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Kommando zurück in Aiblings Kommunalgremien

Gericht ordnet an: AfD-Stadtrat Winhart muss Ausschussposten räumen – aber er wehrt sich

Andreas Winhart (AfD) muss seine Ausschussplätze wieder an Anna Maria Kirsch (ÖDP) und Florian Weber (BP) abtreten.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat in einem Beschluss begründet, warum es der Auffassung ist, dass AfD-Stadtrat Andreas Winhart (oben) die Plätze in den Ausschüssen, die er sich im Februar erkämpft hatte, wieder räumen muss. Es gab den Klägern Florian Weber (BP) und Anna Maria Kirsch (ÖDP) Recht. 

Runde 2 im „Bäumchen wechsel dich“ auf der Aiblinger Politbühne. AfD-Stadtrat Andreas Winhart muss laut Gerichtsbeschluss seine Ausschussposten, die ihm der Stadtrat im Februar zugesprochen hatte, wieder an die Ausschussgemeinschaft BP/ÖDP zurückgeben. Doch er wehrt sich.

Bad Aibling – Es ist jeweils ein Sitz in Bau-, Haupt-, Werk-, Sozialausschuss sowie im Ausschuss für Klima, Stadtentwicklung und Gesamtverkehrsplanung, um den AfD-Stadtrat Andreas Winhart auf der einen Seite sowie die Ausschussgemeinschaft von Florian Weber (Bayernpartei) und Anna Maria Kirsch (ÖDP) auf der anderen Seite ringen.

Bei der Kommunalwahl 2020 hatten weder BP noch ÖDP noch AfD Fraktionsstärke erlangt. Weber und Kirsch beschlossen, ihre Ausschussgemeinschaft aus BP und ÖDP fortzusetzen und waren somit weiterhin in den Ausschüssen vertreten. Winhart ging leer aus – und sah schon damals den Wählerwillen in den Gremien nicht korrekt abgebildet: die stimmenstärkere AfD sei hier zu Unrecht benachteiligt worden.

Zustimmung bei vielen „zähneknirschend“

Durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bayern im Oktober 2022 sah er sich in seiner Position bestätigt und forderte den Stadtrat auf, die bei der konstituierenden Sitzung am 7. Mai 2020 festgelegte Besetzung der Ausschüsse zu revidieren. Was dieser in einer Sondersitzung Anfang Februar 2023 mit 20:3 Stimmen auch tat. Zähneknirschend – wie die Fraktionsvertreter in ihren Redebeiträgen bekannten. Doch sahen 20 der anwesenden 23 Ratsmitglieder keine andere Wahl.

Denn: Die Stadt hatte den Bayerischen Gemeindetag und das Landratsamt Rosenheim als Rechtsaufsichtsbehörde zu Rate gezogen. Beide waren zu dem Schluss gekommen, dass die von Winhart ins Feld geführte neue Rechtsprechung auf die Stimmen- beziehungsweise Sitzkonstellation in Bad Aibling Anwendung findet und dem Antrag des AfD-Rates weitgehend zu entsprechen sei. „Stimmen wir nicht zu, fassen wir in den kommenden Sitzungen Beschlüsse, die vom Landratsamt nicht als rechtsgültig anerkannt werden“, sah Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) die Handlungsfähigkeit der Stadt in Gefahr.

Doch kampflos wollte die Ausschussgemeinschaft die an die AfD verlorenen Sitze nicht aufgeben. Sie reichte Klage beim Verwaltungsgericht München ein. Für den Moment mit Erfolg. In einer bereits sehr ausführlichen Begründung seiner Eilentscheidung stellt es sich auf die Seite der Ausschussgemeinschaft und fordert die Stadt auf, wieder zu der vorigen Sitzverteilung zurückzukehren. Und zwar bis zum 29. September. Denn ohne Weiteres hätten die Sitze der Ausschussgemeinschaft nicht entzogen werden dürfen. Dass dies zu Unrecht geschehen sei, hält das Gericht sogar für sehr wahrscheinlich. Was die neue Rechtsprechung angeht, so greife diese in dem Aiblinger Fall nicht.

Gericht wertet Spiegelbildlichkeit anders

Vor allem widerspricht das Gericht Winharts Aussage, die AfD habe aufgrund der höheren Stimmenzahl Anspruch auf die Sitze. Denn die gesetzlich gebotene Spiegelbildlichkeit orientiere sich eben nicht an den abgegebenen Stimmen, sondern an dem Stärkeverhältnis im Gremium – und somit an der Zahl der Sitze. Ausführlich geht das Gericht auf Situationen wie diese ein und kommt klar zu seinem Schluss, dem Eilantrag Webers und Kirschs stattzugeben. Zugleich gehe man nicht davon aus, dass in dem Verfahren, das bis zur endgültigen Urteilssprechung weiterläuft, anders entschieden werde.

Ich bin mir sicher, dass das Urteil in der Hauptsache ganz anders ausfallen wird.

Andreas Winhart, AfD-Stadtrat

Das sieht Andreas Winhart allerdings ganz anders: „Bei dem jetzigen Beschluss handelt es sich lediglich um eine Eilentscheidung, die mehr als überraschend ist. Ich bin mir sicher, dass das Urteil in der Hauptsache ganz anders ausfallen wird. Schließlich hatte im Vorfeld des mehrheitlichen Stadtratsbeschlusses der Bayerische Gemeindetag die Angelegenheit intensiv rechtlich geprüft und ebenso wie das Landratsamt empfohlen, die Ausschüsse umzubesetzen.“

Der AfD-Rat hat die Stadt bereits aufgefordert, Rechtsmittel gegen den Beschluss einzulegen und dazu eine Sondersitzung des Stadtrates einzuberufen. Ersteres wird die Stadt auch tatsächlich tun, wie Bürgermeister Schlier gegenüber dem OVB erklärt. Denn die Frist für einen Einspruch ende bereits in der kommenden Woche, und die Stadt wolle hier keine Entscheidung vorwegnehmen, indem sie diese verstreichen lässt.

Am 28. September werde die Entscheidung auf der Tagesordnung der regulären öffentlichen Stadtratssitzung stehen, wobei er sich sicher sei, dass man der Anordnung des Gerichts nachkommen und in der Folge auch den Einspruch zurückziehen werde, so Schlier, dessen Worten zufolge es sich dabei um keine ungewöhnliche Vorgehensweise handelt.

Gemeindetag und Landratsamt waren der Meinung, dass die neue Rechtsprechung auch für Bad Aibling greift. Von daher war ich tatsächlich überrascht, dass die vorläufige Entscheidung in dieser Form und Deutlichkeit ausgefallen ist.

Bürgermeister Stephan Schlier (CSU)

Er betont: „Wir haben die Entscheidung im Februar nicht leichtfertig getroffen. Das Thema war nicht einfach. Gemeindetag und Landratsamt waren der Meinung, dass die neue Rechtsprechung auch für Bad Aibling greift. Von daher war ich tatsächlich überrascht, dass die vorläufige Entscheidung in dieser Form und Deutlichkeit ausgefallen ist.“ Der Streitwert wurde vom Gericht im Übrigen auf 5000 Euro festgesetzt.

Aufgrund des Umfangs und der detaillierten Begründung des Gerichts rechnet auch Schlier nicht damit, dass in der Hauptsache noch anders entschieden wird. Und selbst wenn, dann bleibe er bei seiner Haltung: „Für uns ist nur wichtig, dass wir in der richtigen Besetzung arbeiten und wirksame Beschlüsse fassen, die hinterher nicht als ungültig gewertet werden könne.“ Die von Winhart geforderte Sondersitzung werde es nicht geben, dafür seien die Unterschriften von einen Viertel der Stadträte erforderlich. In dem Gerichtsbeschluss ist festgehalten, dass die Stadt als Antragsgegnerin die Kosten des Verfahren trage.

Das sagen die Fraktionen

Alle Stadträte von CSU, Grünen und SPD sowie zwei ÜWG-Räte hatten im Februar für die Umbesetzung gestimmt. lediglich ÜWG-Fraktionssprecher Rudi Gebhart hatte sich auf die Seite von Anna Maria Kirsch und Florian Weber gestellt. So fallen die Reaktionen der Fraktionssprecher auf die gerichtliche Anordnung aus.

Markus Stigloher (CSU) zeigt sich „leicht irritiert“ dahingehend, dass die vorhergehende fundierte rechtliche Prüfung der Stadt, der Kammern und des Landratsamtes, die dem Stadtrat als Entscheidungsgrundlage diente, zu einem anderen Ergebnis gekommen war. „Hier wäre im ursächlichen ersten Urteil eine Hilfestellung des Verwaltungsgerichtes für eventuell betroffene Gemeinden sicherlich hilfreich gewesen.“ Denn: „Ein Urteil zu fällen und dann die Gemeinden im Regen stehen zu lassen ist nicht gut. Von den Kosten für die Steuerzahler gar nicht zu sprechen.“ Stigloher sieht die Judikative in solchen Fällen in der Bringschuld, damit „der Gesetzgeber die zur Verfügung gestellten Mustergemeindeordnungen diesbezüglich verbessern kann. “

Martina Thalmayr (Grüne): Wir mussten im Februar dem Antrag der AfD schweren Herzens zustimmen, da die Rechtsaufsicht des Landratsamtes dem Ansinnen klar Recht gegeben hatte. Damit hätten künftige Beschlüsse ihre Rechtswirksamkeit verloren. Ein Risiko, dass wir für die Bürger in Bad Aibling auf keinen Fall eingehen wollen. Umso mehr freut uns nun die sehr deutliche Einschätzung des Verwaltungsgerichtes, die der Ausschussgemeinschaft der ÖDP und Bayern Partei nun doch Recht gibt und ihre Beteiligung in den Gremiem bestätigt. Wir schätzen die konstruktive Arbeit von Frau Kirsch und Herrn Weber sehr und freuen uns weiterhin mit ihnen um die bestmögliche Lösung diskutieren zu können.

Richard Lechner (SPD) ist sich sicher, dass mit diesem Gerichtsbeschluss noch nicht das letzte Wort gesprochen ist: „Ganz gleich, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausgeht, wird der oder die Unterlegene wohl weiter den Rechtsweg beschreiten und die Angelegenheit wahrscheinlich bis vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bringen“, vermutet der SPD-Fraktionsvorsitzende. Der von Winhart angestrebten Stadtratssondersitzung sowie dessen Forderung, die Stadt möge Rechtsmittel gegen den Beschluss einlegen, erteilt Lechner eine Absage: Er sehe keinen Anlass, dass sich die Stadt in dieser Angelegenheit besonders engagiere. Der Ausschussgemeinschaft von BP/ÖDP habe man es nach dem Stadtratsbeschluss vom 7. Februar selbst überlassen, den Klageweg zu beschreiten. In gleicher Weise könne nun Stadtrat Winhart als Beigeladener im Verwaltungsgerichtsverfahren Rechtsmittel einlegen und gegen den Beschluss vom 29. August 2023 Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erheben.

Rudi Gebhart (ÜWG) spricht in diesem Fall für sich allein und nicht für die Fraktion, da er anders als Kirsten Hieble-Fritz und Dieter Bräunlich abgestimmt hatte. „Ich war von Haus aus gegen die Ausschussumbesetzung und bin klar dafür, dass dies wieder rückgängig gemacht wird. Ich bin froh, dass das Verwaltungsgericht das auch so sieht.“

Kirsten Hieble-Fritz, ÜWG-Rätin und Zweite Bürgermeisterin: Das Verwaltungsgericht ist eine uns übergeordnete Behörde, und wenn diese sagt, die Ausschüsse sind umzubesetzen, dann ist das so. Ich sehe auch keinen Grund, dass die Stadt sich gegen den Beschluss ausspricht. Uns war klar, es wird eine einstweilige Anordnung kommen, und diese wird jetzt umgesetzt.

Florian Weber (BP): Der Beschluss bestätigt unsere Rechtsauffassung, dass der Fall, auf den Herr Winhart Bezug genommen hat, nicht auf unseren Fall passt und mit unserem auch gar nicht vergleichbar ist. Die Stadt ist nun verpflichtet, die Ausschüsse neu zu besetzen.

Anna Maria Kirsch (ÖDP): Die Ausführungen des Gerichts repräsentieren 1:1 unsere Sicht und ich bin sehr froh, über die Anordnung. Mit weiteren Störfeuern der AfD ist sicher zu rechnen, was aber substanziell nicht begründet ist.

Andreas Winhart (AfD): Das Verwaltungsgericht hat hier lediglich eine Eilentscheidung getroffen. Die Stadt kann und sollte die Widerspruchsfrist dagegen nutzen, denn der Stadtrat hat mit deutlicher Mehrheit so entschieden. Bei bei der Ausschussgemeinschaft handelt es sich nicht um eine Ausschussgemeinschaft im Sinn der Gemeindeordnung, denn die Parteien verfolgen keine gemeinsamen politischen Ziele, haben zahlreiche Entscheidungen unterschiedlich getroffen. Es handelt sich daher eher um eine Ausschussplatz-Beutegemeinschaft.

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