Wunsch nach längeren Zügen
„Könnten, aber dürfen nicht“: Warum zwischen Rosenheim und München so ein Bahn-Chaos herrscht
Stickige Luft und schwitzende Menschen, dicht an dicht. Wer regelmäßig mit dem Zug zwischen München und Rosenheim fährt, kennt diese Situation. Längere Züge könnten Abhilfe schaffen – findet auch die Bayerische Regiobahn. Warum sich trotzdem nichts tut.
Rosenheim – „Nein, wir können den massiven Personenverkehr aktuell nicht stemmen.“ Damit hat Arnulf Schuchmann, Geschäftsführer der Bayerischen Regiobahn (BRB), eine ziemlich klare Ansage gemacht. In seiner Aussage bezieht sich Schuchmann auf den Andrang auf der Strecke zwischen München und Rosenheim. Diese ist nicht nur unter der Woche durch zahlreiche Pendler ausgelastet. Auch am Wochenende „platzen die Züge aus allen Nähten“, weiß er.
Anpassung an Nachfrage „läuft sowieso“
Dass man in den Zügen der BRB auf dem Weg nach München oder zurück nach Rosenheim sehr oft dicht gedrängt steht, ist dem Geschäftsführer zufolge mehreren Umständen geschuldet. Seit Corona habe sich die Situation deutlich verändert, macht Schuchmann klar. Sowohl die vermehrte Homeoffice-Nutzung als auch die Einführung des Deutschlandtickets haben das Fahrverhalten beeinflusst. Man würde ohnehin durchgehend anpassen und prüfen, was das Zeug hält. „Das läuft sowieso“, sagt er. Und zusätzliche Züge einzusetzen, sei quasi nicht möglich. „Die Strecke ist komplett ausgelastet.“ Klar ist: Irgendwann sind die Grenzen erreicht. Und dann? Dann wären nur längere Züge eine Lösung. Die Gelder dafür müssten aber durch das bayerische Verkehrsministerium bereitgestellt werden. Doch hier scheint es dürftig auszusehen.
„Seit April liegt ein Angebot vor“, sagt Schuchmann. Man habe seitens der BRB angeboten, am Wochenende längere Züge auf der beliebten Strecke einzusetzen. Klingt eigentlich gut. So hätten Urlauber, Tagestouristen, Wanderer und Radler deutlich mehr Platz. „Die Not wäre da“, sagt Schuchmann. Doch „oben“ hält man sich bedeckt. „Im Grundsatz könnten wir, aber wir dürfen nicht, weil das Geld knapp ist“, sagt der BRB-Chef.
Zugchaos in Rosenheim: 333 Sitzplätze mehr
Auf Nachfrage beim Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr heißt es, dass kein derartiges Angebot vorliege. „Jedoch kann es sein, dass sich die BRB auf eine Umfrage der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) zu besonders von den Nachfrageeffekten des Deutschlandtickets betroffenen Zügen bezieht“, erklärt ein Sprecher weiter. Bei der BEG weiß man tatsächlich mehr zu diesem Thema. Man habe seit der Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023 viele Gespräche mit den einzelnen Eisenbahnunternehmen – also auch mit der BRB – geführt. Diese sollten dazu dienen, herauszufinden, wo eine Verstärkung „denkbar und gleichzeitig auch betrieblich sinnvoll und umsetzbar wäre“, sagt der Sprecher der BEG.
Im Rahmen dieser Gespräche seien mehrere Züge – insbesondere an Wochenenden – identifiziert worden, die die Voraussetzungen erfüllen würden. Im April 2024 wurde schließlich das von Schuchmann angesprochene Angebot vorgelegt, bestätigt die BEG. Die Züge könnten dann mit einem weiteren Zugteil mit insgesamt 333 Plätzen verstärkt werden. Was der zusätzliche Zugteil kosten würde, kann die BEG aus Geheimhaltungsgründen nicht nennen.
„Finanzierungssituation sehr schwierig“
Was aber deutlich wird: Finanziell ist der zusätzliche Zugteil aktuell nicht drin. Konkret heißt es in der Stellungnahme der Gesellschaft: „Angesichts der angespannten Finanzierungssituation im Schienenpersonennahverkehr und der nach wie vor fehlenden Anpassung der Regionalisierungsmittel durch den Bund – welche in anderen Bundesländern bereits zu Abbestellungen geführt hat – sind die Rahmenbedingungen für zusätzliche Kapazitätsanpassungen […] sehr schwierig.“ Außerdem fehle aktuell die Sicherheit über die Zukunft des Deutschlandtickets. „Insofern ist derzeit noch offen, ob das Angebot der BRB weiterverfolgt werden kann.“
Für Schuchmann – und für viele entnervte Fahrgäste – ist allerdings klar, dass eine Lösung bald hermuss. Etwaige Pläne, wie eine Regional-S-Bahn bis Rosenheim, die kürzlich in einem Gutachten als „positiv“ bewertet wurde, seien keine Hilfe für das bestehende Problem. „Das wäre frühestens in 20 Jahren“, sagt Schuchmann. „Was machen wir bis dahin?“ Es sieht so aus, als müssten die Fahrgäste noch weiterhin auf Kuschelkurs gehen. Zumindest so lange, bis seitens des Bundes endlich Klartext gesprochen wird.