der Bauern lässt nicht nach. Dr. Georg Kasberger, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, erklärt warum.

Bauernaufstand – seit einer Woche gehen die Landwirte auf die Straße. Und das nur, weil die Agrardiesel-Subventionen wegfallen? Nein, sagt Dr. Georg Kasberger, der Chef des Rosenheimer Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Da steckt mehr dahinter. Was, das erklärt er im Exklusiv-Interview.

Rosenheim – Warum werden die Bauern eigentlich subventioniert? Sie verfügen über große Flächen, bearbeiten diese mit riesigen Maschinen und haben neue Ställe gebaut. Und dann regen sie sich dermaßen auf, weil die Agrardiesel-Subvention in drei Schritten gestrichen wird? Fragen, die in den letzten Wochen immer wieder zu hören waren.

Es ist doch nicht nur der Agrardiesel, der die Bauern auf die Straße treibt?
Dr. Georg Kasberger: Nein, der Wegfall der Agrardiesel-Subvention war nur der Auslöser, nicht der Grund. Allerdings ist das für die Landwirte schon eine große Belastung. Letztlich wird der Liter Diesel für sie 21 Cent teurer. Das trifft einen durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betrieb schnell mit 3000 Euro im Jahr. Bei einem Jahreseinkommen von 60.000 bis 80.000 Euro (für eine ganze Familie mit einer Wochenarbeitszeit über 40 Stunden pro Erwachsenem) tut das weh. Da reicht es dann auch nicht mehr, dass die Kfz-Steuerbefreiung erhalten bleibt, dass sich die Bauern beruhigen.
Im Durchschnittseinkommen landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland sind auch die „Agrarfabriken“ im Osten enthalten, die aus den LPGs der DDR entstanden. In der Region sieht es ganz anders aus.
Warum sind die Landwirte so unzufrieden und erbost?
Kasberger: Alle paar Monate kommt eine neue, zum Teil extrem detaillierte Vorschrift oder Auflage, die der Landwirt gleich kennen und umsetzen muss, will er keinen Ärger riskieren. Natürlich soll die Gülle nicht in den Bach laufen. Aber braucht es da wirklich Vorschriften, bei welchem Neigungswinkel des Ufers welcher Abstand einzuhalten ist? Kann man da die Regeln nicht einfacher halten?
Ist in den letzten Jahren vielleicht auch etwas viel auf die Bauern eingeprasselt? Wird von ihnen zu viel verlangt, zum Beispiel in Sachen Tierwohl – mit allem, was das nach sich zieht.
Kasberger: Auch das trägt zur Unzufriedenheit bei. Natürlich ist es billiger, viele Tiere auf kleinem Raum zu halten, mehr Bewegungsfreiheit ist teurer. Natürlich will der Landwirt seine Tiere möglichst gut halten. Natürlich möchte der Bauer von seiner Arbeit leben können, nicht auf Subventionen angewiesen und an zig Auflagen gebunden sein. Noch scheint mir die breite Öffentlichkeit aber nicht bereit, das durch ihr Einkaufsverhalten auch zu honorieren. Ein neuer Kuhstall ist teuer, mit einer Million Euro ist man schnell dabei. Und: Wer so viel Geld in einen neuen Stall investiert, der will auch die Sicherheit haben, dass sich das irgendwann rentiert. Das geht derzeit ohne Fördermittel nicht.
Fördermittel hier, Fördermittel da – da entsteht schnell der Eindruck, der deutsche Bauer hängt am Tropf der Politik.
Kasberger: Die Subventionen begannen mit der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik und ihrer Bürokratie. Der Hintergrund ist seitdem immer der flächendeckende Erhalt der Landbewirtschaftung und damit der Nahrungsversorgung der Bevölkerung. Spätestens seit dem Beginn des Strukturwandels Mitte der 1950er Jahre war die Frage, wie viele landwirtschaftliche Familienbetriebe erhalten werden können. Die Produktionskosten in Deutschland sind nun einmal andere, als in anderen Ländern. Allen Landwirten in Europa die gleichen Überlebenschancen zu bieten, daran orientiert sich der Umfang der Förderung.
Sehen Sie einen Weg, die Subventionen zu senken oder gar loszuwerden?
Kasberger: Kurz und mittelfristig werden wir wohl nicht umhinkommen, die Landwirtschaft zu bezuschussen. Dazu sind hier Löhne, Kosten und Auflagen zu hoch. Wichtig ist auch eine Gleichbehandlung mit den Bauern in anderen EU-Ländern. In Frankreich beispielsweise dürfen landwirtschaftliche Maschine mit deutlich billigerem Heizöl betrieben werden. Was bei dem riesigen Energiebedarf der großen Traktoren viel ausmacht. Hinzu kommt, dass noch zu wenig Kunden bereit sind, die regionale Bio-Milch für 40 Cent mehr pro Liter zu kaufen, lieber zur Hausmarke der Konzerne greifen – was den Milchpreis niedrig hält. Bauern können aber nicht, wie andere Industrien, einfach mit Sack und Pack nach Asien ziehen. Und wir können die Landwirtschaft nicht einfach sterben lassen wie die Schwerindustrie. Die Subventionen sichern letztlich die Lebensmittelversorgung und bezahlbare Preise.
Feststellung einer Tatsache der demonstrierenden Landwirte
A propos Bio-Milch: Die bayerische Staatsregierung hat „30 Prozent Bio“ als Ziel ausgegeben.
Kasberger: Da stellt sich mir die Frage, ob das per staatlicher Verordnung oder auf freiwilliger Basis erreicht werden soll. Der Umstieg braucht seine Zeit. Ich weiß von etlichen Ehemaligen (der Landwirtschaftsschule, Anm.d.Red.), die gerne Biomilch liefern würden. Hier in der Region aber keine Abnehmer finden, weil die entsprechenden Molkereien nicht mehr Bio-Milch verkaufen können.
Glauben Sie, dass die Landwirte mit ihren Protesten Erfolg haben werden?
Kasberger: (schmunzelt) Ein Ziel haben sie schon erreicht: Es wird wieder über die Landwirtschaft geredet. Und das ist schon ein Erfolg, egal, was letztlich sonst noch dabei herauskommt.

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