Bau von hunderten Wohneinheiten geplant
Sorgen trotz „großer Chance“: Wie Bürger zum Großprojekt „Am Alpenblick“ in Kolbermoor stehen
Um die Pläne für das neue Quartierszentrum „Am Alpenblick“ in Kolbermoors Nordosten weiter auf den Weg zu bringen, konnten nun Bürger eigene Ideen einbringen. Doch diese treiben auch Ängste um. Wie es mit dem Großprojekt jetzt weitergeht.
Kolbermoor – Pure Euphorie sieht sicher anders aus. Trotzdem waren am Montag (2. Dezember) zahlreiche Kolbermoorer in den Mareis-Saal gekommen, um sich in die Planungen für das neue Quartierszentrum „Am Alpenblick“ einzubringen. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung hatte die Stadt zu verschiedenen Veranstaltungen geladen, bei denen Kolbermoorer mit den Projektbeteiligten diskutieren, Sorgen äußern und Vorschläge einbringen konnten.
Grundlage hierfür ist die Möglichkeit der Stadt Kolbermoor, durch Teilerwerb einer Fläche südlich der Siedlung „Am Alpenblick“ im Rahmen der Stadtplanung ein neues Gebiet zu entwickeln. Nach ersten diversen Vorüberlegungen und Untersuchungen des Areals sollten nun auch Ideen, Wünsche und Vorschläge der Bürgerschaft zum neuen Quartierszentrum im Nord-Osten der Stadt in die Erstellung des städtebaulichen Konzeptes einfließen.
Kritik trotz „großer Chance“
Doch bereits seitdem die Pläne für das rund acht Hektar große Areal, dessen Entwicklung die Stadt und die Max von Bredow (MvB) Baukultur gemeinsam planen, Ende Juli bekannt wurden, ist eine Reihe von Anwohnern in Alarmstimmung. Nachdem die Bürgerinitiative „Nord-Ost-Team” (N.O.T) zuletzt bei einer Versammlung Mitte November lautstarke Kritik am Projekt äußerte, bekam man nun am Montagabend während der „Planungswerkstatt“ schon am Eingang des Saals ein Flugblatt mit etlichen Kritikpunkten in die Hand gedrückt.
Im Saal erklärte Bürgermeister Peter Kloo, dass sich die Stadt nicht erst seit gestern für das Areal interessiere und dass man nun eine „große Chance“ habe, die Zukunft zu gestalten. „Unser Ziel ist es, dort bedarfsgerechten Wohnraum zu schaffen“, sagte der Rathauschef und betonte angesichts der herausfordernden Zeit die Bedeutung von Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit. Abzüglich von Wald, Straßen und Ausgleichsflächen wird sich das Bebauungsgebiet in einen Anteil der Stadt (40 Prozent) und einen Anteil der MvB Baukultur (60 Prozent) aufgliedern.
Mit Kernpunkten wie „Barrierefreiheit“, und „sozialer Infrastruktur“ soll das „Quartierszentrum Kolbermoor Nordost“ auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagieren, erklärte Kloo. „Aber wir diskutieren hier noch keine verbindliche Bauleitplanung“, sagte er und verwies auf die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen. Bis zu einem fertigen Beschluss könne es noch „ein paar Monate oder Jahre“ dauern.
Architekt sieht „enormes Potenzial“
Als „enormes Potenzial“ bezeichnete der seitens der Stadt beauftragte Architekt und Stadtplaner Christoph von Oefele die Freifläche, auf der bis zu 350 Wohneinheiten entstehen sollen. Die ersten Entwürfe setzen dabei auf ein grünes, attraktives Wohnraumangebot, auf ein „Quartier der kurzen Wege“, welches auch ein Leben ohne Auto ermöglicht, und auch etwa auf einen Quartiersplatz, der einem „öffentlichen Wohnzimmer“ für Jung und Alt gleichen soll. Beim Thema Parkraum könnten laut von Oefele entsprechende Carsharing-Konzepte für Entlastung sorgen. Und: „Stand jetzt würden wir auf Tiefgaragen verzichten, möglichst wenig in den Untergrund eingreifen.“ Stattdessen ist von zwei Parkhäusern die Rede.
„Brauchen wir ein solches Projekt hier überhaupt?“, fragte sich ein Bürger, während eine andere Kolbermoorerin gegenüber dem OVB „schon auch mit Sorge“ auf das geplante Projekt blickte. Doch es waren auch positivere Stimmen zu vernehmen, die der Wohnbebauung durchaus optimistisch gegenüberstanden und die sich mit konstruktiven Vorschlägen einbrachten.
Verkehr als eine der Hauptsorgen
Mit Vertretern der Stadt, Architekten, Verkehrsexperten, Landschaftsplanern, Projektentwicklern oder Ansprechpartnern zum Thema Niederschlagswasser konnten die Bürger ausführlich diskutieren. Ergebnis: Eine „Mischung aus Sorgen und Anmerkungen“. Eine der Hauptsorgen befasste sich mit dem befürchteten Verkehrsaufkommen, das durch das Großprojekt erheblich gesteigert werden könnte. Die grundsätzliche Angst davor, dass insgesamt deutlich mehr Autos auf den Straßen unterwegs sein werden, versuchte man zwar mit Verweis auf Verkehrszählungen und Hochrechnungen etwas zu lindern, es werde „nicht plötzlich eine Autobahn durchfahren“. Doch klar sei, dass der Verkehr mehr werde.
Beim Thema Erschließung monierte ein Anwohner der dort verlaufenden Fürstätter Straße, dass es hier eine seinen Angaben zufolge 4,20 Meter breite Engstelle gebe. „Meines Wissens braucht es aber mindestens sechs Meter.“ Zudem frage sich der Kolbermoorer, wie man bei 350 Wohnungen und einem Bedarf von über 1000 Parkplätzen die Stellplatzsatzung einhalten könne. Die Formulierung des Anwohners, wonach es pro Wohneinheit drei Stellplätze brauche, bezeichnete Kolbermoors Bürgermeister Kloo jedoch als „schlicht falsch“. Er bat zum frühen Zeitpunkt der Planung darum, nicht mit dem Rechnen zu beginnen. Ohnehin müsse man Themen wie Mobilität und auch den Stellplatzbedarf künftig teils neu denken.
Auch das Problem der Engstelle in der Fürstätter Straße konnte Kloo nicht erkennen. Zum einen sei ihm eine derartige Erschließungs-Vorgabe von mindestens sechs Metern Breite nicht bekannt. Zum anderen könne man etwa den aufkommenden Begegnungsverkehr an der Engstelle mit einer Begrenzung auf Tempo 30 auffangen.
„Weniger hoch, sehr dicht“
An einer großen Zettelwand waren anschließend Bürger-Anregungen zu lesen, die sich um Wünsche nach Begegnungsraum im neuen Quartier, nach sinnvoller Rückhaltebecken-Planung oder nach Nahversorgung durch Bäcker oder Restaurants drehten. Aber auch Ängste vor Verkehrschaos oder „weiteren Münchner High-Society- Wohnungen“ waren zu lesen. In den einzelnen Diskussionsrunden kristallisierten sich kreative Ideen (etwa ökologischens gesamtheitliches Bauen) genau wie kritische Bemerkungen („weniger hoch“, „sehr dicht“) heraus.
Und so bilanzierte Architekt Christoph von Oefele den „intensiven Tag“, der von sehr unterschiedlichen Sichtweisen geprägt gewesen sei, mit einem „gewissen Zwiespalt“. Projektentwickler Max von Bredow wertete den Austausch mit den Bürgern als positiv. „Bei einem Projekt dieser Größenordnung und gerade, wenn es kritische Sichtweisen und Sorgen gibt, wollen wir die Bürger mit ins Boot nehmen“, erklärte er gegenüber dem OVB. Es seien sehr viele Nachbarn des Arelas gekommen und der Austausch sei überwiegend konstruktiv und freundlich verlaufen, so von Bredow.
Bürgermeister Kloo warb indes um Geduld und für eine Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen. Irgendwann werde dann abschließend der Stadtrat die Konflikte lösen müssen. „Und sollte sich herausstellen, dass kein Bedarf da ist, erübrigt sich die ganze Diskussion.“ Doch nun wolle man sich das Denken zunächst mal nicht verbieten lassen und weiter machen, betonte Kloo und bedankte sich bei den Bürgern, die am Montag gekommen waren. Und nach so vielen ungeklärten Fragen angesichts des noch frühen Planungsstadiums konnte der Bürgermeister die letzte Frage dann mit einem einfachen Fingerzeig auf die Bar beantworten. „Wo gibt es jetzt noch ein Bier?“


