Der Bundeskanzler zu Besuch bei den Gebirgsjägern
NATO-Zukunft und Joe Biden - Olaf Scholz äußert sich auf der Reiteralpe
Alles nur Show für den Bundeskanzler? Von wegen! Während seines Besuch bei den Gebirgsjägern auf der Reiteralpe schaut sich der Bundeskanzler ein Szenario eines Verteidigungsfalls an. In seiner Stellungnahme spricht er über die Kritik am Bundeswehr-Etat, die Suche nach Nachwuchs und das aktuell wichtigste Thema: Joe Biden.
Schneizlreuth – Es gießt in Strömen an diesem Montag (22. Juli) und der Bundeskanzler trifft terminbedingt zwei Stunden später ein als ursprünglich geplant. Die spektakuläre Anreise per Hubschrauber fällt auch ins Wasser: Olaf Scholz nimmt für seinen Besuch der Gebirgsjägerbrigade der Bundeswehr auf der Reiteralpe und der Wehrtechnischen Dienststelle Oberjettenberg stattdessen die Seilbahn.
In Jeans, Bergschuhen und Regenmantel, aber ohne Schirm oder Kopfbedeckung, schreitet er die einzelnen Stationen ab, die die Soldaten schon seit einer Woche auf dem einzigen Hochgebirgsübungsplatz Deutschlands vorbereitet haben.
Gebirgsjäger als Teil der Leichten Kräfte des Heeres
Oberst und stellvertretender Brigadeführer Björn-Ulrich Kohlbach begrüßt den Bundeskanzler und gibt ihm eine erste Einweisung über die Aufgaben der Gebirgsjäger. Als Teil der Leichten Kräfte des Heeres ist die Gebirgsjägerbrigade 23 auf den Kampf im schwierigen bis extremen Gelände und unter extremen klimatischen Bedingungen spezialisiert.
Berg- und Skimärsche mit schwerem Gepäck, Klettern an Fels und Eis stehen für die Gebirgsjäger auf der Tagesordnung. Herausforderungen sind auch an diesem Tag auf der Reiteralpe da: lange Laufwege, wechselhaftes Wetter, erschwerte Kommunikationsmöglichkeiten sowie eine komplizierte Koordinierung.
Szenario für den Kanzler ist gleichzeitig Übung
Der Kanzler trotzt stoisch dem Regen und marschiert mit Oberstleutnant Sebastian Becker von Station zu Station, vorbei an der Aufklärungsdrohne „Aladin“ bergab zu den Maultieren. Natürlich gibt das schöne Bilder, wenn der Kanzler ein Muli füttert und das Tier nach mehr verlangt. Doch die Tragetiere sind für die Bundeswehr keine Folklore. In unwegsamen Gelände, wo kein Fahrzeug mehr hinkommt, sind sie nach wie vor wichtig für den Transport von Waffen, Munition sowie von Essen und Trinken.
Bundeskanzler Olaf Scholz zu Besuch bei den Gebirgsjägern auf der Reiteralpe




Weiter geht es zu zwei Stellungen, die eine Gruppe von etwa 15 Soldaten mit nur leichten Hilfsmitteln aus eigener Kraft gebaut haben. Der Weg führt nun an einer vorgeschobenen Sicherung und Panzerabwehrminen vorbei. Beim Aufklärungselement sind Scharfschützen positioniert. Olaf Scholz blickt hier per Fernrohr auf den gegenüber liegenden Hang, wo sich eine Gruppe des Hochgebirgsspezialzugs befindet. Das ganze Szenario auf der etwa zwei Kilometer langen Wegstrecke soll einen Verteidigungsfall simulieren. Eine reine Show für den Kanzler ist der Tag übrigens nicht. Die rund 200 Soldaten haben sich in Form einer Übung, wie sie auch sonst hier stattfindet, auf den Besuch von Olaf Scholz vorbereitet.
Olaf Scholz lobt die Motivation und ist beim Nachwuchs zuversichtlich
Für das persönliche Gespräch mit Soldatinnen und Soldaten sowie das gemeinsame Mittagsessen hinter verschlossenen Türen nimmt sich der Kanzler viel Zeit. Inzwischen klart der Himmel auf und die Sonne kommt immer mehr durch. Olaf Scholz tritt nun im Pullover vor die Presse.
„Es ist sehr beeindruckend zu sehen, mit welchen Engagement das hier geschieht. Ich habe in den Gesprächen festgestellt, dass die Motivation sehr hoch ist. Das muss man auch haben, denn es ist körperlich anstrengend, was hier gefordert ist.“ Das Gespräch mit denen, die reinschnuppern, sei für ihn bewegend gewesen, „weil ich das Gefühl hatte: Es wird uns schon gelingen, junge Leute zu gewinnen, dass sie mitmachen.“
Der Bundeskanzler weist Kritik am Wehretat zurück
Wichtig sei ihm zu sehen, dass die Bundeswehr gut ausgestattet sei, da man sich in einer Zeitenwende befinde, „die darin besteht, dass Russland die Ukraine überfallen hat. Die wichtigste Verständigung der letzten Jahrzehnte ist aufgekündigt worden - nämlich dass man mit Gewalt keine Grenzen verschiebt. Das bedeutet, dass wir uns auf Vereinbarungen nicht mehr einfach verlassen können.“ Daher müsse die NATO so aufgestellt sein, dass die Landes- und Bündnisverteidigung gut erfüllbar sei.
Des weiteren hebt der Bundeskanzler die Investitionen in die Bundeswehr hervor. 2017 seien noch 37 Milliarden Euro für die Verteidigung ausgegeben worden, jetzt seien es unter Einsatz des Sondervermögens 75 Milliarden - quasi eine Verdoppelung. Im Jahr 2028 werde der Bundeswehrhaushalt alleine 80 Milliarden Euro betragen, was langfristige Perspektiven und Planungen ermögliche. Damit weist der Kanzler die Kritik - unter anderem vom Bundeswehrverband - an der geringen Erhöhung des Wehretats zurück.
Statement zu Joe Bidens Kandidatur-Rückzieher
Fragen von Journalisten sind nicht zugelassen. Was den meisten unter den Nägeln brennt, ist die Bitte um eine Stellungnahme zu Joe Bidens Rücktritt als Kandidat für die nächste Präsidentschaftswahl. Olaf Scholz nimmt die Angelegenheit immerhin beim Thema NATO kurz auf: „Die transatlantische Zusammenarbeit schützt uns seit Jahrzehnten und ich bin froh darüber, dass die NATO als Bündnis unsere Sicherheit gewährleistet. Aus meiner Sicht wird es auch dabei bleiben. Joe Biden ist ein guter Freund Deutschlands und Europas. Ich habe mich mit ihm sehr gut verstanden und tue das auch unverändert. Er hat sehr dazu beigetragen, dass die transatlantische Zusammenarbeit einen großen Fortschritt gemacht hat, was ich wichtig finde für unsere gemeinsame Sicherheit.“
Als Verbündete müsse man sich aufgrund des russischen Angriffskrieges neu organisieren, wie es etwa schon durch den Beitritt Finnlands und Schwedens geschehen sei. Eine andere Ausrichtung der Landes- und Bündnisverteidigung „gelingt nur zusammen und das wird auch in Zukunft nur zusammen gelingen. Deshalb wird diese transatlantische Zusammenarbeit auch in der Zukunft eine große, zentrale Rolle spielen. Auf die Bundeswehr können wir uns verlassen. Das hat man hier gesehen.“ (mf)