„Radfahrer sollte wie Fußgänger behandelt werden“
Kommt „eine Welle an Verboten“? Entwurf des Waldgesetzes sorgt im Chiemgau für Kritik
Fast 50 Jahre ist sie alt – die aktuell geltende Fassung des Bundeswaldgesetzes. Jetzt soll das Gesetz novelliert werden. Die geplanten Änderungen sorgen für Kritik bei Radsportlern. Sie befürchten, dass ihnen Rechte entzogen werden. Außerdem ergeben sich viele Herausforderungen für den Chiemgau.
Prien/Chiemgau – Ob um den Chiemsee oder in den Bergen. Der Chiemgau ist nicht nur bei Wanderern beliebt, sondern auch bei Radsport-Fans. Es geht über Stock und Stein, oder ganz unbeschwert durch den Wald. Aber wie lange noch? Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft arbeitet derzeit an einer neuen Fassung des Bundeswaldgesetzes (BWaldG)
Die aktuelle Fassung besteht seit 1975. Sie regelt die Erhaltung und Bewirtschaftung der Wälder in Deutschland, sowie deren Nutzung. Zum Beispiel von Radfahrern. Ein Paragraf des neuen Entwurfs ist bereits durchgesickert und macht auf verschiedenen Radsport-Portalen die Runde.
Realisierung durch Angebote statt Verbote
Darin heißt es, dass das Reiten, das Fahren mit Kutschen und Gespannen, sowie das Fahren mit betriebserlaubnisfreien Fahrrädern und sonstigen betriebserlaubnisfreien Fahrzeugen im Wald nur auf Straßen und dafür geeigneten Wegen zulässig ist. Keine geeigneten Wege sind demnach Feinerschließungslinien, wie Rückegassen, Zugänge zu forstlichen und jagdlichen Infrastrukturen, Wildwechsel und Pirschpfade.
Dieser Paragraf 29 lässt die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) aufhorchen. Die befürchtet, dass ihre Rechte massiv eingeschränkt werden könnten. Beispielsweise, dass die Länder bestimmen könnten, dass das Radfahren im Wald nur auf dafür ausgewiesenen Straßen und Wegen zulässig ist, sagt Sonja Schreiter vom Bereich Fachberatung Mountainbike der DIMB gegenüber der Chiemgau Zeitung. „Das Radfahren wäre also nur dort auf Wegen im Wald gestattet, wo es ausdrücklich durch Beschilderung erlaubt ist.“ Außerdem sei eine bisher notwendige Begründung für Einschränkungen nicht mehr vorgesehen, sodass Einschränkungen willkürlich erfolgen könnten. „Das würde natürlich auch für eine Tourismusdestination wie den Chiemgau eine große Herausforderung darstellen.“
Den Entwurf des neuen BWaldG betrachtet auch Christoph Bayer, Vorstand beim „GeländeRadsport Verein Aschau“, mit Sorge. Durch die aktuelle Fassung könne es zu „einer Welle an Verboten kommen, für deren Kontrolle es sicher nicht genug Personal gäbe“. Zwar sei auch der Verein davon überzeugt, dass es mit steigendem Nutzerdruck eine Form der Besucher-Lenkung benötigt. Diese sollte aber durch Angebote statt Verbote realisiert werden.
Ausdruck „geeignete Wege“ unpassend formuliert?
Für weitere Kritik sorgt bei der DIMB die Formulierung „geeignete Wege“ im Paragrafen 29. Diese kam ursprünglich aus dem Bayerischen Naturschutzgesetz, erklärt Sonja Schreiter von der DIMB. Hintergrund war, dass ein Radfahrer keinen Anspruch darauf hat, dass ein Weg zum Radfahren hergerichtet werden muss. Jeder müsse selbst entscheiden, ob er darauf mit dem Rad fahren möchte oder besser schiebt. Mit der neuen Formulierung werde jedoch versucht, Befahrungsverbote zu begründen, indem Behörden, Naturschutz oder Waldbesitzer festlegen, ob sich Wege zum Radfahren eignen. „Diese Auslegung des Gesetzes halten wir für falsch, weil dies willkürlich festgelegte Kriterien ermöglicht“, betont Schreiter. Diese würden dazu führen, dass auf diesen Wegen ein gesetzliches Fahrverbot gilt, ohne, dass es eine Sperrung benötigt. Radfahrern sei es nicht mehr möglich Wege richtig einzuschätzen.
„So lange ein Radfahrer einen Weg benutzt, gibt es unseres Erachtens keinen Grund ihn anders zu behandeln wie einen Fußgänger, da die Störungen, die beide Nutzergruppen verursachen, vergleichbar sind“, betont Schreiter. Nur dort, wo es im Einzelfall wirklich nachvollziehbare Gründe gibt, sollte eine Regulierung stattfinden.
„Ganz kritisch ist dabei die Aufzählung, welche Wege sich scheinbar nicht eignen. Jeder Forstweg kann ja im Prinzip ein Zugang zu einer forstlichen oder jagdlichen Einrichtung sein“, fügt Schreiter hinzu. Die Gesetzesbegründungen könnten auf fast jeden Weg übertragen werden. Sie befürchtet, dass die Radsportler in Zukunft mit zahlreichen Verbotsschildern konfrontiert werden könnten.
Waldgesetz-Novellierung sieht nur Anpassung an aktuelle Zeit vor
Wie ein Pressesprecher des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erklärt, seien die Ängste unbegründet. Denn die Bestimmungen, die in Paragraf 29 des Entwurfs festgehalten sind, seien auch schon in der aktuellen Version aufgeführt, nur an anderer Stelle und in anderer Schriftform. So heißt es in §14 des BWaldG: „Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet.“
Der Sprecher betont, dass die Novellierung dazu diene, die alte Version der aktuellen Zeit anzupassen, zum Beispiel auch weil sogenannte Tracking-Apps wie Komoot, Strava oder Outdoor-Active vor 50 Jahren noch nicht existierten. Das Problem sei, dass die Nutzer darin einfach so Wege anlegen können, die für andere sichtbar sind. Das würde Nutzer ermutigen, diese Waldwege zu nutzen, was Gefahren für den Erhalt des Waldes und auch die Tiere mit sich bringe. Mit der neuen Auflage sollen die Wege nicht mehr „querbeet“ angelegt werden können, erklärt der Sprecher.
Wann die Änderungen in Kraft treten werden, sei noch nicht absehbar. Der Ministeriumssprecher fügt aber hinzu, dass es auch bei dieser Novellierung eine Länder- und Verbändeanhörung geben werde, bei der die Teilnehmenden ihre Anregungen äußern können.
Nicolas Gareis vom Bereich Mountainbike und Umwelt des Deutschen Alpenvereins (DAV) hat weniger Bedenken, bei der Novellierung. Er erklärt auf Nachfrage: „Die im Netz kursierenden Fassungen werden mit Sicherheit so nicht umgesetzt, sondern im laufenden Prozess weiter angepasst.“ Als Bergsport- und Naturschutzverband werde sich der DAV aber gegen naturschutzfachlich nicht zu begründende Einschränkungen der Erholungsnutzung einsetzen.

