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Verabschiedung durch Stadtkirche Bad Aibling

Josef Riedl 70 Jahre Mesner in Thann: Sogar der spätere Papst Benedikt kam zum Frühstück auf seinen Hof

Über 70 Jahre gehörte das Anzünden der Kerzen am Hochaltar der Thanner Kirche zu den Aufgaben von Mesner Josef Riedl.
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Über 70 Jahre gehörte das Anzünden der Kerzen am Hochaltar der Thanner Kirche zu den Aufgaben von Mesner Josef Riedl.

Ob Josef Riedl (92) der älteste Mesner Bayerns ist, ist nicht klar belegt. Einer der dienstältesten ist er auf jeden Fall. Über 70 Jahre kümmerte er sich um die Heilig-Kreuz-Kirche in Thann bei Bad Aibling. Während seiner Dienstzeit kam sogar der spätere Papst Benedikt zum Frühstück auf seinen Bauernhof.

Bad Aibling/Thann - Es war die Fortsetzung einer jahrzehntelangen Familientradition, als Riedl 1952 das Ehrenamt übernahm. „Mein Vater starb plötzlich, da kam es quasi zu einem fließenden Übergang auf mich“, erinnert er sich. Ein nachvollziehbarer Automatismus, schließlich war auch Riedls Großvater schon viele Jahre Mesner in Thann.

Seit der Hochzeit mit seiner mittlerweile 91 Jahre alten Frau Martha im Jahr 1959 stand sie ihm bei der Erfüllung seiner Aufgaben 65 Jahre lang treu zur Seite. „Die Martha hat eine unglaubliche Lebensleistung vollbracht“, sagt er voller Stolz und Dankbarkeit. Gemeinsam bewirtschaftete das Ehepaar viele Jahre einen Bauernhof in Thann, der die wirtschaftliche Grundlage für die beiden bildete. Sieben Kinder gingen aus der Ehe hervor, den Mesnerdienst empfand das Paar trotz seiner vielfältigen Alltagsaufgaben nie als Belastung.

Zweimal wöchentlich Schulgottesdienst

Wie sich kirchliches Leben im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte gewandelt hat und die Auswirkungen des Priestermangels hat, das spürten auch die Gläubigen in Thann. Riedl erinnert sich noch gut an seine Anfangszeit, als noch zweimal wöchentlich ein Schulgottesdienst in der Thanner Kirche stattfand. „Die war bei den Messen richtig voll“, weiß er.

Im Gedächtnis haften blieb ihm auch ein Ritual, das er sehr geschätzt hat. „Nach der Kirche kam der Pfarrer immer zum Frühstücken zu uns. Erst dann ist er zum Religionsunterricht gegangen. Nur ein kurzer Weg, denn der kleine Ort verfügte zu jener Zeit noch über eine eigene Schule.

Riedls reicher Erfahrungsschatz birgt auch ein Treffen mit Joseph Ratzinger, der 1977 Erzbischof der Diözese München und Freising und im April 2005 in Rom zum Papst gewählt wurde. Es war 1954, als Ratzinger - zu dieser Zeit junger Kaplan und bereits Dozent am Priesterseminar in Freising - in Vertretung von Dr. Walter Diezinger in der Thanner Kirche eine Messe hielt. Diezinger kümmerte sich damals um die Gläubigen des Dorfes.

Zettel mit Anweisungen

Gerne nahm auch Ratzinger das Angebot von Josef Riedl und seiner Frau an, ein gemeinsames Frühstück im nur wenige Meter von der Kirche entfernten Hof der Familie einzunehmen. Noch heute ist dem langjährigen Mesner eine Episode in bester Erinnerung, über die der spätere Papst herzhaft lachen konnte. „Diezinger hat ihm einen Zettel mit Anweisungen für die Feier des Gottesdienstes hinterlassen, den ich Ratzinger übergeben habe. Da stand drauf, dass er bei der Segnung der Gläubigen mit dem Weihwasser nicht sparen soll“, so Riedl.

„Das sieht ihm ähnlich“, sagte der nur über seinen Priesterkollegen, mit dem Ratzinger befreundet war. Was die Dosierung des Weihwassers betrifft, setzte er damals dennoch seine eigenen Maßstäbe an.

Urlaub hat es bei uns nicht gegeben

Josef Riedl

Arbeitsteilung zwischen Riedl und seiner Frau war das Rezept, das es dem Ehepaar ermöglichte, das Ehrenamt jahrzehntelang auszuüben. Eine Vertretung brauchten die beiden nie. „Urlaub hat es bei uns nicht gegeben“, liefert Josef Riedl eine einfache Erklärung hierfür.

Pfarrer Philipp Kielbassa und Kirchenpflegerin Maria Grünwald dankten dem Ehepaar bei der Verabschiedungsfeier unter anderem mit einer Ehrenurkunde.

Er kümmerte sich neben organisatorischen Abläufen vor allem um die Vorbereitung der Gottesdienste und Andachten in der Kirche. Außer dem Ankleiden des Pfarrers gehörten hierzu unter anderem das tägliche Auf- und Zusperren des Gotteshauses, das Läuten der Kirchenglocken, das Anzünden der Kerzen am Altar, die Sorge dafür, dass stets genügend Hostien vorhanden waren, und natürlich auch das Aufstellen des Christbaumes un des Kripperls zur Weihnachtszeit.

Eine Dankurkunde vom Kardinal

Im Rahmen einer kleinen Feierstunde verabschiedete die Stadtkirche Bad Aibling im Beisein von Pfarrer Philipp Kielbassa das Mesner-Ehepaar. Neben einer Dankurkunde, die von Kardinal Reinhard Marx unterzeichnet ist, überreichte ihm Maria Grünwald als Vorsitzende der Kirchenverwaltung einen Geschenkkorb, Gutscheine und Blumen.

Sie attestierte Josef Riedl, eine hervorragende Arbeit gemacht zu haben. Thann habe er immer „meine Kirche“ genannt. In seinen Erzählungen habe man seine Begeisterung für das Gotteshaus gespürt.

„Ihre beide wart ein sehr gutes Team“, dankte sie auch seiner Ehefrau. Ihre Leistungen für die Kirche seien genauso wichtig wie die ihres Mannes. Ein besonderes Anliegen sei ihr immer ein schöner Blumenschmuck in dem Gotteshaus gewesen. Den habe sie teilweise auch aus eigener Tasche bezahlt.

„So lang ich Mesner war, haben wir immer das gleiche Kripperl aufgebaut, weil es den Menschen so gut gefallen hat“, erinnert sich der 92-Jährige, der kürzlich mit seiner Frau im Rahmen einer kleinen Feierstunde im Ellmosener Vereinsheim offiziell verabschiedet wurde.

Um Blumenschmuck gekümmert

Martha Riedl kümmerte sich vorwiegend um den Blumenschmuck und die Sauberkeit in der Kirche, wusch und bügelte die Altartücher und gelegentlich auch die Alben der Priester. Ansonsten half sie ihrem Mann bei der Ausübung des Mesnerdienstes, wann immer er sie zur Unterstützung brauchte.

Ein gemütliches Beisammensein nach getaner Arbeit war auch ihr stets wichtig. Anfänglich putzte sie die Kirche alleine, seit etlichen Jahren meistert eine kleine Schar von Frauen diese Aufgabe gemeinsam. „Danach haben wir uns immer bei uns zu Hause bei Kaffee und Kuchen getroffen“, erzählt Martha Riedl. Dass sie den Kuchen selbst gebacken hat, war für sie stets Ehrensache.

Bei uns war das noch normal, dass die Stallarbeit immer wieder mal wegen des Läutens unterbrochen werden musste.

Martha Riedl

Prägten früher das regelmäßige Gebetsläuten um 5 Uhr in der Früh, um 12 Uhr und um 19 Uhr den Tagesablauf des Ehepaares entscheidend mit - am Freitag musste um 11 Uhr zur Sterbestunde von Jesus sogar ein viertes Mal geläutet werden -, hat sich dieses Ritual mittlerweile drastisch verändert. Die Glocken der Thanner Kirche sind heute meist nur als Einladung für einen Gottesdienst oder eine kirchliche Feier zu hören. „Bei uns war das noch normal, dass die Stallarbeit immer wieder mal wegen des Läutens unterbrochen werden musste“, sagt Martha Riedl.

Noch immer werden die Glocken jedoch von Hand bedient, eine Umstellung auf elektronisch gesteuertes Geläut erachteten der Mesner und die für die Filialgemeinde im Verlauf der Jahre zuständigen Stadtpfarrer als nicht erforderlich. „Die beiden kleinen Glocken zu läuten, ist doch überhaupt kein Problem“, meint Riedl.

Das ist ein schöner Brauch

Josef Riedl über das Sterbeläuten

Zu seinen Kernaufgaben zählte auch das sogenannte Wetterläuten, wenn ein Unwetter aufzog, oder das Sterbeläuten, wenn ein Mensch aus dem Dorf diese Welt verlassen hat. Das Läuten für eine Verstorbenen würde Riedl auch noch im Ruhestand übernehmen, wenn es gewünscht wird. „Das ist ein schöner Brauch“, findet er.

Ob er nach seinem Abtritt fortgesetzt wird, diese Entscheidung will er nicht mehr beeinflussen. Organisatorisch wäre das Sterbegeläut aus seiner Sicht kein Problem. Nicht zuletzt deshalb, weil sein Nachfolger nicht im Ort wohnt und auch die Kirche in Ellmosen mitbetreut, befinden sich auch bei einer Thanner Familie weiterhin Kirchenschlüssel. „Die könnte ich mir dort ja holen, wenn geläutet werden muss“, meint Riedl.

Zahl der Trauungen stark rückläufig

So häufig wie früher läuten die Thanner Kirchenglocken schon lange nicht mehr. Gottesdienste finden nur noch gelegentlich statt, auch die Zahl der Trauungen in dem früher als Hochzeitskirche durchaus beliebten Gotteshaus ist stark rückläufig. „Voriges Jahr fand keine einzige Hochzeit in Thann statt“, bedauert Martha Riedl.

Taufen gibt es in Thann schon seit dem Zeitpunkt nicht mehr, seit der frühere Bad Aiblinger Stadtpfarrer Georg Neumaier vor einigen Jahren die Organisation der Tauffeiern geändert hat.

Kampf um Christmette

Um die Bewahrung einer Tradition haben die Thanner allerdings schon vor Jahren erfolgreich gekämpft. Als es Bestrebungen gab, die Christmette nicht mehr in der Heilig-Kreuz-Kirche, sondern im benachbarten Ellmosen zu feiern, da war der Unmut im Ort groß. „Der Protest hat geholfen, auch jetzt findet noch alle Jahre eine Christmette bei uns statt“, freut sich der langjährige Mesner.

Den Gottesdienst am Heiligen Abend hält er trotz Personalmangels im Bereich der Seelsorge für angemessen, auch wenn nicht mehr so viele Besucher kommen wie früher. „Da sind die Leute manchmal sogar bei Kälte im Freien gestanden, weil in der Kirche kein Platz mehr war“, erinnert er sich.

Noch zwei Traditionsfeiern

In dem Gotteshaus gibt es auch heute noch zwei weitere Traditionsfeiern, die alle Jahre stattfinden: Andachten zum Abschluss des Bittgangs am Karfreitag und der Fackelwanderung der Bad Aiblinger Kolpingfamilie in der Adventszeit. Die Teilnehmer erreichen Thann über den Kreuzweg, der im Wald bei Ellmosen seinen Anfang nimmt.

Wenn sie künftig auch nicht mehr als Mesner-Ehepaar gefordert sind, bei solchen Anlässen wollen die Riedls auch künftig als Kirchenbesucher dabei sein. So lange, bis die Glocken von Heilig Kreuz den Dorfbewohnern die Botschaft überbringen, dass der Herrgott das große Amen in ihrem Leben gesprochen hat.

Wenn ihnen die Pfarrgemeinde einen heimlichen Herzenswunsch erfüllt, findet die Seelenmesse natürlich in der Thanner Kirche statt. Jenem Ort, der den beiden zu Lebzeiten so viel bedeutet hat.

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