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80 Prozent weniger in 30 Jahren

„Völlig andere Dimensionen“: Dramatischer Rückgang von Amphibien im BGL

Die Kröten wandern wieder
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Die Amphibienpopulation ist im Berchtesgadener Land massiv zurück gegangen.

Früher häufig vorkommende Amphibienarten sind im Landkreis Berchtesgadener Land in den vergangenen 30 Jahren um über 80 Prozent zurück gegangen. Was die Naturschutzbehörde und Naturschutzvereine dagegen tun und wie jeder einzelne seinen Beitrag leisten kann.

Landkreis Berchtesgadener Land – Die Zahlen klingen erschreckend. In einer Pressemitteilung vom Landratsamt heißt es: „Ehemals häufige Arten wie Grasfrosch oder Teichmolch haben Bestandseinbrüche von mehr als 80 Prozent in den vergangenen 30 Jahren zu beklagen.“ Ein Beispiel: An der BGL 2 bei Haberland wird seit ein paar Jahren kein Schutzzaun mehr während der Amphibienwanderungen errichtet. Der Grund: Von der einstmals hunderte Tiere umfassenden Population wurden zuletzt nur noch wenige Tiere gezählt.

Auf Nachfrage verweist die Untere Naturschutzbehörde auf zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, die sich mit den rückläufigen Populationszahlen bei den Amphibien beschäftigen. Doch auch direkt vor Ort berichten Naturinteressierte von ihren Beobachtungen. Und zwar Menschen, „die noch persönlich erlebt haben, dass die Populationen im Landkreis in den 1950er, 60er oder 70er Jahren völlig andere Dimensionen hatten“, so die Naturschutzbehörde.

Amphibien haben eine Schlüsselrolle im Ökosystem

Der Rückgang der Amphibien wirkt sich auf das gesamte Ökosystem aus. Ihnen kommt eine Schlüsselrolle zu. „Einerseits sind die meisten Arten Allesfresser und reduzieren die Bestände von z.B. Mückenlarven oder fressen Aas und tragen damit zur Sauberkeit der Gewässer bei. Ganz allgemein setzen sie tierische Biomasse um und stabilisieren das ökologische Gleichgewicht. Auf der anderen Seite sind sie Nahrungsgrundlage für eine Reihe anderer Tiere.“ Etliche Libellenarten im Larvenstadium seien auf die eiweißreiche Kost angewiesen, die Kaulquappen bieten. „Aber auch für größere Tiere, wie den Weißstorch stellt die Amphibienpopulation in der Umgebung einen gewichtigen Faktor für die Ernährung des Nachwuchses dar“, heißt es weiter aus dem Landratsamt.

Krankheiten, Trockenheit und Verkehr als Hauptursache

Die Gründe für die starken Rückgänge der Amphibienpopulation in der Region sind vielfältig. Da wären etwa Krankheiten. Rita Poser, Kreisvorständin vom BUND Naturschutz, erwähnt in diesem Zusammenhang, dass sich die Ausbreitung zum Tode führender Pilze und Bakterien beobachten lässt. Gleichsam sei Gülle statt Festmist auf den Wiesen ein großes Problem für die empfindliche Amphibienhaut.

Aber auch Trockenheit sowie das Eingreifen des Menschen in die Natur sorgen für eine Verschlechterung der Sommerlebensräume für die Tiere. „Feuchte Senken, Mulden oder Wiesen, in denen die empfindlichen Jungtiere den Sommer verbringen und trockene Phasen überstehen können, sind insbesondere durch Flurbereinigungen im vergangenen Jahrhundert sehr zahlreich und gründlich beseitigt worden“, erklärt die Naturschutzbehörde.

Der BUND Naturschutz beklagt ebenso die „maximale Flächenversiegelung“ bei Straßenbaumaßnahmen. „In Beton, Kies und Asphalt können Amphibien nicht überleben. Oft landen auch überzählige Goldfische aus Privatteichen in den Laichgewässern, die dann den Laich und die Kaulquappen fressen.“ Als aktuelles Beispiel nennt Rita Poser die Baumaßnahme am Aschauerweiher. „Teile der Ausgleichsfläche wurden nun im Zuge der Baumaßnahmen als Absetzteich für Straßenabwässer und Grundwasserablauf der neuen Unterführung verbaut. Es wurden mehrere Amphibiendurchlässe gebaut, aber wie die Amphibienbestände darauf und die neu betonierten Straßenböschungen, die vorher einen Baumbestand hatten, reagieren werden, bleibt abzuwarten.“

Für manchen Autofahrer ein Ärgernis, aber für die Tiere überlebenswichtig sind Straßensperrungen und das Aufstellen von Schutzzäunen während der Amphibienwanderungen. „Es gibt Beispiele, bei denen anzunehmen ist, dass ausschließlich Verluste durch Straßenverkehr die Ursache für den Rückgang einer Population sind, da sich sonst kaum etwas im Lebensraum verändert hat“, so aus dem Landratsamt.

Früher kam er im Landkreis sehr häufig vor: Der Grasfrosch.

„Helfer sind es nie genug“

Rita Poser beklagt, „dass es nach wie vor keinen Schutz im Bereich des Taubensees in der Ramsau gibt und im Bereich Obersalzberg sind auch keine Schutzzäune möglich.“ Während der Amphibienwanderungen sind morgens und abends entlang der Schutzzäune freiwillige Helfer unterwegs, um die Tiere einzusammeln und sie sicher über die Straße zu bringen. Wer an der Betreuung eines Straßenüberganges mitwirken möchte, kann sich an den Landschaftspflegeverband wenden, der die ehrenamtliche Arbeit im Landkreis koordiniert. So sammelt etwa der BUND Naturschutz im Bereich der Fischzucht in Karlstein sowie am Weißbach in Bayerisch Gmain, der LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) hingegen unter anderem am Aschauerweiher. „Helfer sind es nie genug“, sagt Rita Poser.

Maßnahmen zum Erhalt der Populationen

Doch was kann gegen den Rückgang von Fröschen, Kröten und Molchen unternommen werden? Zum einen führt die Naturschutzbehörde proaktive Maßnahmen wie die Pflege oder die Neuschaffung von Gewässern durch. Zum anderen gibt es auch das bayerische Vertragsnaturschutzprogramm. In Zusammenarbeit mit Landwirten sollen so Feuchtwiesen erhalten und deren schonende Bewirtschaftung gefördert werden. „Neben späten Schnittzeitpunkten kommen auch förderfähige Erschwernisse wie die Verwendung von Balkenmähwerken und der Verzicht auf Gülledüngung den empfindlichen Tieren zugute.“

Eine weitere Maßnahme: Das Monitoring der Populationen. „In diesem Jahr findet z.B. eine gezielte Suche nach Beständen des sehr seltenen Kammmolchs statt. Die letzten Nachweise liegen bei manchen Gewässern bereits Jahrzehnte zurück. Im Idealfall lassen sich aus den Ergebnissen der Nachsuche Maßnahmen zum langfristigen Erhalt der Art ableiten.“ Naturinteressierte können zudem beobachtete Amphibien mit Foto auf der Plattform observation.org melden.

Bei baulichen Eingriffen wacht die Naturschutzbehörde darüber, dass die gesetzlichen Vorgaben zum Schutz von Amphibien und anderen Tieren eingehalten werden. Teilweise müssen hier Ersatzlebensräume geschaffen oder Planungen abgeändert werden. Der BUND Naturschutz versucht zudem, Gewässer oder Feuchtflächen anzukaufen, um geeignete Lebensräume zu erhalten. „Aber das ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal wenn nach ein paar Jahren Ausgleichsflächen für Amphibien für Baumaßnahmen zweckentfremdet werden“, so Poser.

Ein Teichmolch

Das kann jeder einzelne tun

Aber nicht nur Behörden und Naturschutzverbände, sondern auch jeder einzelne kann etwas zum Schutz der Amphibien beitragen. „Wer einen Garten hat, kann Amphibien durch eine naturnahe Gestaltung und das Zulassen von ‚wilden Ecken‘ fördern. Auch der Verzicht auf Mähroboter und das Abdecken von Lichtschächten – beides eine große Gefahr für Amphibien – sind kleine Maßnahmen mit großer Wirkung“, erklärt die Naturschutzbehörde, an die man sich auch wenden kann, wenn man ein geeignetes Grundstück für ein Amphibiengewässer in der freien Landschaft besitzt. Die Anlage eines Teiches kann durch Fördermittel voll finanziert werden.

Sowohl die Untere Naturschutzbehörde als auch der BUND Naturschutz bitten zum Schluss vor allem um eines: Verständnis – sei es, wenn es darum geht, einfach einmal einen Umweg bei einer gesperrten Straße in Kauf zu nehmen oder auch bei einem erhöhten Planungsaufwand von Bauvorhaben.

mf

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