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„Ist der Bahn völlig wurscht“

Kein SEV für Rollstuhlfahrer in der Region? Wut über Bahn-Ausreden – doch es gibt eine gute Nachricht

„Es ärgert mich so maßlos, dass es keine Konsequenzen hat, wenn man Barrierefreiheit oder Behindertengerechtigkeit nicht einhält“, sagt Josef Höck über Mängel bei der Barrierefreiheit bei der Bahn.
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„Es ärgert mich so maßlos, dass es keine Konsequenzen hat, wenn man Barrierefreiheit oder Behindertengerechtigkeit nicht einhält“, sagt Josef Höck über Mängel bei der Barrierefreiheit bei der Bahn.

Kaputte Fahrstühle, zu steile Rampen, kein barrierefreier Ersatzverkehr. Wer mit dem Rollstuhl, einem Rollator oder Kinderwagen mit der Bahn unterwegs ist, steht oft vor massiven Hürden. Was Betroffene dazu sagen und wie sich die Bahn auf die Generalsanierung ab 2027 vorbereitet.

Rosenheim – Verspätungen, überfüllte Züge oder sogar Schienenersatzverkehr. Wer mit der Bahn unterwegs ist, muss sich auf alle Eventualitäten gefasst machen. Doch was für manche vielleicht einfach nur ärgerlich und nervig ist, kann für andere zum unüberwindbaren Hindernis werden. Nämlich dann, wenn man beispielsweise im Rollstuhl sitzt und auf Barrierefreiheit angewiesen ist. So wie Josef Höck.

Selten SEV für Rollstuhlfahrer: „Das ist unmöglich“

Höck ist der Behindertenbeauftragte der Gemeinde Eggstätt, sitzt selbst im Rollstuhl und kennt die Probleme mit dem öffentlichen Nahverkehr nur zu gut. Mit Bus und Bahn hat er „überhaupt keine positiven Erfahrungen gemacht“, sagt er gegenüber dem OVB. Schon bei der letzten Teilhabekonferenz für den Landkreis Rosenheim hat er die Probleme mit dem ÖPNV angesprochen. Und dabei wurde deutlich, dass es an vielen Ecken und Enden hakt. Besonders dann, wenn Züge ausfallen. Dann sei es oft der Fall, dass beim Bus-Schienenersatzverkehr (SEV) zum Beispiel Reisebusse eingesetzt werden, die Rollstuhlfahrer nicht nutzen können.

Josef Höck, Beauftragter der Gemeinde Eggstätt für die Belange von Menschen mit Behinderungen

„Das ist unmöglich“, findet Höck. Und dieses Problem betreffe ja nicht nur Rollstuhlfahrer. Auch Mütter mit Kinderwagen oder Menschen mit Rollatoren werden dadurch vom ÖPNV ausgeschlossen. Doch warum greift man bei der Bahn überhaupt auf solche Busse zurück? Schließlich ist es ersichtlich, dass zahlreiche Menschen diese nicht nutzen können.

Die Antwort der Bayerischen Regiobahn (BRB) dürfte für Betroffene ernüchternd sein: „Natürlich stellen wir bei der Busbestellung an unseren SEV-Dienstleister die Anforderung, dass die Busse barrierefrei sein müssen“, heißt es auf OVB-Anfrage. „Es sind aber nicht immer ausschließlich solche Busse für die benötigten Kapazitäten verfügbar, insbesondere nicht bei Busnotverkehr, der ad hoc in kürzester Zeit organisiert werden muss.“

Anstehende Generalsanierung: Wie barrierefrei wird der SEV?

Doch was ist mit dem Schienenersatzverkehr bei Streckensperrungen wegen Baustellen? Schließlich stehen in den kommenden Jahren einige Großprojekte in der Region an. So sollen die Strecken zwischen München und Rosenheim sowie Salzburg und Rosenheim generalsaniert werden. Die Folge: Kein Zug kann fahren, der Verkehr wird auf Busse verlagert. Der erste Abschnitt, also die Strecke Rosenheim – Salzburg, wird einer Bahn-Sprecherin zufolge ab dem 5. Februar 2027 gesperrt sein. Die Bauarbeiten werden dann bis zum 9. Juli 2027 andauern. Der Abschnitt zwischen Rosenheim und München soll dann 2028 folgen. Für den SEV während dieser Zeit ist nicht die BRB, sondern die Deutsche Bahn verantwortlich.

Und zumindest hierfür scheint es gute Nachrichten zu geben. „Für den Ersatzverkehr während der anstehenden Generalsanierungen hochbelasteter Streckenabschnitte hat der DB-Konzern einheitliche Qualitätsvorgaben definiert“, heißt es auf Anfrage bei der Bahn. Diese Standards seien bereits bei der Generalsanierung der Riedbahn – einer Bahnstrecke zwischen Mannheim und Frankfurt am Main – zur Anwendung gekommen. Konkret heißt das: neuwertige Busse, die barrierefrei zugänglich sind und außerdem über ausreichend Stauraum, WLAN und teils sogar Toiletten verfügen.

SEV im Rollstuhl: Mehr Aufklärung für Busfahrer und Mitmenschen

Doch alleine mit der Bereitstellung der Busse sei es nicht getan, betont Höck. „Wenn man mit dem Schienenersatzverkehr fährt, ist man auf Menschen angewiesen“, sagt er. Und diese Personen müssten dann wissen, wie man mit der Person und dem Rollstuhl umgehe. „Ich bin ja relativ resolut. Aber es gibt auch Leute, die älter sind oder zum Beispiel Glasknochen haben“, merkt er an. Da müssten Busfahrer und auch die Bevölkerung wissen, wie man mit diesen Menschen umgeht.

„Unser Anspruch ist, alle Fahrgäste in unseren Bussen zuverlässig und sicher an ihr Ziel zu bringen. Dabei liegen uns insbesondere auch die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Reisender am Herzen“, heißt es dazu vonseiten der Deutschen Bahn. „Grundsätzlich sind alle Fahrer angehalten, sich allen Fahrgästen gegenüber möglichst rücksichtsvoll und hilfsbereit zu verhalten“, erklärt eine Sprecherin. Die Fahrer seien bezüglich der Rampen und anderer Hebe-Einrichtungen geschult.

Kaputte Fahrstühle, steile Rampen: Einige Probleme für Rollstuhlfahrer

Die Probleme, mit denen Personen im Rollstuhl täglich konfrontiert sind, zeigt auch ein Video eindrücklich, welches von der Projektgruppe barrierefreies Bauen Stadt und Landkreis Rosenheim produziert wurde. Darin versucht Höck mit dem öffentlichen Nahverkehr von Reischenhart nach Rosenheim zu gelangen, um dort ein Eishockeyspiel zu besuchen. Das Resultat: Kaputte Fahrstühle, Umwege, zu steile Rampen und letztlich eine Ankunft am Eisstadion – „pünktlich“ zum letzten Drittel.

Was sowohl aus dem Gespräch mit Höck, als auch aus der Teilhabekonferenz klar wird: Es benötigt mehr Sichtbarkeit und Aufklärung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Denn jeder hat das Recht, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B zu gelangen. „Es ärgert mich so maßlos, dass es keine Konsequenzen hat, wenn man Barrierefreiheit oder Behindertengerechtigkeit nicht einhält“, sagt Höck. „Es ist ein Grundgesetz. Alle Menschen sind gleich, niemand darf benachteiligt werden“, betont der Eggstätter. „Und das ist der Bahn völlig wurscht – und das schon seit Jahrzehnten.“ Aber immerhin: Für die anstehenden Bauarbeiten scheint die Bahn gewappnet zu sein.

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