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Mögliche Reaktivierung des Hbf-Berchtesgaden Ost

„Visionär“ und „ambitioniert“: Kommt wieder Bewegung in den Berchtesgadener Eisenbahntunnel?

Auf dem Parkplatz vor dem stillgelegten Eisenbahntunnel in Berchtesgaden parken Fahrzeuge. Am Bahnhof enden die Gleise in Richtung des Tunnels. Der Tunnel selbst ist mit einem großen Tor abgesperrt.
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Der Tunnel führt vom Berchtesgadener Bahnhof unter dem Sunklergäßchen und der Bahnhofstraße hindurch zur Straße Am Mühlbach.

Mit einem Grundsatzbeschluss zur Anerkennung von Kriterien für die mögliche Reaktivierung des Bahnverkehrs von Berchtesgaden Hauptbahnhof bis Berchtesgaden Ost hat sich der Hauptausschuss am Dienstagabend befasst. Trotz der Zustimmung waren nicht alle Gremiumsmitglieder glücklich damit, denn der Beschlusstext sorgte für Irritationen. Warum ist das Thema nun aktuell geworden? Wie geht es jetzt weiter, wann kommt wieder Bewegung in die Reaktivierungspläne?

Berchtesgaden - Es klingt „visionär“, wie es Bürgermeister Franz Rasp (CSU) ausdrückte. Oder wie Ausschussmitglied Helmut Langosch (Freie Wähler) sagte: „Das ist sehr ambitioniert, diese Option offenzuhalten.“ Das Gremium musste sich am Dienstagabend mit einem Thema auseinandersetzen, dass noch durch einige politischen Instanzen gehen muss und womöglich noch in weiter Ferne liegt. Bei dem überhaupt noch nicht klar zu sein scheint, ob und wann es jemals dazu kommen wird.

Der Beschlussvorschlag lautete wie folgt: Der Markt Berchtesgaden erkennt für die mögliche Reaktivierung des Abschnitts Berchtesgaden Hbf-Berchtesgaden Ost folgende Kriterien vorbehaltlos an:

  1. Eine Prognose, die vom Freistaat Bayern anerkannt wird, ergibt, dass eine Nachfrage von mehr als 1.000 Reisenden pro Werktag zu erwarten ist (1.000 Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke).
  2. Die Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der einen attrak­tiven Zugverkehr ermöglicht.
  3. Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist bereit, die Strecke und die Stationen dauer­haft zu betreiben und berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die das Niveau vergleichbarer Infrastruktur der Deutschen Bahn nicht übersteigen.
  4. Die ÖPNV-Aufgabenträger müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat Bayern abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.

1000 Reisende pro Werktag? Für Rasp ein „sehr ambitioniertes Ziel“

Wie der Bürgermeister erklärte, kommt es ohne die Zustimmung des Marktes Berchtesgaden und des Kreistags nicht mal zur Erneuerung der Nachfrageprognose. „Es gibt eine, die mehrere Jahre alt ist. Damals lag der Wert bei unter 1000 Reisenden pro Werktag.“ Wäre diese Quote erfüllt - für Rasp ein „sehr ambitioniertes Ziel“ -, käme es zum nächsten Schritt: Bei der Untersuchung müsste ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis festgestellt werden. „Das heißt, dass der Mehrwert in einem positiven Verhältnis zum betriebenen Aufwand stehen muss.“

Das Südwestportal des Berchtesgadener Eisenbahntunnels, der unter dem Sunklergäßchen und unter der Bahnhofstraße hindurchführt.

Der Bürgermeister betonte aber auch: „Auch wenn wir als Gemeinde die Bahntrassen bis zur Höhe der Breitwiesenbrücke immer freigehalten haben: Wir sprechen hier von der Reaktivierung eines Eisenbahntunnels, mit allem, was da so an Sicherheitseinrichtungen dazu gehört. Dazu der Aufwand für den Aufbau der Infrastruktur, denn: Es ist ja nicht so, dass die Gleise bei uns noch auf der Strecke herumliegen. Man muss einen neuen Haltepunkt bauen und sich dann noch die Kosten für einen Bahnübergang mit Schranken vor Augen führen.“ Erst, wenn hierbei der Nutzen überwiege, käme es zum nächsten Schritt im Verfahren.

Bauministerium gibt Beschlussvorschlag vor

Als Helmut Langosch wissen wollte, in wessen Zuständigkeit und Verantwortung das zweite Kriterium fällt, verwies Rasp auf eine Mail aus dem Bauministerium, in der DB Infrago genannt wurde. „Das steht aber nicht so im Beschlussvorschlag“, meinte Langosch. Wie Rasp erklärte, bleibe der Gemeinde jedoch nichts anderes übrig, als den vom Ministerium so vorgegebenen Beschluss mitzutragen. Eine Antwort, die Langosch nicht zufriedenstellte.

Auch Hans Kortenacker (Berchtesgadener Bürgergruppe) störte sich daran. Vor allem der Begriff „vorbehaltlos“ gab ihm zu denken. „Wie können wir sicher sein, dass wir, wenn alle vier Kriterien erfüllt werden, noch ein Mitspracherecht haben?“, fragte er. Rasp entgegnete: „Das ist ganz einfach: Wir sind der Grundstückseigentümer der besagten Flächen.“

Dann werden andere Projekte vorgezogen und die Reaktivierung verzögert sich, wenn sie damit nicht sogar gleich beerdigt wird.

Bürgermeister Franz Rasp

Weil sich die beiden Ausschussmitglieder weiterhin am Text störten, betonte das Gemeindeoberhaupt: „Wir können gerne das Ministerium dafür kritisieren, dass die einen so blöden Beschlussvorschlag machen. Aber wenn wir nicht zustimmen, hat sich das Thema erstmal erledigt. Dann werden andere Projekte vorgezogen und die Reaktivierung verzögert sich, wenn sie damit nicht sogar gleich beerdigt wird. So bleiben wir noch im Spiel und erhalten diese Vision am Leben.“

Bushaltestelle an der Breitwiesenbrücke bereits vorhanden

Nach dem Gemeinderat muss sich auch noch der Kreistag mit dem gleich lautenden Beschlusstext auseinandersetzen. „Denn für den ÖPNV sind wir erstmal grundsätzlich nicht zuständig“, so Rasp. Und bei der Eisenbahn werde es ganz spannend, denn hier „gibt es einen bunten Strauß an Zuständigkeiten“.

Weitere Informationen über den Eisenbahntunnel

Das Portal BGLwiki schreibt, dass der Tunnel das einzig vollendete Bauwerk der geplanten Bahnstrecke Berchtesgaden-Salzburg war und 1940 fertig gebaut wurde. Die Stilllegung des Gleises geschah in den 1980er-Jahren, der Rückbau wohl spätestens Mitte der 1990er-Jahre. Hier gibt es weitere Informationen zur Historie des Tunnels.

Ausschussmitglied Richard Schwab wollte wissen, wer beim vierten Kriterium mit ÖPNV-Aufgabenträger gemeint ist. „In unserem Fall ist das der Landkreis“, antwortete Rasp, der darauf aufmerksam machte, dass auf Höhe der Breitwiesenbrücke bereits eine Bushaltestelle ist, um im 30-Minuten-Takt Richtung Salzburg fahren zu können. „Das macht die Prognose, auf 1000 Reisende pro Werktag zu kommen, zwar schwieriger. Dann hätten wir zwei parallele Verbindungen.“ Aus seiner Sicht sei es aber absolut legitim, dass die Bahn beziehungsweise der Staat verlange, dass die Haltepunkte auch mit dem Bus angefahren werden. „Das halte ich auch für richtig, wenn eine Bahnstrecke reaktiviert werden soll.“

Ein weiteres Argument für die Reaktivierung sei außerdem, dass die Züge vom Berchtesgadener Bahnhof zur Haltestelle Ost fahren könnten, ohne dass es zu Fahrplanverschiebungen auf der Strecke nach Bad Reichenhall und Freilassing kommt. „Die Umlaufzeit, welche die Züge im Bahnhof verbringen, reicht aus, zum Haltepunkt und wieder zurückzufahren.“ Deshalb seien die Überlegungen einer Reaktivierung nach wie vor sinnvoll.

Ob und wann die Züge am Bahnhof Berchtesgaden auch in Fahrtrichtung Ost fahren, ist noch völlig unklar.

Kein aktueller Anlass, sondern Bestandteil des Nahverkehrsplans

Doch wieso landet das Thema auf einmal auf den Tagesordnungen der lokalen Gremien? Wie aus dem Landratsamt zu erfahren ist, gibt es dafür zunächst keinen aktuellen Anlass. „Der Landkreis und die Gemeinden arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs im Berchtesgadener Land. Die Verlängerung der Bahnstrecke Freilassing – Berchtesgaden Hbf nach Berchtesgaden Ost durch Reaktivierung der ehemaligen Bahnstrecke, ist eine der Maßnahmen zur Verbesserung des Schienenverkehrs und auch im Nahverkehrsplan des Landkreises Berchtesgadener Land enthalten“, heißt es aus Bad Reichenhall.

Die Beschlüsse müssen deshalb getroffen werden, weil der Freistaat Bayern der Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr ist. „Um die Prüfung durch den Freistaat effizient und zielgerichtet durchführen zu können, sind vorab von den kommunalen Gremien vor Ort - Landkreis als ÖPNV Aufgabenträger für den Regionalbusverkehr sowie von der betroffenen Gemeinde - die vom Freistaat festgelegten Reaktivierungskriterien anzuerkennen.“ Erst mit diesen Beschlüssen kann der Freistaat Bayern die Prüfung der Streckenreaktivierung und die weiteren Schritte veranlassen.

Der weitere Zeitplan sieht dem Landratsamt zufolge dann so aus: Sobald ein Reaktivierungsantrag mit Gremiumsbeschlüssen vorliege, könne der Freistaat die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) mit der Erstellung einer Potenzialprognose beauftragen. Bei positivem Ergebnis dieser Untersuchung sei ein Eisenbahnstrukturunternehmen zu finden, das die Strecke und die Station dauerhaft betreibt. „Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen kann für die Reaktivierung der Strecke wiederum bei positivem Kosten-Nutzen-Verhältnis eine kombinierte Förderung von Bund und Land abrufen.“

„Vielleicht im Jahr 2156“

Mit anderen Worten: Bis Bewegung in eine mögliche Reaktivierung der ehemaligen Bahnstrecke kommt, werden noch viele Züge erst einmal nur in eine Fahrtrichtung den Bahnhof verlassen. Scherzhaft, aber irgendwie auch zutreffend formulierte es Sebastian Rasp bei der Sitzung des Ausschusses deshalb folgendermaßen: „Eine realistische Umsetzung erfolgt vielleicht im Jahr 2156.“ (ms)

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