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Bischofswieser Schwimmlehrerin im Gespräch

„Im Wasser zu Hause“: Wie Kinder ohne Angst schwimmen lernen

Babyschwimmen und ein schwimmendes Kind
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Sicherheit und Vertrauen im Wasser sind das A und O beim Schwimmen.

„Ich will nicht, dass Wasser in mein Gesicht kommt.“ Diesen Satz hört die Schwimmlehrerin Melanie Deißenbeck aus Bischofswiesen sehr häufig. Um Kindern die Freude am Wasser nahe zu bringen, braucht es viel Einfühlungsvermögen und auch die Kooperation der Mamas und Papas.

Bischofswiesen – „90 Prozent der Kurskinder trauen sich nicht, die Nase ins Wasser zu stecken oder richtig zu duschen“, sagt Melanie Deißenbeck. Die sechsfache Mutter und Aquapädagogin startet gerade wieder neue Schwimmkurse mit ihrer „Eulchens Schwimmschule“. Für sie steht fest: Bevor man überhaupt Schwimmtechniken beibringen kann, müssen die Kinder zunächst Vertrauen ins Wasser haben und sich darin wohlfühlen. Dabei werde gerade über die sozialen Medien viel Angst geschürt. Da gebe es etwa einen Kinderarzt, der auf Instagram davor warnt, Babys zu tauchen. „Dabei kommen die doch aus dem Wasser und es ist viel einfacher, wenn der Kontakt mit dem Wasser von Anfang an beibehalten wird.“

Keine Angst vor dem Wasser

„Wir klären die Eltern vom Babyschwimmen an auf. Je unkomplizierter sie im Umgang mit ihren Kindern sind, umso einfacher ist es später.“ Dazu gehört auch normales Duschen und dass mit dem Wasser gespritzt werden darf. „Kindern, die im Anfängerkurs noch Angst vor dem Wasser haben, versuchen wir mit Hilfe verschiedener Rituale, verbunden mit der EFT Klopf-Akkupressur, aber auch durch das Floaten, also das sanfte Schweben, die positive Seite der Materie Wasser nahezubringen. Die Kleinen sollen sich trauen dürfen, mit Spaß ins Wasser zu gehen, ohne der ständigen Angst im Nacken.“

Die Berührung spielt beim Vertrauensaufbau eine sehr große Rolle. Durch sanftes Halten der Kinder haben die Kleinen den Mut, das Erlernte anzuwenden und sind nicht selten überrascht, wie leicht sie im Wasser sind. „Wir müssen zuerst mal weg von der reinen Schwimmtechnik und uns fragen, wie wir den Kindern die Sicherheit im Wasser vermitteln können“, betont die Bischofswieserin.

Eltern haben hohe Erwartungen und können nicht loslassen

Wer jedoch dem Schwimmenlernen häufig unbewusst im Weg steht, sind die Eltern selbst. Nicht nur Melanie Deißenbeck beobachtet diesbezüglich eine massive Veränderung in den letzten Jahren. So klagen nicht selten Kollegen, Erzieher und Lehrer dasselbe Leid. „Eltern haben eine wahnsinnig hohe Erwartungshaltung. Sie wollen zum Beispiel, dass ihr Kind, nachdem es mit dreieinhalb Jahren ohne Stützräder Fahrrad fährt, gleich auch richtig schwimmen lernt und nach einem einzigen Kurs bereits das Seepferdchen-Abzeichen macht.“

Leider trauen die Eltern häufig den Kindern aber dann nicht zu, alleine mit den Schwimmlehrern mitzugehen. Die Folge: Mama und Papa wollen in der Nähe sein und verunsichern damit sehr oft ihre Kinder und irritieren auch die Kursgruppe. Die Anfängerkurse beginnen mit etwa dreieinhalb Jahren, unter der Voraussetzung, dass die Kinder alleine mit in der Gruppe sind, wie es ja auch im Kindergarten der Fall ist. „Die Ängste der Eltern übertragen sich häufig auf die Kinder, dabei ist es am Ende eines Kurses immer wieder toll zu sehen, wie stolz die Kinder darauf sind, ihr Erlerntes den Eltern zeigen können.“

Die Schwimmlehrerin wünscht sich mehr Gelassenheit bei den Eltern, „dass die Kleinen ganz easy ins Wasser gehen können. Wir wollen die Eltern aufklären, wie sie ihre Kinder optimal auf den Schwimmkurs vorbereiten können, deswegen sind auch Info-Abende zusammen mit der Wasserwacht in Planung.“

Die beste Zeit fürs Schwimmenlernen

Das ideale Alter, um das Schwimmen zu erlernen, liegt für sie zwischen dreieinhalb Jahren und dem Schulstart. In der Regel befinden sich sechs Kinder bei einem, bis zu zwölf bei zwei Schwimmlehrern im Kurs während des laufenden Badebetriebs. „Bei mehr Kindern leiden Sicherheit und Qualität.“ Eine Kursreihe geht über acht Einheiten, wobei Kinder ohne Vorerfahrung im Durchschnitt 35 Schulstunden benötigen, um sicher zu schwimmen. Wichtig ist, dass im Anschluss das Erlernte weiter geübt wird, um einen Rückschritt zu vermeiden. Bei der Auswahl der Schwimmhilfen arbeitet Melanie Deißenbeck am liebsten mit der Poolnudel, die vielseitig verwendbar ist und für jedes Kind individuell zum Einsatz kommt. Schwimmbrillen, -westen und -reifen behindern die Kinder hingegen oft daran, sich im Wasser frei fortbewegen zu können.

„Das Gefühl geben, im Wasser zu Hause zu sein.“

Keiner will einen Schwimmkurs im Haus haben

Zur Zeit finden die Kurse überwiegend in der Watzmann Therme in Berchtesgaden, aber auch in der Bayerisch Gmainer Rehaklinik Hochstaufen statt. Die Schwimmlehrerin ist sehr froh und dankbar, dass alles dort so unkompliziert abläuft. Gerne würde sie auch noch an anderen Örtlichkeiten Kurse anbieten, aber die Suche nach Räumlichkeiten erweist sich als schwierig. Zwar haben viele Hotels geeignete Pools, aber diese befinden sich oftmals im ruhigen Spa-Bereich, wodurch ein Kurs mit Kindern unmöglich wird. Immer mehr Hotels bieten zudem „adults only“ an.

„Was aber, wenn etwa die Watzmann Therme einmal wegbricht? Wo können unsere Kinder dann schwimmen lernen?“ Bei dem Gedanken daran hat Melanie Deißenbeck Bauchweh. „Ein Becken von fünf auf zehn Metern wäre ausreichend, um sämtliche Kurse, die mit Wasser zu tun haben, abzudecken.“

Verstärkt wird das begrenzte Angebot an Bädern auch durch die Situation in Salzburg. Nachdem das Paracelsusbad nach einer 60 Millionen Euro schweren Sanierung nun nach kurzer Zeit schon wieder geschlossen hat, weichen die Österreicher mit ihren Kindern nach Bayern aus. Die Folge: Es kommen sogar Kinder aus Eugendorf und der Faistenau, um bei Melanie Deißenbeck schwimmen zu lernen. Sie hegt daher auch schon lange den Wunsch nach einer grenzübergreifenden Schwimmschule, „nachdem ein grenzübergreifender Fußballplatz in Bayerisch Gmain schon existiert und funktioniert.“ Dafür benötigt sie aber Investoren und eben Räumlichkeiten zum Unterrichten und ist deswegen ständig auf der Suche.

Erwachsene Nichtschwimmer: Ein Tabuthema

Melanie Deißenbeck unterrichtet aber nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene. In diesen Fällen jedoch im Einzelunterricht. Die Scham, als Erwachsener nicht schwimmen zu können, ist häufig sehr groß und es braucht Überwindung, sich dem zu stellen. „Nicht selten steckt bei erwachsenen Nichtschwimmern ein Trauma dahinter, das sich oft genau wie bei den Kindern über die Sicherheit und den Wohlfühlfaktor im Wasser lösen lässt. Meistens reichen ein paar Mal Floaten - das geführte Schweben im Wasser - und ruhige Atemtechniken aus, um danach mit der Technik beginnen zu können.“

Kinder dürfen im Schwimmbad nie unbeaufsichtigt sein

Die Schwimmlehrerin, die zuvor 14 Jahre in der Watzmann Therme angestellt war und dort auch miterlebt hat, wie Kinder aus dem Wasser gerettet werden mussten, betont zum Schluss, wie wichtig es ist, schwimmen zu können. „Ich wünsche es keinem, dass er das Geräusch hören und den Blick eines Kindes sehen muss, das gerade ernsthaft Wasser geschluckt hat und dabei Todesangst hat.“ Daher appelliert sie auch an die Eltern, ihr Kind im Bad nie aus den Augen zu verlieren. Zu viele würden sich auf die Bademeister verlassen, dabei liegt die Aufsichtspflicht bei den Eltern.

Melanie Deißenbeck liebt es trotz ihrer vielen Zeit im Wasser, nach wie vor auch privat zu schwimmen. Diesen Sommer hat sie geplant, sechs Wochen in der Türkei Schwimmkurse zu geben, denn obwohl das Meer vor der Nase ist, könnten viele dort nicht schwimmen. „So toll wie die Materie Wasser ist, darf man genauso Respekt davor haben, wenn man sich nicht sicher fühlt. Ich möchte Kindern genauso wie Erwachsenen das Gefühl geben, im Wasser zu Hause zu sein.“

mf

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