RVO will Buslinie 838 einstellen
„Falsches Signal“: Ist die Dokumentation Obersalzberg bald nicht mehr mit dem ÖPNV zu erreichen?
Ein Lern- und Erinnerungsort über das Nazi-Regime, das nicht mit dem ÖPNV erreichbar ist? Der Dokumentation Obersalzberg könnte das drohen, will doch die RVO die Buslinie 838 einstellen. Welche Folgen das für die Besucherzahlen und die Parksituation hätte, erklärt die Pressesprecherin Melanie Diehm.
Berchtesgaden – Die Zahlen sind erfreulich. 73.000 Besucher hatte die neue Dokumentation Obersalzberg seit ihrer Eröffnung vor einem halben Jahr. Dabei steht die Hauptsaison im Sommer noch bevor. Geht es nach den Zahlen von vor dem Umbau, so hat die Einrichtung etwa 170.000 Besucher im Jahr.
Getrübt wird dieser Erfolg jedoch von der Ankündigung der Regionalverkehr Oberbayern GmbH (RVO), die die Linie 838 von Berchtesgaden zur Dokumentation ab Herbst nicht mehr befahren möchte. Der Grund: Diese und vier weitere Linien im Landkreis lohnen sich dem Unternehmen zufolge wirtschaftlich nicht mehr. Die RVO hat daher eine Betriebspflichtentbindung bei der Regierung von Oberbayern beantragt. Ob den Anträgen stattgegeben wird, ist noch unklar. Sollten tatsächlich die Anträge der RVO durchgehen: Wie würde sich das auf die Besucherzahlen der Dokumentation auswirken? Wir haben bei der Pressesprecherin Melanie Diehm nachgefragt.
Mitarbeiter, Schulklassen und Individualbesucher nutzen den ÖPNV
Die Dokumentation Obersalzberg führt keine Statistik darüber, wie viele der Besucher mit dem öffentlichen Bus kommen. Aber Melanie Diehm schildert den subjektiven Eindruck, den sie und ihre Kollegen haben, von denen selbst einige mit dem Bus zur Arbeit fahren. „Gerade Schulklassen aus der Region oder solche, die für mehrere Tage hier sind, nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel. Das gilt unserer Erfahrung nach auch für Individualbesucher. Gerade im Sommer sind die Busse eher zu voll, als dass zu wenige Leute mit dem Bus auf den Obersalzberg fahren.“ Über den Winter sei das Besucheraufkommen generell geringer auf dem Berg und somit seien um diese Zeit die Busse natürlich nicht überfüllt.
Andreas Datz, Niederlassungsleiter der RVO, bestätigt im Gespräch die hohe Frequentierung, „aber ich habe keine Erlöse, weil ganz viele mit dem Deutschlandticket unterwegs sind.“ Wegen der hohen Reiseweiten und der hohen Kosten ließe sich dies nicht mehr kompensieren – auch nicht über die Ausgleichszahlungen, die man für das Deutschlandticket bekommt.
Die Einstellung der Buslinie hätte „deutliche Auswirkungen“ auf die Besucherzahlen
Melanie Diehm fragt sich allerdings, ob die RVO bei der Kalkulation berücksichtigt hat, dass die Dokumentation Obersalzberg in den vergangenen Jahren wegen des Umbaus geschlossen war. „Damit gab es in den Wintermonaten für Besucher überhaupt kein Angebot am Obersalzberg. Das hat sich ja nun wieder geändert und die Besucherzahlen der letzten Monate zeigen, dass viele Menschen auch abseits der klassischen Hauptsaison in die Dokumentation Obersalzberg kommen. Dem sollte auch das ÖPNV-Angebot Rechnung tragen.“
Eine Einstellung der Buslinie zur Dokumentation würde „deutliche Auswirkungen“ auf die Besucherzahlen haben, ist sich Diehm sicher. „Jedenfalls würde es für bestimmte Personengruppen den Besuch sehr erschweren, die nicht über einen eigenen Pkw verfügen. Zudem beobachten wir, dass es für Gruppen in der letzten Zeit eher schwieriger geworden ist, eigene Reisebusse zu organisieren – auch dort steigen die Kosten und Personalmangel führt zu Knappheit. Jetzt auch noch den ÖPNV zu streichen, wäre ein falsches Signal.“
Die Stellplatzsituation würde sich weiter verschärfen
Müssten nun die Besucher vermehrt mit dem Auto anreisen, so hätte das auch Folgen auf die Parksituation vor Ort. Während derzeit genug Stellplätze vorhanden sind, sind diese in den Sommermonaten ohnehin schon „absolute Mangelware. Regelmäßig sind bereits am frühen Vormittag alle Parkplätze belegt, viele Autos parken ‚wild‘ entlang der Straße.“ Sprich: Eine weitere Verschärfung der Parkplatzproblematik wäre vorprogrammiert. Die Dokumentation Obersalzberg würde daher statt der geplanten Kürzung eher eine Ausweitung des Nahverkehr-Angebots begrüßen.
Die Gespräche über mögliche Lösungen laufen derzeit auf Hochtouren. Die Marktgemeinde Berchtesgaden und der Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden haben in einer gemeinsamen Stellungnahme klar gemacht, dass touristisch relevante Ziele weiterhin über den ÖPNV erreichbar bleiben müssen. Auch das CJD ist mit seinen Schulen an der Buchenhöhe und am Dürreck von den Vorhaben der RVO betroffen und spricht sich „nachdrücklich gegen die negative Entwicklung aus.“ Das Landratsamt hält die Anträge der RVO für nicht zulässig und wird in seiner Stellungnahme an die Regierung von Oberbayern gegen das Vorhaben der RVO argumentieren.
mf
