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„Jedermann-Festnahmerecht“

Schleuser mit Schlag auf Nase gestoppt – Ermittlungen gegen Berchtesgadener Trio eingestellt

Nachdem zwei Privatpersonen im Dezember 2023 einen mutmaßlichen Schleuser festgenommen hatten, wurde gegen die beiden ermittelt. Das Ermittlungsverfahren wurde jetzt eingestellt.

Pressemitteilung Staatsanwaltschaft Traunstein im Wortlaut:

Traunstein/Berchtesgadener Land – Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat nun nach umfassender Aufklärung des Sachverhalts das Ermittlungsverfahren eingestellt, das gegen drei Privatpersonen eingeleitet worden war, die am 27. Dezember 2023 auf einem landwirtschaftlichen Anwesen in Berchtesgaden einen 39-jährigen Mann als mutmaßlichen Schleuser festgenommen hatten. Nach der Festnahme waren bei dem Mann Verletzungen festgestellt worden.

Die Prüfung, ob sich die drei Privatpersonen mit ihrem Handeln strafbar gemacht haben, hat ergeben, dass ein Teil der Tatvorwürfe nicht nachzuweisen ist und die übrigen Handlungen durch das „Jedermann-Festnahmerecht“ gerechtfertigt sind. Der festgenommene Mann befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft, da er dringend verdächtig ist, 18 Personen unter einer das Leben gefährdenden Behandlung nach Deutschland eingeschleust zu haben.

Den drei Privatpersonen lag zur Last, den mutmaßlichen Schleuser am 27. Dezember 2023 bei dessen Festnahme mit der Faust oder einem Gegenstand aus Metall auf die Nase geschlagen, die Windschutzscheibe und die Scheibe auf der Fahrerseite des von diesem gefahrenen Kastenwagens zerstört und ihn getreten zu haben, nachdem sie ihn aus dem Fahrzeug gezogen hatten.

Ermittlungsverfahren gegen die Privatpersonen

Daher war die Staatsanwaltschaft gesetzlich verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren gegen die drei festnehmenden Privatpersonen durchzuführen und den Sachverhalt zu klären. Es bestand ein Anfangsverdacht, dass sich die Festnehmenden wegen Nötigung, Sachbeschädigung und eines Körperverletzungsdelikts strafbar gemacht haben könnten.

Dieser Anfangsverdacht, für den es genügt, dass es aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte zumindest möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde, ergab sich insbesondere aus der Einlassung des mutmaßlichen Schleusers bei seiner Beschuldigtenvernehmung, den bei ihm festgestellten Verletzungen an der Nase und beiden Knien sowie den Beschädigungen des Autos.

„Anwendung von Gewalt muss verhältnismäßig sein“

Unter Berücksichtigung der ersten Ermittlungsergebnisse erschien es auch möglich, dass die Festnahmehandlungen jedenfalls nicht vollständig durch das „Jedermann-Festnahmerecht“ gerechtfertigt waren. Denn dieses Recht gilt wegen des staatlichen Gewaltmonopols nur zu dem Zweck, einen auf frischer Tat betroffenen Straftäter der Strafverfolgung durch die zuständigen Behörden zuzuführen. Die Anwendung von Gewalt muss verhältnismäßig sein.

Das Ermittlungsverfahren wurde nun durch die Staatsanwaltschaft Traunstein insgesamt eingestellt, da ein Teil der Tatvorwürfe nicht nachzuweisen ist. Im Übrigen ist das Verhalten der drei Privatpersonen jedenfalls durch das in der konkreten Situation bestehende Jedermann-Festnahmerecht gemäß § 127 Strafprozessordnung gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung sämtlicher Ermittlungsergebnisse und der Einlassungen der Festnehmenden ist eine gefährliche Körperverletzung nicht nachweisbar. Aufgrund der Spurenlage und der Widersprüche, die sich hinsichtlich der Angaben des mutmaßlichen Schleusers ergeben haben, sind vorsätzliche Verletzungshandlungen nicht nachzuweisen.

Festgenommener dringend tatverdächtig

Bezüglich der verbleibenden Vorwürfe der fahrlässigen Körperverletzung, der Nötigung und der Sachbeschädigung handelten die drei Privatpersonen gerechtfertigt, da sie in zulässiger Weise vom allgemeinen Festnahmerecht Gebrauch machten. Denn die Vorgehensweise mit Anwendung gewisser, nicht übertriebener körperlicher Gewalt war unter Berücksichtigung der Bedeutung der Straftat verhältnismäßig.

Der Festgenommene ist nämlich dringend verdächtig, sich durch den Transport von fast 20 Personen in einem Kastenwagen ohne Sicherungsmöglichkeit in das Bundesgebiet des Einschleusens von Ausländern unter einer das Leben gefährdenden Behandlung schuldig gemacht zu haben. Dabei handelt es sich um eine schwere Straftat, für die der mutmaßliche Schleuser im Falle einer Verurteilung voraussichtlich eine hohe Haftstrafe zu erwarten hat. Im Verhältnis dazu sind insbesondere eine etwaige fahrlässige Körperverletzung, das Fixieren am Boden und das Einschlagen der Scheiben noch als verhältnismäßig einzustufen.

Der Leiter der Staatsanwaltschaft, Dr. Wolfgang Beckstein betonte im Zusammenhang mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens: „Zivilcourage ist wichtig und grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sollte man unbedingt im Blick behalten, dass gerade im Bereich der Schleuserkriminalität die Täter immer skrupelloser vorgehen und auch keine Rücksicht auf die Gesundheit und das Leben unbeteiligter Menschen nehmen. Deshalb rate ich dringend dazu, in derartigen Fällen sofort die Polizei zu verständigen und sich nicht selbst in erhebliche Gefahr zu begeben.“

Pressemeldung Staatsanwaltschaft Traunstein

Rubriklistenbild: © Karl-Josef Hildenbrand

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