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Über 500 Teilnehmer

„Politik darf nicht um sich selbst kreisen“: Wie Bad Reichenhall gegen Rechts demonstriert hat

Bei der Demonstration in Bad Reichenhall versammelten sich über 500 Teilnehmer. Viele hatten Plakate, auf denen sie ihre Meinung gegen Rechtsextremismus klarmachten.
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Klare Kante setzten die Teilnehmer mit ihren Botschaften und Plakaten.

Mit eindringlichen Appellen und Botschaften richteten sich die Redner bei der Demonstration „Gemeinsam gegen rechten Hass, für eine weltoffene Gesellschaft“ in Bad Reichenhall an über 500 Teilnehmer. Vieles drehte sich am Sonntagnachmittag (4. Februar) um die Frage: Sind wir schon mitten in „Wehret den Anfängen“ oder erst kurz davor?

Bad Reichenhall - Auch wenn sich die Initiatoren der Demo in Fragen des Gemeinwesens nicht immer einig sind: Am Sonntag herrschte auf dem vollen Rathausplatz breite Einigkeit. Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam für die freiheitliche, demokratische Gesellschaftsordnung einzustehen. Das Motto: „Wehret den Anfängen“. Doch nicht nur Michaela Kaniber machte in ihrem Beitrag deutlich: „Gefühl sind wir schon mittendrin. Wir müssen hellwach und aufmerksam sein.“ Die Staatsministerin hielt eine packende Rede, denn sie bekommt die Rolle und Methoden der AfD im Landtag oft genug mit, wie sie schilderte

„Sie steht nicht für Weltoffenheit, Vielfalt und Demokratie, das macht diese Partei bei jeder Gelegenheit deutlich“, betonte die in Bad Reichenhall geborene Politikerin. Es seien nicht einzelne Mitglieder, sondern die gesamte Partei, die mit Extremismus, Verschwörungstheorien und völkischen Denkweisen auffalle. „Wir hatten das schon einmal und wollen das nicht mehr in unserem Land“, rief Kaniber und erntete deutlichen Applaus. Die neuesten Enthüllungen über das Potsdamer Treffen seien „beängstigend und erschreckend“. „Das kann doch nicht sein, dass sich auf einmal bei meinen Töchtern Mitschülerinnen mit Migrationshintergrund melden und fragen, was sie jetzt tun sollen, ob sie flüchten müssen. Das erinnert an Deutschlands schlimmste Zeiten.“

„In anderen Ländern haben die Menschen nicht wirklich eine Wahl“

Mit Blick auf die Europawahl 2024 und andere Wahlen erinnerte sie daran, „dass in vielen anderen Ländern die Menschen nicht wirklich eine Wahl haben. Die europäische Idee ist ein Friedensprojekt, das wir mit aller Kraft verteidigen müssen. Wenn so viele Länder und Meinungen aufeinandertreffen, ist es nicht immer einfach und es dauert oft lange, bis eine Lösung gefunden wird. Aber das ist Demokratie.“ Für die Staatsministerin ist klar: Extremisten können nie die Alternative sein. Hier auf dem Rathausplatz sehe sie Geschlossenheit und Teilnehmer aus den verschiedensten Nationen, die Seite an Seite stehen. „Wir haben keine Angst: Wenn Demokraten zusammenstehen, haben Extremisten keine Chance!“

Der Rathausplatz war gut gefüllt, über 500 Menschen folgten dem Aufruf.

Auch Oberbürgermeister Christoph Lung fand deutliche Worte: „Es macht mich stolz, dass auch hier in Bad Reichenhall so viele Menschen zusammen kommen und klarmachen: Nie wieder ist jetzt!“ Diese Verfassungsfeindlichkeit müsse jeden Einzelnen herausfordern und auf den Plan rufen. „Demokratie ist nicht zwangsläufig und selbstverständlich. Dafür müssen wir eintreten.“ Er sei froh darüber, dass so viele ihre Komfortzone verlassen haben und nicht zu Hause geblieben sind. „Vielleicht müssen wir künftig noch häufiger unsere Komfortzone verlassen und Zeichen setzen. Wir sind nicht alleine, sondern die übergroße Mehrheit“, verdeutlichte Lung.

OB gibt Tipps und Anregungen zum Engagieren

Für diejenigen, die sich fragen, wie sie sich engagieren können, habe er drei Vorschläge und Anregungen. Erstens müsste die Gesellschaft wieder das Streiten lernen. „Wir brauchen wieder eine positive Streitkultur. Wir müssen uns austauschen und andere Meinungen haben dürfen, ohne die Gegenseite als persönlichen Feind zu betrachten. Politik ist und bleibt ein Interessenkonflikt, in dem es sachlich zugehen und um Kompromisse gehen sollte“, betonte der Oberbürgermeister. „Die Politik darf nicht um sich selbst kreisen - egal ob hier im Reichenhaller Stadtrat oder in der Regierung.“ Ein Satz, zu dem es viel Applaus aus den Reihen der Demonstranten gab.

Wir müssen auch das Anderssein tolerieren.

OB Christoph Lung

Zweitens müsse Toleranz gelebt werden, und zwar nicht mit Gleichgültigkeit und Desinteresse. „Toleranz ist immer dann notwendig, wenn sich jemand anders verhält oder eine andere Meinung hat. Das muss man trotzdem akzeptieren und hinschauen, statt wegzuschauen. Wir müssen das Anderssein tolerieren“, forderte der Oberbürgermeister. Sein dritter Vorschlag, nur auf den ersten Blick etwas verwirrend: Intolerant gegen Intoleranz sein. „Wir müssen gegen Hass Widerstand leisten, Grenzen setzen, privat wie in der Politik. Das heißt auch: wählen gehen, sich in der Gesellschaft beteiligen und für demokratische Kräfte stimmen.“

Deutliche Botschaften von den Demonstranten.

Auch in der Region gab es genügend Gräueltaten

Als „einer von euch“ präsentierte sich Mathias Irlinger. Als Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Obersalzberg sollte er eigentlich die geschichtlichen Zusammenhänge erläutern. „Aber ich muss gar keine wissenschaftliche Botschaft versenden, das geht auch viel einfacher: Raus mit den Nazis aus den Parlamenten, aus der Gesellschaft und aus Deutschland!“ Die regionale Geschichte zeige, dass man nicht immer nur nach Auschwitz schauen müsse, um Gräueltaten zu finden. „Die gab es auch bei uns im Berchtesgadener Land. Wir dürfen nicht warten, bis der Schneeball ins Rollen kommt, denn eine Lawine hält man nicht mehr auf. Sie kommt erst zum Stillstand, wenn sie alles unter sich begraben hat“, erklärte Irlinger.

Die NSDAP sei auch nicht von heute auf morgen an die Macht gekommen. „Wahrscheinlich schauten damals zu viele weg. Es gab dann noch große Proteste, aber da war es schon längst zu spät“, blickte er zurück. „Es ärgert mich, wenn wegen der Spritpreise oder Frust über einen Heizungswechsel die Demokratie gefährdet wird. Das ist es doch nicht wert!“ Für ihn sei klar: Manche Menschen und ihre Ideologien lassen sich nie ganz verhindern. Aber man könne Grenzen setzen. „Wir sind die Brandmauer und niemand sonst.“

Großes Lob an die AWO und vor allem an Hans Schubert

Von allen Rednern gab es ein großes Lob in Richtung Arbeitswohlfahrt (AWO). Der Kreisverband Berchtesgadener Land organisierte als Veranstalter die Demonstration, und wie der Vorsitzende Roman Niederberger heraushob, was dies vor allem eine Person zu verdanken: Hans Schubert. „Es ist nicht nur ein breites Bündnis, das heute für die Demokratie eintritt, sondern es sind auch immer einzelnen Personen. Hans, das hier ist dein Rathausplatz, dein Verdienst, denn ohne dich hätte es die Demo nicht gegeben“, betonte er.

Der sichtlich gerührte Kassierer und Geschäftsführer der AWO hatte den Nachmittag mit seinen Gedanken eingeleitet. „Vielleicht war der Geist von damals nie ganz verschwunden. Das Potsdamer Treffen hat uns alle dazu gezwungen, mit dem Wegschauen und Weghören aufzuhören. Wir alle sind aus unserer Bequemlichkeit aufgewacht und wehren uns endlich dagegen.“ Diese Demonstration „ist keine Veranstaltung von Gutmenschen, die zeigen wollen, wie sozial sie doch sind. Überhaupt: Wieso ist Gutmensch zu einem Schimpfwort geworden, wieso ist es so schlimm, Gutes zu tun?“

Er sei stolz darüber, dass sich auf seinen Aufruf so viele Vereine, Institutionen, Einrichtungen und Parteien gemeldet und an der Demonstration beteiligt haben. „Von links bis ganz in die Nähe der Brandmauer haben sich heute alle hier versammelt. Wir brauchen Menschen, die etwas bewegen wollen. Treten Sie diesen Vereinen und Organisationen bei. So können sie sich über diese Demo hinaus aktiv für die Demokratie, für Menschenrechte und für die Vielfalt einsetzen.“

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