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Auf Initiative der Gemeinde Schönau am Königssee gründeten die fünf Kommunen aus dem Berchtesgadener Talkessel im November 2021 die Watzmann Natur Energie GmbH. Mittlerweile ist aus dem Projekt eine richtige Erfolgsgeschichte geworden. Im Interview schildern die Geschäftsführer Hannes Rasp und Anton Poettinger, wie groß das Interesse auch außerhalb des Talkessels geworden ist, welche Ideen es für die Zukunft gibt und wie in Krisenzeiten verlässlich, bezahlbar und ökologisch-nachhaltig Strom erzeugt und angeboten werden soll.
Herr Rasp, lassen Sie uns an den Anfang springen: Wann ist die Idee für ein nachhaltiges, lokales Energieunternehmen entstanden?
Rasp: Ich bin seit 2014 Bürgermeister und wegen meiner erneuten Kandidatur für die Wahl 2020 habe ich mir Ziele für die nächsten sechs Jahre überlegt. Rathaus, Bergbahn, Kindergarten, Sportplatz, Feuerwehr: Wir haben damals viel investiert. Ich habe mich gefragt, was die Bürger am meisten beschäftigt. Aus meiner Sicht waren das zwei Dinge: Verkehr und Nachhaltigkeit. Daraus ist der Arbeitstitel „Aufbruch in die neuen 20er“ entstanden.
Die Gesellschafter der WNE und deren Anteile
Energie Südbayern (25,1 Prozent), Berchtesgaden (17), Bischofswiesen (17), Schönau am Königssee (17), Stadtwerke Bad Reichenhall (9,9), Marktschellenberg (7), Ramsau (7).
Wie ging es dann weiter?
Rasp: Wir haben als Gemeinde beschlossen, das Thema Nachhaltigkeit richtig anzugehen. Also habe ich mit einer Firma Kontakt aufgenommen, die Erfahrungen mit Stromerzeugung und -lieferung sowie E-Car-Sharing hat. Das hat sich zerschlagen, aber zufällig bin ich mit der Energie Südbayern (ESB) in Kontakt gekommen. Dann ging es Schlag auf Schlag: Wir haben uns über die Beteiligung ausgetauscht und es gab von Anfang an eine sehr große Vertrauensbasis. Unser Ziel war es, alle Gemeinden aus dem Talkessel ins Boot zu holen.
Herr Poettinger, wie fiel Ihre erste Reaktion aus, als Herr Rasp auf Sie zukam?
Poettinger: Es gab bei uns in der ESB schon ähnliche Ideen und Projekte. Es macht einfach Sinn, weil die Bürger und Firmen sowie der Tourismus vor Ort davon profitieren. Zusammen kann man einfach mehr bewegen. Denn alleine solche Projekte zu stemmen, wird heutzutage immer schwieriger.
Rasp: Uns war damals von Anfang an auch bewusst: Wir können allein als Gemeinde kein Stromunternehmen betreiben. Dazu fehlt uns das Fachwissen, ohne Partner geht es einfach nicht. Und das funktioniert auch sehr gut: Für fachspezifische Themen ist die ESB zuständig und alles, was vor Ort zu regeln ist, erledigen wir. Wir kennen uns aus, kennen die Einwohner und die ganzen Anlagen, die im Besitz der Gemeinde sind, oder die geografischen Gegebenheiten. Somit steuert jeder seinen Teil dazu bei.
Erst die Corona-Pandemie, dann der katastrophalen Starkregen im Sommer 2021: Beides gute Gründe, das Projekt erstmal zu verschieben oder zu stoppen. Warum haben Sie trotzdem daran festgehalten?
Rasp: Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, halte ich auch daran fest. Wenn man nach Gründen sucht, weshalb etwas nicht geht, wird man immer fündig. Aber wenn man etwas möchte, muss man es auch machen. Ich war mit der Idee und der Euphorie dafür nicht alleine im Rathaus. Unser Gemeinde-Kämmerer Christian Hinterplattner, heutiger Prokurist der WNE, und Steffi Ilsanker, damals meine Assistentin und heute für die WNE zuständig, haben dafür genauso gebrannt. Das Hochwasser war natürlich bitter, keine Frage, aber wir haben uns auch gut um die Bürger gekümmert. Und das darf einen auch nicht von der anderen Arbeit ausbremsen. Corona hat uns auch nicht daran gehindert.
Die Entwicklung der Watzmann Natur Energie
Für das Geschäftsjahr 2022 verzeichnete die Watzmann Natur Energie insgesamt 1048 Kunden, darunter 932 private Kunden, 62 kommunale Abnahmestellen und 54 Gewerbekunden. Und das in einem Zeitraum von acht Monaten, da das Unternehmen erst im April offiziell ans Netz ging. Unter den Auf- und Ausbau von weiteren Betätigungsfeldern fielen unter anderem die Planung und Vorbereitung weiterer Standorte für E-Ladestationen, PV-Anlagen und eines E-Car-Sharing-Netzes.
Im Geschäftsjahr 2023 hatte die WNE bereits 2366 Kunden, darunter 1725 private Kunden, 536 kommunale Abnahmestellen und 103 Gewerbekunden.Im Juli 2023 wurden am Königssee-Parkplatz zehn Ladesäulen eröffnet, im Dezember folgte der Ladepark an der Watzmann-Therme. Im Mai wurde eine PV-Anlage auf dem Dach des AlpenCongress in Berchtesgaden und im September eine Anlage auf dem Dach des Feuerwehrhauses Bischofswiesen in Betrieb genommen. Ab August wurden E-Car-Sharing-Standorte in allen fünf Gemeinden des Talkessels errichtet.
Sie haben damals, als die Watzmann Natur Energie offiziell ans Netz ging, gemeint, dass die Energiewende nicht über die Länder gestülpt werden darf, sondern von der Basis kommen muss. Wie fielen die ersten Reaktionen auf das Projekt aus?
Rasp: Wir haben schnell viele Kunden gewonnen. Wir wurden häufig gefragt, ob wir auch selbst Strom erzeugen. Meine Philosophie, auch als Bürgermeister: Man muss immer ehrlich sein und sollte nichts vorgaukeln. Es war klar, dass wir nicht alles machen können, und als GmbH müssen wir uns auch finanziell tragen. Von den fünf Gemeinden, den Stadtwerken Bad Reichenhall und der ESB gab es ein Stammkapital in Höhe von 500.000 Euro. Das war unser Startgeld und damit mussten wir überleben, das heißt, Geld verdienen. Und wir haben vertraglich festgehalten, nur mit zertifiziertem Ökostrom zu handeln.
Und trotzdem kam irgendwann die Stromerzeugung dazu.
Rasp: Ja, weil es den Bürgern sehr wichtig ist, nicht nur damit zu handeln. Das haben uns die vielen Anfragen gezeigt. Natürlich gibt es solche, die auf jeden Cent achten müssen, aber viele schätzen auch regional erzeugten Strom. Also haben wir angefangen zu überlegen, wo wir erste PV-Anlagen bauen können: nicht auf Einfamilienhäusern, sondern auf größeren Gebäuden wie dem AlpenCongress in Berchtesgaden oder dem Feuerwehr- und Schulhaus in Bischofswiesen. Natürlich müssen wir uns an das Ausschreibungsrecht halten, aber mit lokalen Firmen können wir gewährleisten, dass die Einnahmen auch wieder in die Region investiert werden. Das gefällt den Menschen, das wissen sie zu schätzen. Das zeigt auch das E-Car-Sharing: Auch die Bürger greifen immer häufiger darauf zurück.
Poettinger: Wir waren offen, ehrlich und transparent. Wir haben schon damals bei der Gründung gesagt, dass wir nicht der günstigste Anbieter sind. Da reicht ein einfacher Vergleich im Internet. Aber die Projekte vor Ort müssen ja auch irgendwie umgesetzt und finanziert werden. Dafür braucht es Zeit, auch das haben wir stets so kommuniziert. Es gab zum Beispiel auch großen Druck, dass bei der E-Mobilität hier bei uns als Tourismusregion etwas passieren muss. Das E-Car-Sharing war auch von Anfang an eine Idee, die wir umsetzen wollten. Wir haben deshalb einen so großen Zulauf, weil die Bürger sagen: Das ist es uns wert. Und innerhalb dieser kurzen Zeit haben wir schnell geliefert, das blieb natürlich nicht unbemerkt.
Mit dem Bau von PV-Anlagen, beispielsweise auf dem AlpenCongress-Gebäude oder dem Feuerwehrgerätehaus in Bischofswiesen, sollen auch regionalen Firmen unterstützen.
Beim Stichwort E-Autos gab es in der Bundespolitik in den vergangenen Monaten durchaus gegensätzliche Signale. Inwiefern ärgert Sie das als lokaler Energieversorger, der dabei ist, ein E-Mobilitäts- und E-Car-Sharing-Netz aufzubauen?
Poettinger: Damit müssen wir leben. Man hat bei der E-Mobilität gesehen: Der Markt war überhitzt und durch die Prämie quasi auf Doping. Jetzt hat sich alles wieder eingependelt und wir verzeichnen wieder ein Wachstum. Ich halte nichts davon, den Menschen etwa vorzuschreiben. Man muss Anreize schaffen. Wenn es den Menschen gefällt und sie Spaß daran haben, dann machen sie es auch. Etwas Gutes setzt sich dann auch irgendwann durch.
Rasp: Wenn man auch im Tourismus stark bleiben möchte, muss man den Gästen solche Möglichkeiten bieten. Ich war auch kein E-Auto-Fahrer, aber wenn ich damit unterwegs bin, muss ich zugeben: Das ist schon eine schöne Sache. Wenn die Reichweiten ungefähr bei 400 Kilometern liegen und wenn die Preise für die Fahrzeuge auf einem normalen Niveau sind, werden sich E-Autos durchsetzen - ganz ohne Zwang. Unsere Carport-Anlage am Königssee kann auch noch ausgebaut werden, wenn wir spüren, dass der Bedarf immer größer wird. Ich sehe täglich auf meinem Heimweg, wie gut das Angebot angenommen wird.
Wie groß ist das Interesse an der WNE auch von außerhalb des Talkessels?
Poettinger: Wir beliefern natürlich auch Kunden außerhalb des Talkessels, also im gesamten Landkreis. Von der Stadt Laufen beispielsweise haben wir eine Anfrage für ein E-Auto als Bürgerauto erhalten. Dass wir den Zuschlag erhalten haben und nicht nur in der Ferne, sondern auch in der Nähe das Glück gesucht wird, freut uns natürlich. Wir setzen uns gerne mit solchen Überlegungen auseinander.
Rasp: Wir haben sehr schnell aus jeder Gemeinde aus dem Landkreis mindestens einen Bürger beliefert - außer Bad Reichenhall, weil dort die Stadtwerke aktiv sind. Wir dürfen natürlich auch nicht vergessen, dass wir beide auch noch andere Jobs haben. Aber mit dem Tempo, dass wir vorliegen, sind wir zufrieden.
Beim offiziellen Start im April 2022 hieß es, auch in Krisenzeiten verlässlich, bezahlbar und ökologisch-nachhaltig Strom erzeugen und anbieten zu wollen. Mit welchen Meilensteinen und Projekten soll das auch in der Zukunft klappen? Was hat sich die WNE vorgenommen?
Poettinger: Eigentlich ist die Carport-Anlage schon ein Projekt für die Zukunft. Sowohl die Gemeinde als auch die WNE investieren dort eine große Summe. Es ist unser Anspruch, dass wir die Produktpalette laufend weiterentwickeln, von Strom für Wärmepumpen oder Heizstrom über Ladetarife für zu Hause. Wir entwickeln uns weiter und ruhen uns nicht auf dem Erreichten aus. Beim E-Car-Sharing haben wir Anfragen von Unternehmen, die genau nach solchen Möglichkeiten gesucht haben, um ein Pool-Fahrzeug für Mitarbeiter zu bieten. Bei der Carport-Anlage am Königssee wird noch kein Energiespeicher gebaut, aber für die Zukunft wäre eine solche Erweiterung möglich.
Rasp: Wir werden nicht aufhören mit dem Weg, den wir eingeschlagen haben. Bei der Photovoltaik machen wir weiter. Der Wind ist für uns kein Thema, weil das finanzielle Ausmaß dafür zu groß ist. Über Wasserkraft muss man nachdenken, aber nur im naturverträglichen Stil. Vielleicht ist die Beschneiungsanlage am Jenner eine Option, aber dafür müssten Gespräche mit der Berchtesgadener Bergbahn AG geführt werden, ob das überhaupt technisch geht. Wenn beschneit wird, reden wir von zwei Monaten im Jahr. Aber was ist mit den restlichen zehn Monaten? Über solche Anlagen muss man nachdenken, oder auch über die Schleuse am Königssee. Wir müssen natürlich die Kirche im Dorf lassen und können nicht einfach irgendeinen See aufstauen. Das wollen wir auch nicht. Aber es braucht Möglichkeiten, die bei jedem Wetter Strom produzieren. Und wir dürfen auch nicht vergessen: Alles muss wirtschaftlich bleiben. Die Bürger erwarten eine optimale Ausnutzung, aber auch bezahlbare Strompreise. Die Mischung zu finden, das ist unsere Aufgabe.
2032 würde die Watzmann Natur Energie ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Wo soll das Unternehmen dann stehen?
Poettinger: Ich würde mir wünschen, dass wir weiterhin ein gesundes Unternehmen sind, das viele schöne Projekte umgesetzt und weitere Kunden dazu gewonnen hat. Mit einer Mannschaft, die mit Leib und Seel dahinter steht. Wenn uns das gelingt, spricht das für uns.
Rasp: Es wäre keine Zielvorgabe, sondern vielmehr ein Wunsch von mir, dass wir der Anbieter mit den meisten Kunden im Talkessel sind. (ms)