Mit dem Regionalwerk Chiemgau-Rupertiwinkel soll in Zukunft der Südosten Bayerns mit Energie versorgt werden. Geothermie ist dabei ein großes Thema. Mehr als 30 Gemeinden und Städte in vier Landkreisen zeigen Interesse. Noch diesen Monat soll eine Wärmepotenzialstudie zum Abschluss gebracht werden, weiß Vorstand Michael Perkmann. Über die Zukunftsaussichten des ambitionierten Projekts spricht er im Interview.
Berchtesgadener Land/Traunstein - Los ging es mit 16, doch mittlerweile sind es 31 Gemeinden und Städte aus den vier Landkreisen Berchtesgaden Land, Traunstein, Altötting und Rosenheim im Regionalwerk Chiemgau-Rupertiwinkel. Der Verbund mit Sitz in Kirchanschöring will das Thema Energie wieder mehr in die kommunalen Hände legen. Vorstand Michael Perkmann äußert sich zu den Geothermie-Plänen, den Erfolgsaussichten und warum das Regionalwerk nicht im Berchtesgadener Talkessel involviert ist.
Mit dem Regionalwerk Chiemgau-Rupertiwinkel bauen Sie an einem Versorger für den äußersten Südosten Bayerns, viele Gemeinden inkludiert. War die Privatisierung des Stromsektors in Bayern in den 1990er-Jahren ein großer Fehler?
Michael Perkmann: Die Privatisierung war nur ein Grund für die Gründung des Regionalwerkes Chiemgau-Rupertiwinkel. Die Bürgermeister erkannten, dass der Verkauf von Infrastruktur, die ursprünglich einmal mit dem Geld der Energiekunden aufgebaut wurde, nicht zum Vorteil der Energieversorgung und der Preisstabilität erfolgt ist.
Sie wollen Biogas- und Photovoltaikanlagen zu einem virtuellen Kraftwerk koppeln, gute Einspeisepreise zahlen, um damit die Region zu versorgen. Wieso sind Sie überzeugt, dass das gelingen wird?
Perkmann: Für den Betrieb von Biogasanlagen ist dies mittelfristig eine gute Alternative, da sowohl Strom als auch Wärme von Biogasbetreibern verkauft werden kann.
Sie setzen bei ihrem Projekt auch auf Geothermie. Weshalb ist die Voralpenlandschaft so interessant für die Wärme aus dem Boden? Wo geht's, wo nicht?
Perkmann: Tiefe Geothermie ist grundlastfähig. Sie ist rohstoffunabhängig, regional verfügbar und unterliegt keinen Preisschwankungen an der Börse. Ebenso gibt es keine Einwirkungen durch Elementarereignisse wie etwa Lieferkrisen oder auch kriegerische Ereignisse. Grundsätzlich ist tiefe Geothermie in der Südost-Molasse möglich, das heißt im Bereich oberhalb von München bis kurz vor Saalach und Salzach über die Thermenregion Bad Füssing und Geinberg bis nach Linz, Wien und Brünn. Die Südost-Molasse ist ein geologisches Sedimentbecken in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz, das während des Tertiärs vor etwa 65 Millionen Jahren gebildet wurde. Dieses Becken entstand durch die Ablagerung von Sedimenten, die aus den erodierenden Alpen stammen. Das heißt, die Geologie ist ausschlaggebend für das Thermalwasservorkommen. Im alpinen Bereich südlich der Malmkarst-Grenze ist es technisch wie wirtschaftlich aufgrund der sehr tiefen Lage realistisch nicht machbar.
31 Gemeinden und mehrere Städte über vier Landkreise hinweg haben sich Ihrem Projekt mittlerweile angeschlossen. Wo sehen Sie sich aktuell auf der Zeitleiste?
Perkmann: Wir sind mit der flächendeckenden EU-geförderten Wärmepotenzialstudie kurz vor Abschluss. Der Abschluss soll noch in diesem Monat stattfinden. Dann geht es in die Kooperation mit Projektbetreibern und in die Projektvorbereitung zur Erschließung des Leitungsbaus.
Von Altötting, Mühldorf über Traunstein bis in das mittlere Berchtesgadener Land reicht Ihr Zusammenschluss. Ihre Bestrebungen, den südlichsten Südosten von Ihren Absichten zu überzeugen, bezeichnen Sie aber als ausbaufähig. Hat man im Berchtesgadener Talkessel überhaupt Gehör für Sie angesichts eigener Vorkehrungen, kommunal Strom zu veräußern? Wieso wäre diese Region für Sie interessant?
Perkmann: Wir gehen in Gebiete bestehender Regionalwerke nicht rein. Zusammenarbeit heißt, sich zu ergänzen und Dinge für andere anzubieten, die derzeit nicht abgedeckt sind. Strom ist in Berchtesgaden abgedeckt. Geothermie ist im Talkesselbereich am Gebirgsfuß nicht machbar und auch nicht notwendig, da hier Biomasse-Lösungen existieren.
Wie lässt sich Ihr weitläufiges Vorhaben überhaupt finanziell stemmen? Was sind derzeit Ihre größten Herausforderungen?
Perkmann: Die Umsetzung von Infrastrukturnetzen ist nur durch Kooperation machbar. Das sieht man auch an der Entstehung der Gas- und Stromnetze in der Vergangenheit. Damit lassen sich dann auch lokale Investoren und Unternehmen für Beteiligungen gewinnen. Damit könnte Fernwärme preisstabil und breit gestellt werden. Das ist wiederum auch ein Faktor für Standortsicherheit, dekarbonisierte Prozesse in den Betrieben und Arbeitsplatzsicherheit für die Beschäftigten.
Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten Ihres Projektes für die Zukunft ein?
Perkmann: Die Erfolgsaussichten sind dann gut, wenn die Regionen und Akteure zusammenarbeiten, wenn sie sich ergänzen und ein gemeinsames Ziel verfolgt werden kann. Flächendeckende Infrastruktur kann daher nur gemeinsam funktionieren. (kp)