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„Vogelschutz im Chiemseegebiet mit Alz“

Anleinpflicht für Hunde und Wegsperrungen am Chiemsee? So geht es jetzt weiter

Die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim wollte mit einer Allgemeinverfügung die Vögel am Chiemsee stärker schützen. Die Mehrheit der Gemeinden entschied sich jedoch gegen ein groß angelegtes Verbot.
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Die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim wollte mit einer Allgemeinverfügung die Vögel am Chiemsee stärker schützen. Die Mehrheit der Gemeinden entschied sich jedoch gegen ein groß angelegtes Verbot.

Im Landkreis Rosenheim stehen Gemeinderäte und die Untere Naturschutzbehörde vor einem Dilemma. Ein erster Entwurf für eine Allgemeinverfügung, die das Vogelschutzgebiet „Chiemseegebiet mit Alz“ besser schützen soll, stößt auf geteilte Meinungen. Es geht um die Regulierung von Besuchern und die Einführung eines Anleingebots für Hunde.

Prien/ Chiemgau – Zum Schutz der Vogelwelt wollte die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim eine Allgemeinverfügung erlassen. Ein erster Entwurf beinhaltete Vorschläge für ein Wegegebot für die Besucher sowie ein Anleingebot für Hunde auf den Flächen des Vogelschutzgebietes „Chiemseegebiet mit Alz“ im Landkreis Rosenheim. Nachdem sich die Gemeinderäte von Bernau, Prien, Rimsting, Breitbrunn, Gstadt und Chiemsee damit beschäftigt haben, ist klar, dass es kein einheitliches Meinungsbild zu diesem ersten Entwurf gibt.

Volle Zustimmung unbedingt nötig

Damit überall die gleichen Regeln gelten, war die Zustimmung aller Gemeinderäte eine unbedingte Voraussetzung für das Inkrafttreten der Allgemeinverfügung. Der Diskussionsverlauf in einigen Gemeinderäten veranlasst das Landratsamt nun, die Sachlage eingehend öffentlich dazulegen, denn manche Äußerungen, wie das mutmaßliche Betretungsverbot für die Herreninsel, standen nie zur Debatte.

Zur Ausgangslage: Auf und rund um den Chiemsee konnten bislang mehr als 325 Vogelarten nachgewiesen werden. Um die 125 davon brüten hier jedes Jahr und im Winter finden sich teilweise bis zu 20 000 Wasservögel zeitgleich ein. Bayerns größter See und sein Umfeld sind wegen dieser Nachweise bereits in den 1970er Jahren als sogenanntes RAMSAR-Gebiet (Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung) unter Schutz gestellt worden.

Im Umfeld befinden sich mehrere Naturschutzgebiete und seit 1986 ist der Chiemsee samt seinen Inseln und Ufergebieten in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein als Landschaftsschutzgebiet geschützt. Seit Anfang der 2000er Jahre ist der Chiemsee als Vogelschutzgebiet und Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) im Rahmen des europäischen Netzes Natura 2000 gemeldet. Unter Ornithologen ist der Chiemsee bekannt, kann man hier doch einige zum Teil sehr seltene Arten in freier Natur beobachten, wie zum Beispiel den Karmingimpel oder den Prachttaucher.

Das Naturjuwel Chiemsee lockt seit den 1990er Jahren jedoch auch immer mehr Menschen an. Sie begeistern sich für die malerische Lage unmittelbar an den bayerischen Voralpen sowie das vielfältige Freizeitangebot auf und neben dem Wasser.

Seit Jahren schon suchen deshalb die Chiemsee-Gemeinden, die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen als Eigentümer einer Vielzahl von Ufergrundstücken und die Behörden nach einer Lösung, wie die Freizeitnutzung, der Schutz der Natur und die Interessen der Landnutzer in Einklang gebracht werden können.

Die Landkreise Traunstein und Rosenheim bemühen sich darüber hinaus seit 2008 über die gemeinsame Stelle der Gebietsbetreuung eine bessere Lenkung der Besucherinnen und Besucher zu erreichen. Es werden unter anderem Führungen angeboten und Schilder weisen auf besondere Themen wie den Wiesenbrüterschutz hin oder geben Betretungshinweise.

Eine ähnliche Zielsetzung haben die Chiemsee Ranger, die in den Sommermonaten an den Wochenenden im Auftrag des Abwasser- und Umweltverbandes Chiemsee unterwegs sind. Die Tätigkeit der Ranger wird durch die Gebietsbetreuung fachlich begleitet.

Es gibt einige Erfolge, und trotzdem ist die Lage am Chiemsee nicht ideal. Die enorme Zahl an Besucherinnen und Besuchern überfordern Landschaft und Tierwelt.

Anleinpflicht und Wegegebot

Zur Problemlösung wollte die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim für den „Rosenheimer Teil“ des Vogelschutzgebietes „Chiemseegebiet mit Alz“ eine Allgemeinverfügung erlassen. In Absprache mit der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen sowie den Gemeinden Bernau, Prien, Rimsting, Breitbrunn, Gstadt und Chiemsee hätte sie eine Anleinpflicht für Hunde sowie ein Wegegebot enthalten.

Zunächst wurde ein Konzept entworfen. Mehr als zwei Jahre nahm man sich Zeit und prüfte immer wieder verschiedene Teilaspekte. Zudem flossen langjährig vorliegende Vogelbeobachtungsdaten in den Entwurf der Allgemeinverfügung mit ein. Auch Erfahrungen aus anderen Gebieten, in denen es diese Art der Nutzungsregelungen bereits gibt, wurden berücksichtigt.

Am 12. Oktober 2023 wurde der erste Entwurf der Allgemeinverfügung von Vertreterinnen und Vertretern der unteren Naturschutzbehörde im Sitzungssaal des Rathauses in Prien vorgestellt. Eingeladen waren die Bürgermeisterin von Bernau und ihre Kollegen aus Prien, Rimsting, Breitbrunn, Gstadt und Chiemsee, dazu die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.

Dargelegt wurde unter anderem, warum ein Anleingebot für Hunde nur zusammen mit einem Wegegebot fachlich Sinn macht. Ein brütender oder rastender Vogel fühlt sich von einem freilaufenden Hund genauso gestört wie durch einen Spaziergänger, der abseits von Wegen über eine Wiese läuft. Wird die sogenannte Störungsdistanz unterschritten, wird ein brütender oder rastender Vogel gezwungen, auf- oder wegzufliegen. In der Folge kann das Gelege auskühlen oder der Vogel verbraucht zum Beispiel im Winter zu viel Energie.

Mögliche Folgen können die Aufgabe des Nestes oder der Tod des Vogels sein. Die sogenannte Störungsdistanz ist je nach Vogelart unterschiedlich. Beim Kiebitz zum Beispiel beträgt sie mehr als 100 Meter zu einem frequentierten Weg. Durch ein Wegegebot lassen sich die Häufigkeit sowie die Intensität von Störungen selbstverständlich reduzieren.

Der Entwurf sah vor, dass einige wenige Abschnitte des bestehenden Wegenetzes wieder der Natur überlassen werden sollten. Dazu gehörten unter anderem Bereiche in Rimsting (nördlich des Sportplatzes, südlich Seecafe-Toni), in Bernau ein Stichweg (zwischen Bahnlinie und Uferweg) und ein Parallelweg (am Mühlbach) sowie ein Seezugang südlich des Campingplatzes in Prien.

Keinerlei Einschränkungen des Betretungsrechts waren im Entwurf der Allgemeinverfügung für Grundstückseigentümer, Flächenbewirtschafter, Pächter, den Betrieb an bestehenden Hafenanlagen, offiziell ausgewiesenen Badestellen oder dergleichen vorgesehen. Auf der Fraueninsel hätte die Allgemeinverfügung nicht gegolten, da sie, im Unterschied zu Herren- und Krautinsel, kein Teil des Vogelschutzgebietes „Chiemseegebiet mit Alz“ ist.

Die bereits bestehenden Wegegebote auf der Herreninsel wären in die Allgemeinverfügung integriert worden. Darüber hinaus gehende Pläne, wie das mutmaßliche Betretungsverbot der Herreninsel, gab es nie. Einzig für die Krautinsel hätte die Allgemeinverfügung tatsächlich eine deutliche Veränderung mit sich gebracht. Sie hätte von Besucherinnen und Besuchern nicht mehr betreten werden dürfen.

Weitere Gespräche nur mit Bernau

In dem Treffen am 12. Oktober 2023 wurde unter anderem kommuniziert, dass die Allgemeinverfügung ohne ein positives Votum aller Gemeinden nicht in Kraft gesetzt werde. Bis Ende Januar 2024 sollte aus jeder Gemeinde eine schriftliche Äußerung vorliegen. Zur Unterstützung konnten die Gemeinden auf sämtliches Material zurückgreifen, das bei dem Termin am 12. Oktober 2023 präsentiert worden war. Um Details erläutern oder Fragen beantworten zu können, wurde auch die Teilnahme durch die untere Naturschutzbehörde an den jeweiligen Gemeinderatssitzungen angeboten. Letzteres wurde von keinem Gemeinderat angenommen.

Inzwischen liegen die Beschlüsse der Gemeinderäte vor. Einhellig wurde aus den meisten Gemeinden als Antwort zurückgespiegelt, dass in der Summe die Inhalte der Allgemeinverfügung nicht unterstützt werden. Zwar wird die Anleinpflicht für Hunde begrüßt, eine „Aussperrung“ aus dem Gebiet wird jedoch als überflüssig empfunden. Einzig die Gemeinde Bernau gab ein differenziertes Feedback ab. Mit Bernau will die Untere Naturschutzbehörde nun weitere Gespräche führen.

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