Vorsitzender will „kein Adoptionsrecht für Homos“
„Hasserfüllte Aussagen“: Willinger CSU sieht sich nach Anti-Queer-Post massiver Kritik ausgesetzt
Michael Stigloher unter Beschuss: Mit einem Facebook-Post hat sich der Vorsitzende der CSU Willing und dritte Bürgermeister Bad Aiblings den Vorwurf der Queerfeindlichkeit eingehandelt. Was Kritiker jetzt fordern – und wie Parteikollegen reagieren.
Bad Aibling – Ist der Willinger CSU-Ortsverband und dessen Vorsitzender Markus Stigloher, zudem dritter Bürgermeister der Stadt Bad Aibling, „queerfeindlich“? Diesem Vorwurf sieht sich der 58-Jährige nach einem – mittlerweile gelöschten – Post auf der Facebook-Seite der CSU Willing ausgesetzt. Die Grüne Jugend Rosenheim hat nun per Pressemitteilung auf den Post reagiert. Und auch Parteifreunde des Willingers zeigen sich über die Formulierungen des 58-Jährigen auf Facebook nicht gerade glücklich.
Bereits am 4. Juni hatte Stigloher auf der Facebook-Seite der Willinger CSU das Foto einer Menschengruppe beim CSD in Rosenheim gepostet, die ein Banner mit der Aufschrift „QUEER.PROUD.GRÜN.“ in den Händen halten. Das Foto kommentierte er mit den Worten „Was soll daran PROUD sein wenn wer QUEER ist? Die Natur hat für die Queeren keine Fortpflanzung vorgesehen. Das ist der ultimative BIG FAIL im Leben der QUEEREN. CSU Willing meint: kein Adoptionsrecht für Homos.“
Zeilen, die nicht nur bei Personen, die sich dem queeren Spektrum zurechnen, für Kopfschütteln sorgen. Die Grüne Jugend Rosenheim hat nun, nachdem sie den Post entdeckt hatte, mit einer Pressemitteilung unter dem Titel „CSU Ortsverband zeigt sich queerfeindlich“ reagiert. Darin zeigen die Verfasser unter anderem ihr Unverständnis darüber, wie ein derartiger Post im Einklang mit der Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, einen Queer-Aktionsplan zu starten, stehen könne. „Wir fragen uns, wie ernst gemeint das sein kann, wenn in der eigenen Basis Posts wie diese über Monate hinweg toleriert werden“, so der Vorstand der Grünen Jugend Rosenheim.
Die Unterzeichner fordern nun seitens des CSU-Kreisverbandes und der Kandidaten für Landtag und Bezirkstag angesichts der „hasserfüllten Aussagen“ ein „klares Bekenntnis“ für „ein offenes Bayern“, seitens des CSU-Ortsverbandes Willing eine Entschuldigung sowie „eine Stellungnahme zum eigenen Wahlprogramm“. „Als ,Volkspartei‘ sollte man zumindest die eigenen Mitglieder wertschätzen und vertreten“, finden die Grünen-Vertreter und verweisen darauf, dass es auch in der CSU queere Personen gäbe, die „die sich dadurch angegriffen und sicherlich nicht repräsentiert fühlen“. Auch Valentin Weigel aus Rosenheim, der auf dem von Stigloher geposteten Foto abgebildet ist, geht mit dem Verfasser hart ins Gericht: „Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität zu diskriminieren und zu beleidigen ist menschenverachtend.“
Auf eine direkte Entschuldigung, wie von der Grünen Jugend gefordert, will sich der Willinger CSU-Vorsitzende Markus Stigloher, der den Post nach eigenen Angaben selbst verfasst hatte, aber nicht einlassen. „Wenn das jemand falsch verstanden hat oder sich dadurch beleidigt gefühlt hat, dann tut mir das natürlich leid“, sagt der 58-Jährige zwar auf Anfrage des OVB. Er betont aber auch, dass die Forderung, die Adoption gleichgeschlechtlicher Paare zu verbieten, eine „Kernbotschaft“ der Willinger CSU sei. Denn er habe „kein Vertrauen“ in die Kindererziehung durch gleichgeschlechtliche Paare, „weil es mir um die Kinder geht“.
Bayerisches Sozialministerium verweist auf „Aktionsplan Queer“
Auch das bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, hat auf Anfrage des OVB in Hinblick auf den Post des Willinger CSU-Vorsitzenden reagiert und verweist auf die 2017 eingeführte „Ehe für alle“, die es „gleichgeschlechtlichen Ehepaaren nach den gleichen Voraussetzungen wie verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren“ ermögliche, gemeinsam Kinder zu adoptieren. Zudem verwies eine Ministeriumssprecherin auf den „Aktionsplan Queer“, der nach Angaben von Sozialministerin Ulrike Scharf dabei helfen solle, dass Menschen „unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung“ in Bayern „selbstbestimmt, gleichberechtigt, diskriminierungs- und gewaltfrei“ leben können. Scharf: „Wir müssen noch mehr konkrete Maßnahmen ergreifen, um Bewusstsein zu schaffen, zu sensibilisieren, den Zusammenhalt und das Miteinander zu stärken.“
„Ich habe überhaupt kein Problem mit queeren Menschen“, behauptet der dritte Bürgermeister Bad Aiblings. „Auch in meinem Bekannten- und Freundeskreis gibt es Homosexuelle.“ Da sei aber das Thema Adoption noch nie zur Sprache gekommen. Was ihn allerdings nicht gefalle sei, dass einige queere Menschen stets das Gefühl vermitteln würden, benachteiligt zu werden, so Stigloher: „Aber das stimmt einfach nicht.“ Auch wenn Stigloher gleichgeschlechtlichen Ehepaaren das geltende Recht auf Adoption scheinbar gerne entziehen möchte, wie er im Facebook-Post deutlich machte.
Thema muss laut Klaus Stöttner „wesentlich differenzierter“ betrachtet werden
Eine Meinung, die CSU-Kreisvorsitzender Klaus Stöttner keineswegs teilt. „Ich kenne selbst ein schwules Paar, das ein Kind adoptiert hat und großzieht“, sagt der Landtagsabgeordnete. „Das sind liebevolle Eltern, bei denen es das Kind bestimmt besser hat, als in manchen Familie, bei denen es Vater und Mutter gibt.“ Daher findet Stöttner, dass man das Thema Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare „wesentlich differenzierter“ betrachten muss. Zumal Stigloher sich mit seiner Forderung ja „abseits der aktuellen Rechtslage“ bewege. Dennoch findet Stöttner, dass Stigloher das Recht habe, auch diese Meinung zu äußern. Denn „für das Recht auf freie Meinungsäußerung stehen Bayern und die CSU ja besonders“.
Auf den Wortlaut des Posts angesprochen, hält sich der Landtagsabgeordnete dagegen eher bedeckt. Er hätte Stigloher „sicherlich abgeraten, das so zu veröffentlichen“, sagt Stöttner, der glaubt, dass sich einige Menschen vom Wortlaut „beleidigt fühlen könnten“. Dass die Aussagen Stiglohers oder gar der Willinger CSU-Vorsitzende selbst „homophob“ sei, davon will Stöttner allerdings nichts wissen. „Nein, das stimmt auf keinen Fall“, sagt er und betont: „Ich kenne Markus gut, er ist ein geradliniger Mann, der halt zu seiner Meinung steht.“ Er hoffe nun, „dass das Thema nicht zu hoch gehangen werde“, denn: „Wir haben eigentlich andere Themen, die die derzeitigen Diskussionen bestimmen sollten“.
Post spiegelt laut Michael Krimplstötter nicht die Meinung der Willinger CSU wider
Im Willinger CSU-Vorstand wird der Facebook-Post voraussichtlich dennoch bei der nächsten Sitzung Thema sein, wie Michael Krimplstötter, stellvertretender Vorsitzender des Ortsverbandes, gegenüber dem OVB zu verstehen gibt. „Das ist seine Meinung, die er dazu gepostet hat. Eine Rücksprache mit anderen Vorstandsmitgliedern hat es dazu nicht gegeben“, sagt Stiglohers Stellvertreter. „Nachdem über dieses Thema innerhalb der Willinger CSU auch nie gesprochen worden ist, kann es ja auch gar nicht die Meinung der Willinger CSU sein.“
Er geht jedenfalls davon aus, dass demnächst im Vorstand darüber gesprochen werde, wie zukünftig in puncto Social-Media-Posts verfahren werden soll. „Wir werden definitiv daraus lernen und darüber sprechen, wie man mit verschiedenen Themen sensibler umgehen kann.“ Zumal Stigloher mit dem Post seine persönliche Meinung jedenfalls nicht getroffen hat, wie er gegenüber dem OVB betont: „Für mich ist ganz klar, dass man ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare nicht nicht kategorisch ausschließen kann.“
Stefanie Zurl-Radtke, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende der Willinger CSU, will auf Anfrage des OVB hingegen weder ihre eigenen Meinung äußern, noch zu Stiglohers Post Stellung nehmen. „Ich habe damit nichts zu tun“, sagt sie am Telefon. „Ich habe den Post nicht gesehen und will dazu auch nichts sagen.“ Auch Bad Aiblings Bürgermeister Stephan Schlier verweist auf Nachfrage darauf, dass es sich bei dem Post um eine Stellungnahme der Willinger CSU handle und damit „weder die Stadt, noch Herrn Stiglohers geschätzte Arbeit als Dritter Bürgermeister Bad Aiblings oder Fraktionsvorsitzender, noch mich selbst als Mitglied der CSU Bad Aibling“ betreffe.
Eine ähnliche Reaktion bei Andreas Karl, Vorsitzendem der Jungen Union in Bad Aibling, der den Post nach eigenen Angaben „nur überflogen“ hat und sich mit dem Thema auch bislang nicht „so intensiv befasst“ habe. Karl fügt dann aber dennoch an, dass er beim Thema Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare einer völlig anderen Meinung sei, als der Vorsitzende der CSU Willing. „Gleichgeschlechtliche Paare können doch genauso gut die Liebe an Kinder weitergeben, wie Mutter und Vater“, findet Karl, der ergänzt: „Wichtig ist letztlich, dass einem Kind die richtigen Werte und Liebe vermittelt werden. Wer das macht, spielt für mich eine untergeordnete Rolle.“
