Verein am 1. Februar gegründet
Berchtesgaden gegen Rechts: Junges Vorstandsduo will durchstarten und wachrütteln
Wenn aus einem traurigen Anlass etwas Tolles entsteht: So in etwa lässt sich die Entstehung von Berchtesgaden gegen Rechts beschreiben. Aus der Initiative ist jetzt ein Verein geworden, ...
Berchtesgaden - Es war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Als „Nazi-Touristen“ im August 2023 einem Behinderten ins Gesicht schlagen, wird dieser Vorfall zur Initialzündung für die Gründung der Initiative Berchtesgaden gegen Rechts. Ein halbes Jahr später ist aus der anfangs losen Gruppe ein richtiger Verein geworden, der schon einige Akzente wie die „stille Demo“ im September oder die Kundgebung am 9. November gesetzt hat. Doch das soll es noch lange nicht gewesen sein, wie der frisch gekürte Vorstand rund um Michael Gruber (Vorsitzender), Anna Stangassinger (2. Vorsitzende), Selina Stangassinger (Schriftführerin) und Norbert Egger (Kassier) erklärt.
„Ich bin sehr zufrieden mit dem bisher Erreichten. Wir haben in kurzer Zeit ein großes Unterstützerfeld aufgebaut und haben uns mit anderen Initiativen vernetzen können. Das ist vor allem für die Zukunft wichtig“, berichtet Michael. Bislang fiel die Resonanz überwiegend positiv aus, „das erfüllt mich natürlich mit Freude“. Anfangs sei er ohne Erwartungen die Sache angegangen, weder positiv noch negativ. „Für mich war aber klar: Es ist wichtiger denn je, ein Zeichen gegen den Rechtsruck zu setzen.“
Ungewohnte neue Rollen
Auf die Frage, wie es sich an der Spitze eines frisch gegründeten Vereins so anfühlt, antwortet Michael: „Für mich war das alles sehr ungewohnt. Vor vielen Leuten zu sprechen oder Interviews mit Medienvertretern zu geben ist für mich absolutes Neuland.“ Besonders aufregend fand er die Interviews für Fernsehberichte, aber er denkt, dass er dadurch viel lernen und an den Aufgaben wachsen konnte.
Auch für seine Stellvertreterin Anna ist es eine neue Erfahrung. „Ich bin 22 Jahre alt und bin 2. Vorsitzende eines neu gegründeten Vereins. Es ist aufregend, ungewohnt und manchmal beängstigend zugleich. Aber wir sind ein gutes Team, das einander unterstützt“, sagt sie. Es sei gut zu wissen, dass es nicht schlimm sei, dass man nicht gleich alles weiß oder kann. „Auch zu wissen, dass Fehler passieren können, aber man daran wachsen kann und immer mehr mitnimmt und lernt.“
„Mehr, als ich mir je hätte wünschen können“
Sie sei positiv überrascht und hätte nie gedacht, dass aus der anfänglichen Idee etwas so Großes werde. Anna: „Die Vereinsgründung war für uns ein großer Schritt. Auch die Veranstaltungen, die wir schon gemacht haben und noch in Planung sind, sind mehr, als ich mir je hätte wünschen können!“ Der Kern ihrer Mission sei die Aufklärung und Sensibilisierung gegenüber rechtem Gedankengut, das zunehmend als „konservative Meinung“ anerkannt werde. „Unser Verein zielt darauf ab, besonders junge Menschen durch historisch fundierte und quellenbasierte Bildung zu erreichen. Es geht darum, ein umfassendes Verständnis unserer Geschichte und Gegenwart zu fördern und konstruktive Alternativen zu den Narrativen rechter Parteien aufzuzeigen.“
Damit das auch in Zukunft weiterhin gelingt, hat sich der Verein wieder einige Aktionen für die kommenden Wochen und Monate überlegt:
- Am 28. Februar findet um 20 Uhr im Kuckucksnest in Berchtesgaden die erste Jahreshauptversammlung statt, in der es auch um weitere geplante Veranstaltungen und Aktionen gehen soll.
- Zum „Weltfrauentag“ am 8. März veranstaltet der Verein zusammen mit dem „WurzelTrieb“-Kollektiv einen Workshop zum Thema „Traditionelles Frauenbild und der moderne Feminismus im Vergleich“.
- Am 14. März um 18.30 Uhr, ebenfalls im Kuckucksnest, liest der Autor Jakob Springfeld aus seinem Buch „Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen Rechts“.
- Am 20. März ist um 19 Uhr im AlpenCongress in Berchtesgaden ein historischer Vortrag von Mathias Irlinger, Bildungsreferent der Dokumentation Obersalzberg, zur Person Paul von Hindenburg geplant.
- Eine größere Aktion findet am „Tag der Toleranz“ (20. April) statt: Um 15 Uhr soll es eine Kundgebung am Weihnachtsschützenplatz in Berchtesgaden geben und anschließend ein Festival „Rock gegen Rechts“, zu dem mehrere Bands bereits ihr Kommen zugesagt haben.
Jemand, der sich schon viele Jahre mit diesen Themen auseinandersetzt, ist Norberg Egger. Für ihn sind es mehrere parallele Entwicklungen, die zur Vereinsgründung geführt haben. Vor den bayerischen Landtagswahlen habe er zusammen mit seiner Frau eine Anzeigenkampagne im „Berchtesgadener Anzeiger“ wegen des AfD-Wahlprogramms geschaltet. Zudem bekam er mit, wie Bartl Wimmer - Fraktionssprecher der Grünen im Kreistag und im Marktgemeinderat Berchtesgaden - im Wahlkampf persönlich angefeindet wurde. „Der Angriff auf den Behinderten führte dazu, dass im Kuckucksnest viele junge Menschen zusammenkamen. Über mehrere Ecken ist dann die Initiative entstanden“, erinnert er sich zurück.
Anschlag in den 80ern überlebt
Der Kassier wurde selbst auch schon Opfer einer Attacke von Rechtsextremen. In der 80er-Jahren überlebte er in Hamburg einen Anschlag: Zuerst wurde das Treppenhaus des Gebäudes, in dem er wohnte, mit SS-Runen vollgeschmiert, ehe er körperlich attackiert wurde. „Ich habe überall geblutet. In den Tagen und Wochen danach habe ich mit einer Tränengas-Kartusche und einem Messer unter der Bettdecke geschlafen, denn meine Wohnung lag im Erdgeschoss“, erinnert er sich zurück. Noch heute lösten bestimmte Ereignisse Albträume bei ihm aus, wie er zugibt.
Seit dem 1. Februar ist Berchtesgaden gegen Rechts offiziell im Vereinsregister eingetragen, ein wichtiger Meilenstein für alle Beteiligten. Doch Egger weiß, dass es damit noch nicht getan ist. „Wir brauchen Mitglieder - je mehr, desto besser. Und wir brauchen ein Budget für die Aktionen, die wir geplant haben.“ Bald könne man sich über die Homepage des Vereins als Mitglied registrieren lassen, der Jahresbeitrag werde bei 25 Euro liegen. Für ihn das wichtigste Ziel: im Berchtesgadener Talkessel und darüber hinaus Bildung leisten und aufzeigen, dass die AfD keine Alternative sei, „sondern unsere Demokratie, unseren Wohlstand und unseren sozialen Zusammenhalt gefährdet“. Er will die Menschen wachrütteln und vor allem jüngere Menschen zum Wählen bewegen. „Je höher die Wahlbeteiligung, desto schlechter ist das für diese Partei“, glaubt er.
Vor allem die Jugend erreichen
Auch Anna und Michael haben klare Ziele vor Augen, mit der Vereinsgründung soll es jetzt erst so richtig losgehen. „Mein persönliches Hauptziel ist es, unsere Botschaft einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, insbesondere der Jugend. Denn die Zukunft liegt in ihren Händen, und sie haben das Potenzial, bedeutende Veränderungen herbeizuführen“, betont Anna. Und Michael ergänzt: „Ich finde es wichtig, sich klar gegen rechte Hetze zu positionieren und Haltung zu zeigen. Solange es Menschen gibt, die unter Diskriminierung und Anfeindungen zu leiden haben, zählt es für mich zur Pflicht eines jeden Demokraten, Haltung zu zeigen.
Die Brandmauer gegen den Rechtsruck seien nicht irgendwelche politischen Parteien, sondern eine engagierte und informierte Zivilgesellschaft, wie sie zurzeit auch auf den Straßen Deutschlands bei den Protesten gegen die rechtsextreme AfD zu sehen sei. Sein Ziel: „Eine weltoffene, pluralistische und tolerante Gesellschaft, in der ein faktenbasierter Diskurs stattfinden kann. Eine Gesellschaft, in der jeder Mensch ohne Angst leben kann, gleich seiner sexuellen Identität oder Herkunft.“
