Finale beim Heimatfilmfestival Biennale Bavaria in Wasserburg
Babyboomer vs. Generation Z? Kevin Kühnert und KIKA-Star setzen auf Versöhnung
Babyboomer und Generation Z: Sie stehen sich fast unversöhnlich gegenüber. Was tun, um Alt und Jung zu versöhnen? Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär, Schauspielerin und KIKA-Star Pia Amofa-Antwi machen beim Finale des Filmfestivals Biennale Bavaria in Wasserburg Vorschläge für Generationengerechtigkeit.
Wasserburg – Sie ist Schauspielerin, Buchautorin, Moderatorin und Reporterin einer Kinderserie im Fernsehen: Pia Amofa-Antwi („Pia und die wilden Tiere“) hat im Alter von 25 Jahren schon viel erreicht. Kevin Kühnert, 33, auch: Er war Bundesvorsitzender der Jusos, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, ist jetzt ihr Generalsekretär. Auf der Bühne im historischen Rathaussaal von Wasserburg sprechen die beiden über Themen, mit denen man die quirlige Schauspielerin mit den schwarzen Oversize-Klamotten und den bunten Sneakers sowie den cool wirkenden, redegewandten Politiker nicht unbedingt verbinden würde: über Heimat und Generationenkonflikte.
Alt gegen Jung – Denken in Schubladen?
Alt gegen Jung – eine Beziehung, die nicht erst seit den Klimaklebern, die sich als „Letzte Generation“ verstehen, nicht mehr die beste ist. Die Vertreter der Babyboomer stehen im Verdacht, mit der Umwelt sorglos und mit den Ressourcen verschwenderisch umgegangen zu sein. Und sie werfen wiederum der Jugend vor, beim Bemühen um Work-Life-Balance den Fokus eher auf „Life“ als auf „Work“ zu legen und ständig mit erhobenem Zeigefinger Richtung Eltern und Großeltern zu zeigen.
Doch Kühnert wehrt sich gegen dieses Schubladen-Denken. Wenn es stimme, dass derzeit Jung gegen Alt aufbegehre, sich die eine Generation gegen die andere verbünde, dann müsse er sich logischerweise auch – allein aufgrund seines Alters – mit dem CDU-Politiker Philipp Amthor verbunden fühlen. Gelächter im Saal. Nein, vereinend sei nicht die Tatsache, der gleichen Generation anzugehören, sondern dem gleichen Wertefundament, so Kühnert. Eine Generation sei keine Schicksalsgemeinschaft, es bedeute keineswegs, einer Meinung zu seiner, die gleiche Einstellung zu haben.
Generationen begegnen sich beim Feiern
Auch Professor Dr. Alfred Quenzler, Experte für Generationenmanagement, wehrt sich gegen das Schubladendenken. Dieses führe schnell zu Stigmatisierung, zu Unfrieden und Intoleranz. Sebastian Schindler, Schauspieler („dahoam is dahoam“), Regisseur, Drehbuchautor und Filmemacher („Mit dem Rückwärtsgang nach vorn“), geboren in Soyen, hat sogar die Erfahrung gemacht, dass es auf dem Land in Oberbayern viele Begegnungen von Jung und Alt gibt. Wenn er im Stüberl mit seinen Spetzls zusammenkomme, setze sich oft und gerne auch mal ein Vater oder Opa dazu. Letztere spielen in seinen Filmen sogar oft die Hauptrolle – Sympathieträger, die mit Weisheit, Klugheit oder Lebenserfahrung punkten. Quenzler sieht in den am vergangenen Wochenende überall in Bayern stattgefundenen Maibaumfesten das beste Beispiel dafür, das sich die Generationen durchaus begegnen – unter anderem beim gemeinsamen Feiern.
Kampf um Fördergelder
Also doch alles im Lot beim Miteinander der Generationen – zumindest im Wasserburger Land und im Freistaat? So idyllisch ist es natürlich nicht, zeigt die Diskussion im Rathaus unter Leitung von Özlem Sarikaya. Schauspielerin Amofa-Antwi spricht offen über ältere und jüngere Kolleginnen, die sich zwar mehrheitlich eher unterstützen als anfeinden, doch auch sie hat schon erlebt, dass Misstrauen vorherrscht. Sie prangert an, dass es in der Filmbranche nach wie vor sehr um die Optik eines Menschen geht.
Schindler berichtet vom anstrengenden Kampf um Fördergelder für neue Projekte. Junge Kreative, die alten Hasen mit der Hand auf den Töpfen verzweifelt beizubringen versuchen, dass ihr Film es wert ist, unterstützt zu werden – Alltag für den Jungregisseur, vor allem weil er keine Filmhochschule besucht hat. Kühnert gibt offen zu, dass er sich als Berliner leicht redet, wenn es um Projekte wie die Einführung des 49-Euro-Tickets geht, das auch Älteren die Mobilität erleichtert. „Da staunen wir Großstädter dann, wenn wir erfahren, dass auf dem Land oft nur der Schulbus fährt“, räumt er ein. Gesellschaftliche Teilhabe funktioniert nur, wenn Barrieren abgebaut werden, legt auch Wasserburgs Seniorenreferentin Friederike Kayser-Büker den Finger in eine Wunde. Kühnert nennt Barrierefreiheit ein Thema, das nicht nur die Alten angehe, sondern vorausschauend gedacht alle Menschen. Es sei eine Aufgabe der Vorsorge, sich solidarisch der Thematik anzunehmen.
Generation Youtube: neues Wort für ein altes Phänomen
Eine Klammer also, die die Generationen – eigentlich – verbinden müsste. Doch es gilt, viele Vorurteile zu überwinden, zeigt die Debatte auch auf. Die Generation der Youtuber beispielsweise gilt als wenig zugewandt anderen Menschen gegenüber, als sozial eher inkompetent. Kühnert findet, der Hang zur eitlen Selbstdarstellung sei nicht neu, eher ein ganz altes Thema, wie viele Gemälde mit protzenden Selbstbildnissen beweisen würden. Die neuen Medien könnten beides sein: eine Offenbarung, ein Tor zur Welt, vor allem für ältere Menschen wie seinen Großvater, der sich gerne bei Facebook tummle, aber auch eine Gefahr, weshalb sich der Enkel bei Twitter abgemeldet hat.
Für Sigi Franz, Glasbläsermeister aus dem Festivalort Burghausen, trotzdem keine Option, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Er setzt auf den direkten Kontakt – „sich in die Augen schauen, miteinander reden“. Günther Knoblauch, Vorsitzender des Festivalvereins, schafft die Brücke zum Kino, um das es schließlich bei der Veranstaltungsreihe eine Woche lang ging: Wer daheim auf dem Sofa streame, gehe nach dem Konsum ins Bett. Wer im Kinosaal einen Film anschaue, gehe danach mit Freunden noch ein Bier trinken – auf ein Gespräch.
Ziel: neugierig bleiben
Neugierig sein, nennt Moderatorin Amofa-Antwi das. Offen auf andere zugehen. Kühnert möchte sich für dieses Ziel am liebsten eine lebendige Bibliothek aufbauen, in der er Menschen für ein Gespräch ausleihen kann. Projekte dieser Art gebe es bereits und sollten Nachahmer finden. Die Biennale Bavaria International könnte ein solcher Ort werden, zeigt sich Knoblauch überzeugt. Trotzdem erkennt er die Kritik einer Besucherin an: Auf dem Podium würden Vertreter der ganz Jungen fehlen. Zwei Schülerinnen ergreifen spontan das Mikrofon. Und erklären, was ihnen wichtig ist: Mitbestimmung. Das haben sie mit den Alten gemeinsam.
Was ist Heimat?
Zahlreiche Aussagen zum Heimatbegriff machten während der Diskussion zum Abschluss des Filmfestivals Biennale Bavaria International in Wasserburg deutlich: Oft spielt die Kindheit eine Rolle, wenn es gilt, die Heimat zu definieren. Es ist für viele Menschen ein Ort, an dem sie sein können, wie sie wirklich sind – authentisch, unverstellt. Und ein Platz für die Begegnung. Die Pandemie habe deshalb das Heimatgefühl bedroht, sagt Professor Dr. Alfred Quenzler von der Technischen Hochschule Ingolstadt. Gelitten hätten vor allem Ältere und jungen Menschen, die nicht miteinander in Kontakt hätten treten können. Heimat sei ein Ort, an dem echter Austausch funktioniere, virtuell könne er nicht ersetzt werden, so der Experte für Generationenmanagement.
Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär: „Heimat ist für mich kein Ort, sondern eher ein Gefühl: In Vertrautheit alles können, aber nichts müssen.“
Pia Amofa-Antwi, Schauspielerin: „Heimat ist Knödel mit Soße und Paulaner Spezi.“
Sebastian Schindler, Filmemacher: „Heimat ist der Platz, wo Arbeiten und Leben am meisten Spaß macht.“

