Massive Kritik von Anwohnern und Geschäften
„Eine der größten Bausünden“: Sanierung der Reichenhaller Straße in Freilassing erhitzt die Gemüter
Bei den Freilassingern hat sich einiges aufgestaut, wenn es um die Sanierung der Reichenhaller Straße geht. Seit Freitag ist sie wieder für den Verkehr freigegeben, doch statt Erleichterung und Freude gibt es viel Unmut. Anwohner und Geschäftsinhaber machen ihrem Ärger Luft, auch auf Facebook gibt es Diskussionen. Im Zentrum der Kritik: die lange Bauzeit und das Verhalten der Stadtverwaltung. Die Behörde nimmt Stellung dazu und erklärt, einiges dazugelernt zu haben.
Freilassing - Schon im vergangenen Sommer ärgerten sich Anwohner und örtliche Geschäftsleute über das Projekt und dessen Folgen. Wer dachte, dass mit dem Ende der Maßnahme nach über zwei Jahren Bauzeit endlich Ruhe einkehrt, wurde am Freitag eines Besseren belehrt: Nachdem die Stadtverwaltung die Arbeiten an der Reichenhaller Straße nach Verzögerung für beendet erklärt hatte, hagelte es auf Facebook Kritik.
In der Zeit haben die Chinesen eine Brücke zum Mond gebaut.
In einer Gruppe bemängelten viele User hauptsächlich die Dauer der Sanierung. „Da hätten die Römer eine Stadt gebaut in der Zeit“, bemerkte ein Mann süffisant. Ein weiterer User kommentierte: „500 Jahre später, nicht mal ein Applaus wert, sondern peinlich für a bissl Asphalt.“ Ein anderer schrieb: „In der Zeit haben die Chinesen eine Brücke zum Mond gebaut. Nur noch peinlich in Deutschland.“ Alles Kommentare, die viel Zustimmung erhielten, denn statt Erleichterung herrschte Ärger über die lange Bauzeit.
Kommentare stoßen nicht nur auf Zustimmung
Doch die Kritik fiel nicht nur einseitig aus. „Hauptsache meckern. Seit froh, dass ihr wieder durchfahren könnt. Wahnsinn“, meinte eine Userin. Auch Jens Hollmotz findet: „Wenn eine Straße saniert wird, dauert es eben.“ Als Geschäftsführer der Firma ACR waren er, sein Team und seine Kunden ebenfalls von der Baumaßnahme betroffen. Die Bauarbeiter seien immer lieb und hilfsbereit gewesen. „Das hat immer gepasst und die hatten auch richtig viel zu tun“.
Doch auch Hollmotz glaubt, dass eine schnellere Fertigstellung möglich gewesen wäre. Und, aus seiner Sicht besonders ärgerlich: Er hat durch den neuen Randstein mehrere Parkplätze verloren. „Das habe ich auch anfangs der Stadt mitgeteilt, aber das hat niemanden interessiert“, schildert er. Eine Anwohnerin bezeichnet die Maßnahme als „nervig“ und „langwierig“. Für eine so kurze Strecke habe es ganz schön lange gedauert, findet sie.
Von der ersten Sperrung nur durch Bauarbeiter erfahren
Die Inhaberin einer anderen Firma, die anonym bleiben möchte, um nicht noch mehr Ärger mit der Stadt zu bekommen, wird deutlicher. Auch sie bestätigt, dass die Mitarbeiter der Baufirma nett waren und versucht haben, alles möglich zu machen. „Aber für ein so kurzes Stück Straße dauerte die Maßnahme viel zu lang. Und das Verhalten der Stadt war eine bodenlose Frechheit, eine richtige Katastrophe“, äußert sie sich. Über die erste Sperrung sei sie nicht informiert worden und habe erst durch die Bauarbeiter davon erfahren. Sie schaltete sogar einen Anwalt ein, der immerhin dafür sorgte, dass sie bei der zweiten Schließung auf dem Streckenabschnitt eine Mitteilung der Stadtverwaltung erhielt. „Ich habe Einbußen erlitten“, betont sie.
Das Verhalten der Stadt war eine bodenlose Frechheit, eine richtige Katastrophe.
Auch der Chef eines anderen Unternehmens, der ebenfalls anonym bleiben will, nimmt kein Blatt vor den Mund. „Die Sanierung ist eine der größten Bausünden, die ich je erlebt habe“, macht er seinem Ärger Luft. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass die zentrale Verkehrsachse im Süden von Freilassing mit 20.000 Fahrzeugen am Tag für über zwei Jahre lahmgelegt wurde.
Informations- und Kommunikationspolitik bemängelt
„Es hätte eine andere Lösung und Kompromisse wie halbseitige Sperrungen gebraucht, bei denen an die betroffenen Anwohner und Firmen gedacht wird“, meint er. Natürlich seien die Bauarbeiten dringend notwendig gewesen und die sanierte Straße werte nun die Gebäude und Unternehmen auf. „Sie war vorher in einem desolaten Zustand. Wir sind froh darüber, dass die Maßnahme vollzogen wurde.“
Seine Hauptkritikpunkte: die Dauer der Maßnahme und auch die Haltung beziehungsweise die Kommunikations- und Informationspolitik der Stadt. „Manchmal gab es nur wenige Tage vorher eine Mitteilung darüber, dass die Straße komplett gesperrt wird. Dadurch mussten Termine verschoben oder abgesagt werden. Der Kundenverlust ist nicht zu beziffern“, erzählt der Mann. Außerdem seien die Anlieger wegen des Erwerbs von Grundstücken erst kontaktiert worden, nachdem die Sanierungsmaßnahme gestartet worden sei. Denn die Flächen wurden zur Verbreiterung der Straße benötigt. Was passiert wäre, wenn einzelne Anlieger nicht zugestimmt hätten, will er sich nicht ausmalen.
Vergleich zu Salzburger Projekt
Der Geschäftsleiter zieht den Vergleich zu einem anderen Projekt: dem Ausbau der Münchner Bundesstraße zwischen dem ehemaligen Merkurmarkt und Salzburg-Mitte. „Dort dauerte der vierspurige Ausbau nicht mal ein Jahr.“ Für ihn ist klar: Es wäre bestimmt möglich gewesen, mit der Reichenhaller Straße schnell vorwärtszukommen. Die Maßnahme sei zu wenig durchdacht und die Bedürfnisse der Betroffenen nicht ernst genug genommen worden. Er wünscht sich für das nächste vergleichbare Projekt in Freilassing, „alle Betroffenen mit ins Boot zu holen und sich dem Ausmaß der Konsequenzen von solchen Bauarbeiten bewusst zu werden“.
Mit den Vorwürfen und der Kritik konfrontiert, reagiert die Stadtverwaltung auf Anfrage dieser Redaktion wie folgt: „Eine Baustelle in dieser Größenordnung kann nie ganz ohne Kritik auskommen, dafür hat sie zu großen Einfluss auf die alltäglichen Wege. Dass die Sperrung einer der Hauptverkehrsadern die Geduld der Bürgerinnen und Bürger und vor allem der Anwohner und der Geschäfte über alle Maßen strapaziert hatte, ist absolut verständlich. Unannehmlichkeiten tun uns natürlich Leid, für die Geduld wollen wir uns aber ausdrücklich bedanken. Auch wenn wir uns von Anfang an bemüht haben, haben wir im Laufe der Baumaßnahme in der Kommunikation noch einiges für künftige Baumaßnahmen dazugelernt.“
Stadt sieht Straße für die nächsten Jahrzehnte gerüstet
Der Sprecher verweist auf eine barrierefreie Straße auf einer Länge von 1,4 Kilometern, mit breiteren Gehwegen, neuen Telekommunikationsleitungen, Wasser- und Kanalleitungen, Fahrradschutzstreifen und mit taktilen Leitsystemen. „Die Reichenhaller Straße ist nun eine Straße auf neuestem Stand, die für die nächsten Jahrzehnte gerüstet ist und die diesen Stadtteil massiv aufwertet.“
Den ersten Beschluss für die Planungen gab es vom Stadtrat bereits 2019. Grund dafür war der allgemein schlechte Zustand der Straße und die mangelhafte Entwässerung. Begonnen haben die Baumaßnahmen Mitte Juni 2022. (ms)