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Im Pickup von Hans Plank zu den Bauernprotesten am Samstag (13. Januar) nach Rosenheim. Hans ist Landwirt, Handwerker und zweiter Bürgermeister Eggstätts (CSU). Wir begleiten ihn an diesem Tag.
„Wir werden hingestellt als Brunnenvergifter, Tierquäler, Subventionsbetrüger - das hat schon lang in uns gebrodelt.“ Hans Plank ist Landwirt und Ofensetzer und er hat „die Schnauze voll.“ Erhitzte Gemüter, heiße Motoren: Am Samstag (13. Januar) rollt auch eine Kolonne aus Eggstätt nach Rosenheim: Und Reporterin Katrin Langenwalter sitzt auf dem Beifahrersitz von Hans Planks „Ampelräumdienst.“
Rosenheim/Eggstätt – „Servus Katrin, ich muss noch schnell Duschen, ich war noch im Stall.“ Hans Plank öffnet mir Samstagvormittag die Tür von seinem Bauernhof in Eggstätt: bekleidet nur in Unterhose. Er hat derzeit Proteststress. Seine Tiere muss er natürlich trotzdem versorgen. Vorm Haus stehen zwei Traktoren, der Lehrbub und ein Kollege von Hans sind bereits bekleidet und checken die Befestigung der Mahnschilder an den Gefährten: „Ampelräumdienst“ und „Der Hof brennt, die Politik pennt“, ist da in großen Lettern zu lesen.
Jetzt wird es ernst: Hans Plank nimmt mich heute mit zu den Bauernprotesten. Ich gehe mit einigen Fragezeichen an den Start: Wollen die Bauern wirklich nur günstig Diesel abgreifen? Werden die Proteste von Rechts unterwandert sein? Werden wir auch beschimpft werden, wie die Klimaaktivisten, weil wir Staus produzieren? Ich hieve mich in den Pickup und halte mich am Kaffee fest. Geplant ist eine Sternfahrt in Rosenheims Innenstadt.
Die Gruppe von erbosten Bauern aus Eggstätt trifft sich zuvor im Industriegebiet Natzing. Und hier ist Aufatmen angesagt: Auch ich als Pressevertreterin werde von allen freundlich begrüßt und die Stimmung der Bauern ist euphorisch. Viele junge, vornehmlich männliche Landwirte schütteln Hände, tauschen sich über die Demoroute aus und: Ein anderer Pickup muss nochmal eben fremd gestartet werden, dann geht es weiter zum Treffpunkt Süd in Rosenheim.
„Es geht längst nicht mehr nur um die Bauern“
Hans Plank und ich kommen ins Gespräch: Warum bist Du heute bei den Protesten dabei, will ich gleich am Anfang unserer Fahrt wissen: „Ich bin momentan sehr unzufrieden, wie dieses Land regiert wird und wie mit uns umgegangen wird.“ Hans Plank ist nicht nur Bauer, sondern auch Ofensetzer mit eigenem Betrieb. Er weiß, es geht längst nicht mehr nur um die Bauern: In den verschiedensten Sektoren hat man momentan Probleme. Und deswegen sind diese Proteste so interessant, weil sie so vielschichtig sind.“ Wir unterbrechen unser Gespräch. Hans hat die anderen Eggstätter an einer Ampel abgehängt.
Von der Ampel abgehängt - darin sind die Bauern ja bereits geübt und so findet sich die Gruppe schnell an der nächsten roten Ampel wieder. Am Treffpunkt Süd in der Nähe vom Weko auf der Innfeldstraße fahren wir bei strahlend blauem Himmel in ein Meer aus Grün: John Deere, Deutz, Fendt. Und es ist kein Ende mehr in Sicht. Jetzt heißt es warten, bis alle Protestwilligen eingetroffen sind. Hans klettert auf einen Ladeheber, um das Ausmaß der Teilnehmeranzahl festzuhalten. Ich nutze die Gelegenheit und streife über das Gelände:
Hans Plank beim Treffpunkt Süd (Nähe Weko) in vollem Einsatz. Um einen Überblick über die angereisten Protestfahrzeuge zu bekommen, schwingt er sich auf den Ladeheber.
Vor allem interessiert mich, ob ich nicht doch irgendwo über Nazisymbolik oder Reichsbürgerfahnen stolpere. Im Zuge der Proteste waren immer wieder Vorwürfe laut geworden, die Landwirte würden sich von rechts unterwandern lassen. Ich schnappe Gesprächsfetzen auf: Ein Bauer erzählt, man habe ihm den Ampelgalgen umgeworfen, den er am Feld zu Hause aufgestellt hatte. Ein anderer befürchtet sogar Probleme mit dem Gesetz, weil ihn jemand angezeigt hätte wegen der Symbolik. Ob Satire das darf? Die Bauern sagen ja. Rechte Parolen sehe ich an diesem Tag keine.
Mit Punkrock nach Rosenheim: Festivalstimmung schon beim Aufbruch
Ich finde fast nicht zu Hans Planks Gruppe zurück, auf der Wiese hat sich ein Labyrinth aus Traktoren gebildet. Es herrscht Festivalstimmung. Aus Hans Pickup dröhnt Musik: „Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es ist nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt“, singt da die Punkband „Die Ärzte“. Nachdem per Whatsapp die Information kommt, dass es losgehen soll, stehen wir noch fast eine Stunde, weil sich so viele dem Konvoi anschließen.
Im Pickup ist es warm: Zeit, nochmal nachzuhaken: Fast ein Drittel der EU-Zuwendungen gehen an die Landwirtschaft. Jetzt wird sich über die Dieselsteuer beschwert. Kriegt ihr denn den Hals nicht voll, frage ich provokativ: „Alsoder Landwirt kriegt eine Subvention und kauft sie dann einen Porsche. So läuft es ja nicht.“ Sobald, so Hans weiter, Subventionen fließen, wirkt sich das wiederum auf den Verkaufspreis aus, auf den der Landwirt aber keinen Einfluss hat:
Lebensmittelförderung und nicht Bauernförderung?
„Der Lebensmitteleinzelhandel sagt, ah, ich glaube, die können wieder günstiger produzieren und zwingt den neuen Preis, zum Beispiel der verarbeitenden Molkerei auf. Die Molkerei muss dann unweigerlich dem Landwirt wiederum weniger für seine Milch zahlen.“ Die Lebensmittelkonzerne seien die Gewinner und zum Teil sei das ja auch in Ordnung, gibt Hans zu bedenken. Günstige Lebensmittel seien ja gut für die Bevölkerung. Aber man müsse die Agrarsubventionen auch als solche begreifen: die Förderung günstiger Lebensmittel und nicht die Förderung der Landwirte.
Rosenheim: Proteste von Landwirten, Speditionen, Lkw-Fahrern und Handwerkern am Samstag, 13. Januar
Dann, endlich gehts los: Wir reihen uns ein in die schier endlose Schlange der Protestfahrzeuge. Und jetzt will ich auch mal von Hans wissen: warum die Wut auf die Ampelregierung? Lief denn unter der CDU alles super? „Wie jeder weiß, bin ich ja sogar Mitglied bei der CSU. Ich bin aber trotzdem immer ein kritisches Mitglied. Und ich muss sagen, dass in den letzten Jahrzehnten mit Sicherheit viel falsch gelaufen ist. Sonst hätten wir nicht das sogenannte Bauernsterben, wenn ich jetzt wieder bei der Landwirtschaft bleiben darf.“ Dennoch ist er derzeit vor allem auf die Politiker der Ampel sauer:
Rechtsradikaler Mob? „Da bin ich persönlich beleidigt“
„Ich finde halt nur das Auftreten, das diese Ampel jetzt hat, falsch. Also, wenn große Teile der Bevölkerung auf die Straße gehen und sagen, das könnt ihr nicht machen, ein Heizungsgesetz, einen verfassungswidrigen Haushalt, dass man sich dann hinstellt und sagt, ihr seid von rechts unterwandert, ihr habt einen rechtsradikalen Mob, da bin ich persönlich beleidigt. Niemand hat hier feuchte Umsatzphantasien, wir wollen nur vernünftig regiert werden.“
Dass der Protest längst auf andere Sektoren umgeschlagen hat, sehe ich selbst, während wir die Stadtgrenze Rosenheims passieren. Handwerkerwägen, Pkws mit Schildern wie „Auch wir Krankenschwestern sind sauer“ oder Passanten am Straßenrand, die uns zujubeln. Ich frage mich: Warum kommt der Bauernaufstand so gut an in der Bevölkerung? Wenn sich Klimaaktivisten festkleben und Staus auslösen, sind alle sauer:
In der Rosenheimer Innenstadt: Am Straßenrand werden wir bejubelt, Sektflaschen entgegengestreckt, Applaus und Zustimmung sind bei der Demo keine Seltenheit.
„Also jeder geht ja für seine gute Sache auf die Straße. Nur der Unterschied ist, wie man das macht und was das Ziel davon ist. Die Klimakleber versuchen anscheinend möglichst viel zu stören und möglichst viel zu blockieren. Und natürlich hat jetzt auch unser Protest, zu Behinderungen der Bevölkerung geführt. Nur, ganz ehrlich, wenn die Leute, die jetzt hier auf der Straße gewesen sind, mit Traktoren, Lastwagen, Sprintern, das Maximale an Verkehrschaos gewollt hätten, dann wäre das Land eine Woche im Chaos versunken.“
Sind die Bauern die besseren Demonstranten?
Hans Plank versucht den Unterschied der jeweiligen Proteste auszumachen: Erstens hätten die Organisatoren des Protestes am Samstag extra das Wochenende gewählt, um möglichst wenig Menschen in Mitleidenschaft zu ziehen. Und zum Thema Rettungsgasse, das bei Klimaprotesten immer wieder angemahnt wird, sagt Hans:
„Wenn ich jetzt jeden Zweiten, der heut protestiert, befrage, dann wird der wahrscheinlich bei uns bei der Feuerwehr sein. Also die Leute, die bei uns auf die Straße gehen, sind einfach grundsätzlich schon sensibilisiert für diese Problematik.“ Grundsätzlich verstehe er die Thematik der Umweltaktivisten schon:
„Ich bezweifle gar nicht, dass wir in Zukunft durch Wetterextreme oder derartiges große Probleme kriegen werden. Grade wir Landwirte, und das hat man ja am Erntejahr 2023 gesehen, kriegen das als erste ab.“ Und warum solidarisieren sich dann nicht auch viel mehr Menschen an den Klimaprotesten? „Unser Protest ist halt für die Menschen wesentlich greifbarer. Wenn ich eine schlechte Finanzpolitik betreibe, dann sind das Dinge, die sofort Einfluss haben auf den normalen Bürger, und dann versteht der das und sagt, genau so geht es mir auch. Wenn jemand sagt, in 30 Jahren haben wir Probleme mit dem Klima, dann ist das weniger greifbar.“
Nach wilden Ritt im Pickup: Bilanz des Tages in gemütlicher Runde
Wir fahren am Rosenheimer Rathaus vorbei und die Stimmung ist mittlerweile phreatisch. Da reichen Privatleute den Protestierenden Getränke aus Kofferräumen, eine Frau am Straßenrand hält mir eine Flasche Sekt entgegen. Während wir immer noch Richtung Norden fahren, geht auch auf der Gegenseite nichts mehr. Die Route ist beidseitig voll. Stunden vergehen, bis wir wieder am Ausgangspunkt angelangt sind. Das Mahnfeuer ist abgesagt, und die meisten Landwirte zieht es jetzt nach Hause.
Nach den Protesten ist vor den Protesten: So sei das zumindest, bis sich was ändere. Hier sitzen wir nach einem langen Protesttag noch mit Hans und seinen Kollegen in gemütlicher Runde und lassen die Eindrücke Revue passieren.
Auch ich werde bei Hans auf dem Hof noch eingeladen. Direkt neben dem Stall im „Salon“ lassen die Bauern nochmal alles Revue passieren. Laut Veranstalter hätten 1600 Fahrzeugen mitgemacht. Wir glauben aber, dass es deutlich mehr waren. Man sei zu zufrieden, aber noch lange nicht am Ende der Protestaktionen.