„Engagierte Bürgerschaft“ fordert Stigloher-Rücktritt
Proteste vor dem Rathaus: Hat Anti-Queer-Post von Willinger CSU-Chef Konsequenzen?
Kurz vor der Stadtratssitzung versammelten sich empörte Bürger, Politiker und Vereinigungen in Bad Aibling und distanzierten sich von den umstrittenen Facebook-Aussagen des Dritten Bürgermeisters zum Adoptionsrecht. Wie Markus Stigloher reagiert und ob es nun Konsequenzen gibt.
Bad Aibling – Ein umstrittener Facebook-Post von Bad Aiblings Stadtrat Markus Stigloher (CSU) sorgt weiterhin für große Aufregung. Der Dritte Bürgermeister und Ortsvorsitzende der CSU-Willing hatte sich den Vorwurf der Queerfeindlichkeit eingehandelt, etwa weil er sich gegen ein „Adoptionsrecht für Homos“ ausgesprochen hatte. Nachdem sich bereits zahlreiche Kommunalpolitiker kritisch dazu geäußert hatten und sogar Stiglohers Rücktritt gefordert wurde, kam es nun, kurz vor der Stadtratssitzung am Donnerstag (27. Juli), zu Protesten vor dem Bad Aiblinger Rathaus.
„Ich schätze jeden Menschen gleichermaßen, der Post war inakzeptabel.“
Mit der Kundgebung „Stoppt den Hass gegen Queer – Queer macht auch Deine Welt bunter“ auf dem Marienplatz reagierte eine „engagierte Bürgerschaft“ auf die Geschehnisse der vergangenen Tage und forderte Konsequenzen – Stigloher solle von allen seinen politischen Ämtern zurückzutreten. Der Organisator, Regisseur Michael Stacheder, sprach vor über hundert Teilnehmern von einem „abscheulichen Post“, der das wahre Denken eines Menschen „aufs ekelhafteste“ offenbare. Stacheder bezeichnete es zudem als „beschämend“, dass ein Großteil des Stadtrates sowie Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) zu den Vorfällen schweigen würden.
Deutliche Worte und eine Überraschung im Rathaus
Bei der friedlichen Demo ergriffen unter anderem auch die Stadträtinnen Martina Thalmayr (Grüne), Irene Durukan (Grüne) und Anna Maria Kirsch (ÖDP) das Wort und setzten ein Zeichen gegen Hetze und für Toleranz und Offenheit. Mit Regenbogenfahnen und Schildern (mit Slogans wie „Null Toleranz für Intoleranz“) drückten die zahlreichen Zuschauer, unter denen auch weitere Gremiumsmitglieder weilten, ebenfalls ihre Haltung aus. Während vor dem Rathaus noch weitere Redner ans Mikrofon traten (siehe Infobox), begann die Stadtratssitzung im Rathaus zeitgleich mit einer Überraschung.
Wer bei der Kundgebung das Wort ergriff
Neben Organisator Michael Stacheder und den Stadträtinnen Martina Thalmayr, Irene Durukan und Anna Maria Kirsch traten viele weitere Redner ans Mikrofon. Unter ihnen waren Jonah Werner (Jusos Rosenheim), Anna Gmeiner (Sprecherin Grüne Jugend Kreisverband Rosenheim), Simon Hausstetter (Bürgermeister von Rohrdorf), Sabine Rechmann (Rechtsanwältin, Linke), Daniel Reuter (FDP-Bezirksrat im Bezirk Oberbayern), Jonas Turber (CSD Rosenheim), Dr. Michael Brinkschröder (Regenbogenpastoral Erzdiözese München-Freising) und Alexandra Burgmaier (SPD-Kreisvorsitzende Rosenheim Land).
Noch bevor Bürgermeister Schlier die Sitzung offiziell eröffnete, bat Markus Stigloher in einer persönlichen Erklärung erneut um Entschuldigung. Vor dem Stadtratsgremium und der Öffentlichkeit nannte er die umstrittenen Facebook-Aussagen „falsch und unangemessen“. Stigloher weiter: „Ich schätze jeden Menschen gleichermaßen, der Post war inakzeptabel.“ Ihm sei klar, dass das Geschehene nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. „Alle, die ich verletzt habe, bitte ich um Entschuldigung.“
Emotionaler Appell von Richard Lindl
Nach mehrstündiger Beratung der eigentlichen Stadtratsthemen kam die Causa erneut zur Sprache. Grünen-Stadtrat Richard Lindl zeigte sich emotional: „Von den vier Kindern, die ich mit meiner Frau großgezogen haben, ist eines schwul und eines transgender.“ Deshalb fühle sich Lindl von Stiglohers Facebook-Aussagen „ganz persönlich angegriffen“. Der Post sei absichtlich populistisch verfasst worden. „Ich würde die Frage gerne in den Raum stellen, ob so ein Mensch Dritter Bürgermeister sein kann“, so Lindl.
Vor den Augen Stiglohers äußerte sich dann auch noch Bad Aiblings Zweite Bürgermeisterin Kirsten Hieble-Fritz. Sie verstehe jeden, der sich von Stiglohers Worten verletzt fühlt. Niemand sei verpflichtet, die Entschuldigung anzunehmen. „Jeder Mensch ist für mich gleich, deshalb bin auch ich als Mensch betroffen“, sagte die ÜWG-Stadträtin über den „nicht tragbaren“ Post. Ihr sei es zudem wichtig, zu betonen, dass die Stadt diesbezüglich nicht versuche, etwas hinter verschlossenen Türen zu regeln. Sie verurteile das Geschehene, welche Konsequenzen Stigloher nun jedoch ziehe, „ist seine Sache“.
Petra Keitz-Dimpflmeier (SPD) übte indes Kritik an Schliers Sitzungsführung, da Stigloher bereits kurz vor 18 Uhr seine Entschuldigung vorgetragen hätte. So hätten es die Stadträte, die an der Kundgebung teilgenommen haben, nicht umfänglich mitbekommen können. „Ich finde es schade, dass man die Sache nicht gemeinsam besprechen kann.“ Auch Keitz-Dimpflmeier distanzierte sich von Stiglohers Post und sieht dadurch auch eine „gewisse Unfähigkeit, ein solches Amt noch zu bekleiden“.
Wie äußert sich der Bürgermeister?
„Worte sind wie Öl im Feuer, sie können zündeln“, mahnte Irene Durukan (Grüne) und kritisierte die „unerträglichen“ Aussagen. Nun müsse man aus den Geschehnissen lernen. Durukan forderte von der Stadt, insbesondere von Bürgermeister Stephan Schlier, eine klare Haltung. „Auch in Bad Aibling haben wir rechtsextreme Strömungen, das macht mir große Sorgen.“
Den Vorwurf der schlechten Sitzungsführung wies Rathauschef Schlier entschieden zurück. Er habe die Sitzung um 18 Uhr eröffnen wollen, sei von Stigloher nicht vorab über dessen Erklärung informiert worden. Zum eigentlichen Thema bezog er nun jedoch Stellung. Nachdem sich Schlier zuletzt noch zurückgehalten hatte, machte er am Donnerstagabend deutlich: „Der Post war völlig unangemessen, das sehen alle so.“ Er ergänzte jedoch: „Herr Stigloher hat sich entschuldigt und seine Entschuldigung war aufrichtig.“
Stigloher: „Kein Adoptionsrecht für Homos“
Die Vorgeschichte: Bereits am 4. Juni hatte Stigloher auf der Facebook-Seite der Willinger CSU das Foto einer Menschengruppe beim „Christopher Street Day“ (CSD) in Rosenheim gepostet, die ein Banner mit der Aufschrift „QUEER.PROUD.GRÜN.“ in den Händen hält. Das Foto kommentierte er mit den Worten „Was soll daran PROUD sein wenn wer QUEER ist? Die Natur hat für die Queeren keine Fortpflanzung vorgesehen. Das ist der ultimative BIG FAIL im Leben der QUEEREN. CSU Willing meint: kein Adoptionsrecht für Homos.“ Der Post wurde inzwischen gelöscht, Stigloher entschuldigte sich zwischenzeitlich per Facebook-Beitrag für die Aussagen. Ob er selbst Konsequenzen ziehen wird, ist bislang unklar.

